Die nachfolgenden
Beispiele sind verschiedenen Ausätzen
zu ▪ Herbert
Malechas ▪
Kurzgeschichte "Die
Probe" entnommen. Sie sind dadurch zwar aus ihrem Zusammenhang
herausgerissen, können aber dennoch als Anschauungs- und Übungsmaterial
zur Analyse und Überarbeitung genutzt werden. Dabei weisen sie unterschiedliche Mängel auf.
Die Kurzgeschichte "Die
Probe" von
Herbert
Malecha, erschienen 1956 in Hamburg, befasst sich mit dem Thema
Identitätsproblematik. Die Geschichte handelt von dem polizeilich
gesuchten Jens Redluff, der trotz seinem falschen Pass, seinen wahren
Namen offenbart.
Die Geschichte ist in vier Handlungsabschnitte gegliedert. Im ersten
Abschnitt bewegt sich Jens Redluff auf der Straße unter den vielen
Menschen und wird zudem noch fast von einem Menschen angefahren. Er fühlt
sich unwohl unter den vielen Menschen und wegen des lauten Verkehrs.
Schließlich beginnt der zweite Handlungsabschnitt der Geschichte. Redluff
gelangt in eine zwielichtige Bar. Wie es der Zufall will, findet in diesem
Lokal gerade eine Polizeikontrolle statt. Redluff besteht mit seinem
falschen Ausweis "die Probe" und wird nicht erkannt. Mit ruhiger
Hand bietet er dem Polizisten eine Zigarette an. Nun betritt Redluff
sichtlich erleichtert erneut die Straße, den dritten Handlungsabschnitt.
Er fühlt sich wohl in der Menge und taucht in ihr unter. Der Weg führt
ihn im vierten Handlungsabschnitt zu einer Ausstellung voller Menschen.
Erneut kommt der Zufall ins Spiel: Redluff wird der hunderttausendste
Besucher der Ausstellung. Nach seinem Namen gefragt, antwortet er mit
"Redluff, Jens Redluff". Die auf der Ausstellung anwesenden
Polizisten beginnen ihn einzukreisen.
Jens Redluff wird polizeilich gesucht. Er hat die Absicht mit einem
falschen Pass per Schiff außer Landes zu gelangen.
Im ersten Handlungsraum der Geschichte, der Straße, befindet er sich in
einer unsicheren Lage: Er ist sich nicht sicher, ob sein falscher Ausweis
auch funktioniert. Seine Unsicherheit wird damit verstärkt, dass er fast
von einem Auto angefahren wird. Außerdem ist er sehr nervös.
Im zweiten Handlungsraum, einem zwielichtigen Lokal, lässt seine
Anspannung etwas nach. Bei der in der Bar stattfindenden Polizeikontrolle
ist er in der Lage, eine äußere sowie eine innere Probe zu bestehen. Die
äußere Probe besteht darin, dass sein gefälschter Ausweis von der
Polizei als gültig angesehen wird. Die innere Probe besteht Jens Redluff
dadurch, dass er ohne zu zittern, dem Polizisten Feuer anbietet. Nun macht
sich in Redluff Erleichterung breit, weil weder durch den falschen
Ausweis, noch durch sein Verhalten seine wahre Identität offenbart worden
ist.
Im dritten Handlungsraum betritt Jens Redluff wieder die Straße. Er ist
nun in der Lage, in der Menschenmenge unterzutauchen.
Im vierten Handlungsraum, einer Ausstellung voller Menschen, spielt ihm
sein Unterbewusstsein einen Strich. Als hundertausendster Besucher nach
dem Namen gefragt gibt er instinktiv seine wahre Identität preis.
Aufgrund der Erleichterung und Entspannung ist er nämlich nicht in der
Lage, diese instinktive, gewohnte Antwort zu unterdrücken.
Die vier Handlungsorte in Herbert Malechas Kurzgeschichte stehen in
wichtiger Beziehung zu der inneren Befindlichkeit Jens Redluffs. Auf der
Straße, dem ersten Handlungsraum der Geschichte, ist Jens Redluff
"einem Platzregen von Gesichtern ausgesetzt", "fahlen
Ovalen". "Abgerissene Gesprächsfetzen schlagen um seine
Ohren", "eine Straßenbahn schrammt vorbei". Diese, in der
Form gestaltete Beschreibung der Straße charakterisiert auch Redluffs
inneres Befinden: Er fürchtet, erkannt zu werden. Alles ist laut,
hektisch. Er kann nicht in die Masse eintauchen. - Er hat Angst. -
Dies wird durch seine schweißnassen Hände unterstrichen.
Der zweite Handlungsraum der Geschichte ist eine zwielichtige Bar. Der
Raum spiegelt zunächst die Spannung wider, in der sich Jens Redluff
befindet, nämlich durch die anwesenden "Soldaten", durch
"grelle Damen" und "pathetisch roten" Lampenschirme.
Außerdem "spielt" der Musikautomat in der Ecke nicht, er
"hämmert".
Nun bahnt sich "die Probe" an, die Polizeikontrolle findet
statt. Die Situation spitzt sich zu. Im Raum setzt die Musik aus. Nachdem
Redluff die äußere Probe, den Beweis, dass sein Ausweis funktioniert,
und die innere Probe, in seinem Verhalten ist nichts Verdächtiges,
bestanden hat, reagiert auch der Raum auf seine Erleichterung und
Entspannung. "Triumphierend" beginnt der Musikautomat wieder
einzusetzen.
Nun kommt Redluff in den dritten Handlungsraum der Geschichte. Es ist
erneut die Straße. Doch dieses Mal "lachen und schwatzen" die
Menschen. Er ist "mitten unter ihnen". Er sieht tanzende Paare
und hört "abgedämpfte Musik". - Er hat keine Angst mehr.
Von den Menschen mitgezogen in der Masse gelangt Jens Redluff nun in den
vierten und letzten Handlungsraum der Geschichte: eine Ausstellung voller
Menschen. Als hunderttausendster Besucher nach seinem Namen gefragt, gibt
Jens Redluff seinen richtigen Namen bekannt. Er tut dies instinktiv und
aus dem Unterbewusstsein heraus. Durch den Text lässt sich die
Unterbewusstseinshandlung dadurch belegen, dass er "das glänzende
Ding", dass der Mann Mann trägt, der auf ihn zukommt, nicht erkennt.
"Fotoblitze zucken." Die ganze Situation ist für ihn zu
unerwartet, zu verschwommen, als bewusst darauf reagieren zu können.
Meines Erachtens ist die Aussage der Geschichte die, dass man sein
Unterbewusstsein nicht so leicht austricksen kann. Die Aussage wird vom
Autor mit einer Reihe von sprachlichen und erzähltechnischen Mitteln
gestaltet. Außerdem spielt die Raumgestaltung eine wichtige Rolle. Für
die Aussage der Geschichte sind besonders die letzten beiden
Handlungsräume von Bedeutung. Zunächst ist dies die belebte Straße, die
jetzt im Gegensatz zum ersten Handlungsabschnitt, in dem Jens Redluff
Angst verspürt, beruhigend auf ihn wirkt. Ein hier auftretendes
erzähltechnisches Mittel ist die erlebte Rede, z.B. in Zeile 104
"verdammt hübsch" und in Zeile 110 "Er gehörte wieder
dazu, er hatte den Schritt der vielen, es machte ihm keine Mühe
mehr", die sich unter den Erzählerbericht mischt. Die erlebte Rede
nimmt eine Zwischenposition zwischen direkter und indirekter Rede ein. Die
Anwesenheit des Erzählers ist noch spürbar. Die Merkmale der erlebten
Rede sind der Indikativ Präteritum und die dritte Person. Die erlebte
Rede wird auch noch in anderen Handlungsräumen sichtbar: Im Handlungsraum
der hektischen Straße beispielsweise in Zeile 8: "Das hatte ihm
gerade gefehlt...". Sie ist aber auch im zweiten Handlungsraum, der
zwielichtigen Bar, zu finden: Zeile 55 und 57: "Schön warm war es
hier" und "Gut saß es sich hier".
Doch nun wieder zurück zur Aussage des Textes. Das Unterbewusste wird
dadurch verdeutlicht, dass Redluff "pulsierende Musik" hört,
dass er in das Geschehen, in den Handlungsort völlig eintaucht, von der
Masse mitgerissen wird. Er befindet sich in einem "Gewirr von
Hunderten von Stimmen." Er kann nicht mehr bewusst reagieren, als er
nach seinem Namen gefragt wird. Instinktiv nennt er seinen richtigen
Namen, im Text durch die Anführungszeichen der wörtlichen Rede
gekennzeichnet. Die wörtliche Rede verleibt dem epischen Text einen
dramatischen Akzent. Dadurch wird einem die Textaussage, nun mehr
verstärkt, deutlich: Das Unterbewusstsein lässt sich nicht so leicht
austricksen.
(Gk 12)