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Das Kapitel "Der
Onkel / Leni"
in
Franz Kafkas Roman "Der
Prozess" wird in der literaturwissenschaftlichen Analyse vor allem
in Bezug auf die Darstellung von Frauen und von Sexualität und deren
Funktion betrachtet. Dabei ist die Begegnung von Josef K. mit Leni genau zu
betrachten(→teachSamOER-Dokument):
Die nachfolgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der Hamburger
Lesehefte (2008).
Im Hausflur des Hauses des Advokaten Huld (S.69 Z.29 -
70 Z.9)
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K. sieht, nachdem der Onkel geläutet hat, im Guckfenster der Tür zur
Wohnung des Advokaten "zwei
große schwarze Augen" (HL
S.69)
-
K.s Onkel meint, dass sie dem neuen Stubenmädchen gehören, das sich
offenbar vor Fremden fürchte. (HL
S.69)
-
Als die Augen zum zweiten Mal zu sehen sind, hinterlassen sie
im Schimmer des Lichts der Gaslaterne, das auf sie fällt, fast den
Eindruck von Traurigkeit (HL
S.69)
Im Vorzimmer (HL S,70 Z. 9 - S.70 Z. 24)
Im Krankenzimmer des Advokaten (S.70 Z. 15- S.75 Z. 9)
Im Vorzimmer (HL S.75 Z.9 - S.75 Z. 20)
-
Als K. das Krankenzimmer des Advokaten verlässt, trifft er im
Dunkeln des Vorzimmers auf Leni, die ihre Hand auf seine legt
und die Türe zum Krankenzimmer leise schließt. (HL
75)
-
K. erfährt er von Leni, dass ihn mit dem Lärm des herabfallenden
Geschirrs aus dem Raum habe locken wollen. (HL
75)
-
K. räumt daraufhin ein, dass er
drinnen auch schon an Leni gedacht habe
("Ich
habe auch an Sie gedacht."
HL 75)
Im Arbeitszimmer des Advokaten (HL S.75 Z.20 - S.78 Z. 37)
-
Im Arbeitszimmer wird K. von Leni zu einer dunklen Truhe mit
holzgeschnitzer Lehne geführt, wo Leni sich ganz nahe neben K. setzt.
-
K., der sich zunächst noch ein wenig im Zimmer umsieht, hat aber
bald nur nur "noch
Augen für die Pflegerin" (HL
75).
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Diese äußert allerdings ihre Verwunderung darüber, dass K. sie habe
warten lassen, obwohl er doch gleich von Beginn an Interesse an ihr
gezeigt habe.("Zuerst
sahen Sie mich gleich beim Eintritt ununterbrochen an und dann
ließen Sie mich warten."
HL 75),
-
K. erklärt sein zurückhaltendes Verhalten mit seiner Schüchternheit und
seiner ersten Einschätzung Lenis, von der er nicht angenommen habe,
dass sie "in
einem Sprung zu gewinnen" wäre.
(HL 75)
-
Als Leni K. zeigt, dass sie ihn begehrt - sie setzt sich im
Arbeitszimmer des Advokaten auf einer Bank ganz nahe zu ihm (HL
75) - und ihm unverhohlen zu verstehen gibt, dass sie von
Anfang an den Eindruck gewonnen hatte, K. habe auch Interesse an ihr hat K. seine Prozessangelegenheit schnell aus dem Kopf
und etwas später erscheint ihm alles als "unbegreifliches
Bedürfnis" ihrerseits (HL
77)
-
Leni ist damit nicht zufrieden und will von K. wissen, ob sie
ihm denn nicht gefalle ("ich
gefiel Ihnen nicht",
HL 76)
-
K. weicht der Antwort mit der Bemerkung aus "Gefallen
wäre ja nicht viel." (HL
76) - löst dabei einen Ausruf zustimmender
Verwunderung bei Leni aus ("Oh!",
HL 76)
und wechselt mit der Betrachtung des Ölgemäldes für einen Moment das
Thema.
-
Leni findet aber schnell wieder zu ihrem Thema zurück und macht
sich daran, K. weiter zu "becircen": "ich
bin eitel und sehr unzufrieden damit, dass ich Ihnen gar nicht
gefalle." (HL
76)
-
K. beantwortet ihr Drängen damit, dass er
Leni
umfasst und an sich zieht (HL
76) während sie "still
den Kopf an seine Schulter" legt (HL
76); Leni
greift dazu nach K.s Hand und spielt mit seinen Fingern
(HL 76).
-
Lenis fragend vorgetragene Bitte, K. solle doch nicht immer nur
an seinen Prozess denken ("Aber
müssen Sie denn immerfort an Ihren Prozess denken?", HL
76) wird von ihr selbst jedoch mit Andeutungen über den
Prozessverlauf konterkariert. Dessen ungeachtet rückt sie K. jetzt so nahe,
dass dieser
ihren
Körper an seiner Brust erfühlt und
auf ihr reiches, dunkles, fest gedrehtes Harr hinabsieht (HL
77)
-
Leni gibt K. den Rat, "bei
nächster Gelegenheit das Geständnis" zu machen (HL
77) und bietet ihm, da auch das nicht reiche, um dem
Prozess zu "entschlüpfen"
(HL
77), ihre Hilfe an ("Hilfe
[...]die will ich Ihnen selbst leisten",
HL 77)
-
K. kommentiert Lenis Angebot mit der Bemerkung,
Leni verstehe "viel von diesem Gericht" und den dort nötigen
Betrügereien
(HL 77)
-
Weil Leni "allzu
stark" an ihn drängt, hebt K. sie auf seinen Schoß (HL
77), was sie mit den Worten "So
ist es gut"
(HL 77)
begleitet. Zugleich richtet sie sich dort ein ("richtete
sich auf seinem Schoß ein, indem sie den Rock glättete und die Bluse
zurechtzog" HL 77) , indem sie ihre
Hände um seinen Hals legt (HL 77).
-
K. will daraufhin von Leni wissen, ob sie ihm
nur
unter der Bedingung seines Geständnisses helfen könne (HL 77),
was von ihr
verneint wird (HL 77); dabei macht er sich
Gedanken darüber,
dass er "Helferinnen" anwerbe, zu denen er auch Fräulein
Bürstner und die Frau des Gerichtsdieners zählt ("Ich
werbe Helferinnen", HL 77). Das
-
K. kann sich allerdings das in seinen Augen
unbegreifliche
Bedürfnis Lenis nach ihm nicht erklären. ("unbegreifliches
Bedürfnis", (HL
77). So wundert es ihn auch, wie Leni, von der er in Gedanken
nicht namentlich spricht, sondern sie als
"diese
kleine Pflegerin" (HL 77) bezeichnet,
auf seinem "Schoß sitzt, als sei es ihr einzig richtiger Platz!" (HL
77).
-
Leni unterstellt K. aus Eigensinnigkeit auf
ihre Hilfe verzichten zu wollen. (HL 77)
-
Unvermittelt fragt Leni K. dann,
ob er eine Geliebte habe (HL 78), was dieser
wahrheitsgemäß zunächst verneint, dann aber als Leni das Gegenteil
behauptet, doch
eingesteht (HL 78)
-
K. zeigt Leni daraufhin eine
Photographie der tanzenden Elsa, die von Leni "zusammengekrümmt
auf seinem Schoß" aufmerksam betrachtet wird (HL 78)
-
Leni kommentiert das Bild, das Elsa mit fliegendem Rock bei
einem Wirbeltanz in einem Weinlokal zeigt, mit der Bemerkung: "Sie
ist stark geschnürt." (HL
78); zugleich betont sie ihre Abneigung: "Sie
gefällt mir nicht, sie ist unbeholfen und roh." (HL
78) Zugleich will sie von K. wissen: "Würde
sie sich aber für Sie opfern können?" (HL 78)
-
K. verneint dies und betont er habe von Elsa "bisher
weder das eine noch das andere von ihr verlangt" (HL
78f.)
-
Als Leni daraufhin einwendet, dann sei
Elsa auch nicht seine Geliebte (HL 78), wird dies von K.
bestritten.
-
Leni bohrt nach, indem sie feststellend fragt, ob es ihm etwas
ausmachen würde, wenn er
Elsa gegen sie eintauschen könnte. (HL 78)
-
K. verneint dies zwar, betont aber als Vorteil Elsas, dass diese
nichts vom Prozess wisse. Dies wiederum wird von Leni nicht als solcher
angesehen und nimmt ihr nicht den Mut, weiter um K. zu werben. (HL
78)
-
Wichtiger ist Leni zu erfahren, ob Elsa einen körperlichen Makel
aufweise ("Hat
sie irgendeinen körperlichen Fehler?", HL 78), zumal
sie selbst auf einen solchen bei sich hinweist, nämlich ein "Verbindungshäutchen"
zwischen dem Mittel- und Ringfinger ihrer rechten Hand (HL
78)
-
K., der darin offenbar keinen Makel sehen kann, äußert eher eine Art
verwunderte Neugier darüber ("Was
für ein Naturspiel", HL 78;
"Was
für eine hübsche Kralle!", HL 78) greift nach ihrer Hand, um
sich das Ganze genauer anzusehen und
küsst am Ende "flüchtig" die beiden Finger
(HL
78)
-
Leni zeigt sich über den flüchtigen Handkuss freudig
überrascht ("Sie
haben mich geküsst!", HL 78), sieht sich in der Annahme
gegenseitigen Begehrens bestätigt, und macht sich "eilig" daran, die
Intensität des körperlichen Kontakts und damit die sexuelle Intimität zu
erhöhen ("Eilig,
mit offenem Mund erkletterte sie mit den Knien seinen Schoß.", HL 78).
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K. zeigt sich über das fordernde Begehren Lenis "fast
bestürzt" (HL
78), als sie ihn, einen "bittere(n),
aufreizende(n) Geruch wie von Pfeffer"
(HL 78) verströmend, seinen Kopf an sich nimmt und ihn in und auf
Hals und Haare küsst und beißt ("biss
und küsste seinen Hals, biss selbst in seine Haare",
HL 78)
-
Als Leni mit dem Knie von seinem Schoß abrutscht und gerade noch von
K. davor bewahrt werden kann, auf den Boden zu fallen, wird K. zu
Leni hinabgezogen. ("wurde
zu ihr hinabgezogen", HL 78)
-
Leni kommentiert das Ganze mit den Worten: "Jetzt
gehörst du mir« (HL
78)
-
Als sich K. wieder von Leni verabschiedet, erhält er von ihr den
Hausschlüssel, damit er jederzeit kommen könne, wann er wolle. ("Hier
hast du den Hausschlüssel, komm, wann du willst." , HL 78) Als K.
geht, sendet sie ihm in einer Geste noch einen "ziellose(n)
Kuss" hinterher.
Auf der Straße vor dem Haus des Advokaten (HL S.78 Z. 37 -
Kapitelende S.79)
-
Als K. im Anschluss daran von seinem Onkel zur Rede gestellt
wird, macht dieser ihm den Vorwurf, sich "stundenlang" mit
"einem kleinen, schmutzigen Ding, das überdies offensichtlich die
Geliebte des Advokaten ist" vergnügt zu haben und dies sogar ohne
jede Geheimniskrämerei, so dass sowohl er selbst als auch der
Advokat und der Kanzleidirektor darüber im Bilde gewesen seien. ("Suchst
nicht einmal einen Vorwand, verheimlichst nichts, nein, bist ganz offen,
läufst zu ihr und bleibst bei ihr.", HL 79)
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Bei seinen späteren Besuchen beim Advokaten hat K. das Gefühl, dass
der Advokat in seinem Beisein genau jene Stelle auf dem Teppich fixiert,
wo er mit Leni gelegen war. (HL
80)
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