Rosa Luxemburg (1870 -1919
warnte, die das leninistische Konzept der avantgardistischen
•
Kaderpartei
ablehnte: zu einer neuen Art von
Diktatur.
Unter demokratischem Zentralismus versteht man das von
von »W. I.
Lenin (1870-1924) entwickelte "Führungsprinzip kommunistischer
Parteien, nach dem a) Staat und Partei hierarchisch-zentralistisch
aufzubauen sind, b) das Führungspersonal von Partei/Staat von unten nach
oben gewählt wird, die Auswahl der zu wählenden Kandidaten jedoch von
oben nach unten erfolgt, c) die Beschlüsse der höheren Organe für die
unteren bindend sind und d) Minderheiten sich einer straffen
Parteidisziplin unterordnen müssen." (Schubert,/Klein
2011)
Der demokratische Zentralismus wurde auf dem zweiten Kongress
der »Kommunistischen
Internationale im Jahr 1920 als verbindliches Organisationsprinzip
von allen Sektionen der Komintern (nationalen kommunistischen Parteien)
angenommen.
Das von Lenin als Entwicklungs- und Organisationsprinzip
der kommunistischen Partei und der sozialistischen Gesellschaft
verstandene Konzept wurde von dem Führer der »Bolschewiki
in Russland in seinen Schriften "»Was
tun?“ (1901/1902) und "»Ein
Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“ (1904)in seinen wesentlichen
Grundzügen niedergelegt. Dabei spielten für ihn drei Aspekte eine
besonders wichtige Rolle:
-
Zentralisierung des Parteiapparats. Diese besteht seiner
Ansicht nach in der kollektiven Leitung der Partei von einem
gewählten Zentrum aus, das gegenüber den untergeordneten
Parteigliederungen weisungsbefugt ist. Dieses Prinzip der
Unterordnung der jeweils unteren Parteieinheit unter die höhere
Leitung ist durchgängiges Prinzip der Parteiorganisation.
-
Rechenschaftspflicht: Sämtliche Leitungen sind gegenüber
jenen Parteiorganen, die sie jeweils gewählt haben,
rechenschaftspflichtig und können von diesen abgesetzt werden.
-
Parteidisziplin:
Auf allen Ebenen der Partei gilt eine streng verbindliche
Parteidisziplin, die Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit,
unbedingte Verbindlichkeit der Beschlüsse der höheren Organe für die
unteren Organe und die Mitglieder, sowie eine aktive Mitarbeit der
Parteimitglieder in ihren Organisationen zur Verwirklichung
gefasster Beschlüsse (vgl.
Sachwörterbuch der Geschichte..., Bd. 1, 1969, S,382)
Nach marxistisch-leninistischer Auffassung der »Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands (SED) der »DDR,
die sich seit 1949 selbst als
»Partei neuen Typus' zu dem demokratischen Zentralismus in Partei und
Staat bekannte, ergibt sich die Notwendigkeit zum demokratischen
Zentralismus "aus dem Wesen und der historischen Mission der
Arbeiterklasse, aus den Erfordernissen des Klassenkampfes sowie aus dem
Weg zur sozialistischen Gesellschaftsordnung." (ebd.)
Aus dieser Perspektive betrachtet gibt es keinen Widerspruch zwischen
Zentralismus und Demokratie, denn der demokratische Zentralismus sichere
"die straffe Leitung, verbunden mit breiter innerparteilicher
Demokratie, und ist entscheidend für die Einheit und Geschlossenheit,
die Stärkung der Kampfkraft der marxistisch-leninistischen Partei als
Führerin der Arbeiterklasse und aller Werktätigen." (ebd.)
Dem theoretischen Konzept nach war das Prinzip des demokratischen
Zentralismus wegen der Wahl der Leitungen, deren Rechenschaftspflicht
und prinzipiellen Absetzbarkeit demokratisch und die unbedingte
Durchsetzung der von einer jeweils größeren Mehrheit getragenen Politik
übergeordneter Leitungen gegen einzelne Untergliederungen von oben nach
unten Ausdruck dieses Demokratieverständnisses.
Die
politisch-gesellschaftliche Realität zeichnete indessen in der
sozialistischen »Sowjetunion
(1922-1991) und der »Deutschen
Demokratischen Republik (DDR) (1949-1990) ein völlig anderes Bild.
Unter »Josef
Stalin (1878-1953) wurde das Prinzip des demokratischen Zentralismus
an Merkmalen der Partei festgemacht.
Die stalinistisch ausgerichteten
kommunistischen Parteien verstanden sich als
-
organisierte Avantgarde
der Arbeiterklasse
-
höchste Form der
Klassenorganisation des Proletariats
-
Instrument der »Diktatur
des Proletariats
-
eine Einheit des Willens,
die mit der Existenz von Fraktionen unvereinbar ist
-
Hüter der Lehren des
Marxismus-Leninismus in Theorie und Praxis gegen Abweichungen und
"Abweichler", gegen die sie mit allen Mitteln vorzugehen,
legitimiert seien (z. B. "Parteisäuberungen" etc.)
Dem System des stalinistischen Terrors gegen "Abweichler" fielen in
der Zeit der Herrschaft Stalins Millionen den
politischen "»Säuberungen“
(»Stalinsche
Säuberungen)
zum Opfer.
Das Grundproblem des leninistischen Konzepts des demokratischen
Zentralismus war, wie
Bronner
(2003, S.425) betont, die Tatsache, dass sich "die Partei
über das Proletariat erhob, zum eigentlichen revolutionären Subjekt der
Geschichte erklärte und die Interessen von Partei und Staat in eins
setzte". Auf diese Weise sei "das Avantgardekonzept der Partei zum
perfekten Instrument des Staatsterrors" geworden. "Bar jeder
demokratischen Rechtfertigungsnot und umgeben vom Mythos der
Wissenschaftlichkeit ermöglichte die »Avantgardepartei« eine Art
Revolution, die direkt zur autokratischen Degeneration der politischen
Sphäre führte. Die gesamte »Linke« hat einen hohen Preis für die
Anmaßungen des Leninismus und seiner Organisationstheorie gezahlt; jener
Theorie, die ihr Begründer 1902 unter dem – einem Roman »Nikolai
G. Tschernyschewskis (1828-1889) aus dem Jahre 1863 entlehnten –
Titel »Was tun?« veröffentlicht hat."
(Abb.:Wladimir Iljitsch Lenin - gemeinfrei
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-71043-0003,_Wladimir_Iljitsch_Lenin.jpg)