Nur
wenige der 1300 Angehörigen des Lagerpersonals aus dem »KZ
Majdanek
kamen nach dem Krieg vor
Gericht.
Sechs SS-Männern aus der Lagermannschaft wurde im November 1944
in »Lublin
der Prozess gemacht: Zwei begingen vor der Urteilsverkündung
Selbstmord, vier wurden zum Tode verurteilt.
Von 1946 bis 1948 fanden in Lublin Prozesse gegen viele Angehörige statt, die meisten waren
Wachtposten in Majdanek gewesen. Sieben Angeklagte wurden zum Tod
verurteilt, darunter die Kommandantin des Frauen-Lagers, »Else Ehrich
(1914-1948), die
anderen erhielten lange Gefängnisstrafen. Von 1975 bis 1981 wurden in
Düsseldorf weitere elf Männer und fünf Frauen des ehemaligen Majdanek
Personals vor Gericht gestellt - unter ihnen Hauptsturmführer »Hermann
Hackmann (1913-1994), der Schutzhaftlagerführer, »Hermine
Braunsteiner,
Aufseherin des Frauen-Lagers, der Lagerarzt »Heinrich
Schmidt (1912-2000) und die SS-Angehörige »Hildegard Lächert
(1920-1955)t. Von den am Ende des Prozesses noch verhandlungsfähigen
Angeklagten wurde eine zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe
verurteilt, sieben weitere zu Freiheitsstrafen, einer wurde
freigesprochen.
Hermine Braunsteiner - Die "Stute von Majdanek"
Hermine
Braunsteiner, die unter den Häftlingen als die grausamste und
brutalste Aufseherin im »KZ
Majdanek gilt, erhält dort den Spitznamen die "Stute
von Majdanek" (Kobyla) , da sie mit Tritten ihrer Eisenstiefel
die Lagerinsassen immer wieder quält.
Berüchtigt
ist ihre ihre grausame Behandlung von Kindern, die in ihren
Augen nur "nutzlose Esser" waren. Sie bestrafte sie mit Schlägen und
Peitschenhieben, wenn sie sich zu hastig auf den Essenskübel
stürzten oder ihre »Häftlingsnummer
nicht richtig angenäht hatten. Ein Kind war von seinem Vater, als er
in dem Lager ankam, in einem Rucksack versteckt worden. Als es sich
bewegte, schägt Braunsteiner mit der Peitsche auf das schreiende,
weinende Kind und treibt es dann in die Gaskammer.
Für ihre
"Verdienste" erhält Braunsteiner 1943 das »Kriegsverdienstkreuz
zweiter Klasse. Im Januar 1944 wurde sie in das »KZ
Ravensbrück zurückversetzt, zunächst als Leiterin des
Nebenlagers Genthin und dann auch als Oberaufseherin. Nach Auflösung
des Lagers Anfang Mai 1945 flieht sie vor den sowjetischen Truppen
zurück nach Wien.
Am 16.7. 1919 wird
Hermine Braunsteiner in Wien als Tochter des Metzgers Friedrich
Braunsteiner und dessen Frau Maria geboren. In dem unpolitischen
Elternhaus erhält sie eine strenge katholische Erziehung.
Von 1925 bis 1933
besucht sie Volks- und Hauptschule und arbeitet danach
zwischen 1934 und 1939 in einer Brauerei und als Haushaltsgehilfin,
danach bei den »Heinkel-Werken
in Berlin.
Ende der 1930er
Jahre wohnt sie bei einem Beamten, der sie vom Nationalsozialismus
überzeugt.
1939 bewirbt sich
Hermine Braunsteiner wegen der besseren Bezahlung und günstigeren
Arbeitsbedingungen erfolgreich im »KZ
Ravensbrück, wo sie am 15. August 1939 ihren Dienst antritt und
zur Aufseherin ausgebildet wird. Da sie sich mit ihrer Neigung zur
Pflichterfüllung auszeichnet, steigt sie in der Aufseher-Hierarchie
schnell auf. 1941 wurde sie Leiterin der Kleiderkammer in
Ravensbrück.
Am 16. Oktober 1942
wird Braunsteiner in das »KZ
Majdanek
im besetzten Polen versetzt, wo sie ihre Karriere fortsetzt und ein
ein halbes Jahr später Rapportführerin und kurz danach
Stellvertreterin der Oberaufseherin »Else Ehrich
(1914-1948) und sich als "Stute
von Majdanek" ihren Namen für ihre besondere Grausamkeit macht.
Im Januar 1944 wird
sie wieder in das »KZ
Ravensbrück zurückversetzt. Dort ist sie zunächst Leiterin des
Nebenlagers Genthin, später auch als Oberaufseherin.
Nach Auflösung des
Lagers Anfang Mai 1945 flieht sie vor den sowjetischen Truppen
zurück nach Wien.
Leben nach Kriegsende und Entdeckung
1946 wird Hermine
Braunsteiner durch die österreichische Polizei verhaftet und an die
Alliierten ausgeliefert. Sie verbringt zwei Jahre in »Internierungs-
und Kriegsgefangenenlagern.
1949 wird sie vom
"Landesgericht für Strafsachen in Wien als Volksgericht" für ihre
Taten in Ravensbrück zu drei Jahren schwerem, verschärftem Kerker
verurteilt, jedoch schon im Frühjahr 1950 wieder freigelassen. Ihre
Tätigkeit in Majdanek spielt bei diesem Prozess keine Rolle.
Acht Jahre später
wandert sie mit dem US-Soldaten Russel Ryan nach Kanada aus,
heiratet ihn und zog daraufhin mit ihm zusammen in die Vereinigten
Staaten in den New Yorker Stadtteil Queens. Weder ihrem Mann noch
den amerikanischen Behörden erzählt sie von ihrer Arbeit in den
Konzentrationslagern. 1963 erhält Hermine Braunsteiner-Ryan die
US-amerikanische Staatsbürgerschaft.
Ein Jahr später
wird sie jedoch aufgrund von Hinweisen des erfolgreichen und
unermüdlichen "Nazi-Jägers" »Simon
Wiesenthal (1908-2005) aufgespürt. Umfangreiche Presseberichte
und ein Ausbürgerungsverfahren folgten.
1971 verzichtet
Braunsteiner-Ryan rückwirkend auf die US-Staatsbürgerschaft und ist
somit staatenlos.
1973 wird sie in
den Vereinigten Staaten verhaftet, in die Bundesrepublik Deutschland
ausgeliefert und kommt zunächst wegen Fluchtgefahr in
Untersuchungshaft.
Im Jahr 2013
entdeckt ein Mann in Graz in der Hinterlassenschaft seiner
Großmutter mehrere private Dokumente, welche Braunsteiner-Ryan in
den Jahren 1957 bis 1973 an diese geschickt hatte.
In einem längeren
Brief aus dem US-Gefängnis vom 22. April 1973 schreibt sie:
"Dieses habe
ich alles meinen lieben Freunden, den J. [d.h., den Juden] und
auch dem deutschen Staat zu verdanken, die es für nötig halten
(auf den enormen Druck und Geldmacht der so beliebten Rasse)
mich nach 34 Jahren für schuldig machen zu wollen, und so meine
Auslieferung fordern, um mich aufs neue wieder zu verurteilen,
für all das, was damals der deutsche Staat anordnete und
ausführen ließ.“
1975 wird
Braunsteiner-Ryan im dritten Majdanek-Prozess vor dem Landgericht
Düsseldorf zusammen mit acht anderen Mitarbeitern des Lagers
angeklagt. Die Vorwürfe gegen Ryan lauten "gemeinschaftlicher Mord
in 1.181 Fällen und Beihilfe zum Mord in 705 Fällen".
Hermine
Braunsteiner-Ryan zeigt vor Gericht keine Regung oder gar Reue. Es
wird berichtet, dass sie während der Verhandlung sogar
Kreuzworträtsel gelöst hat. Sie ist die meiste Zeit sehr schweigsam.
Wenn sie etwas sagt, bestreitet sie die Vorfälle.
Später nennt sie
als Grund für ihr Handeln ihren Mangel an Lebenserfahrung und
bezeichnet sich als "kleines Rad im Getriebe". "Wenn sie mal
spricht, bestreitet sie die Vorwürfe und beugt sich wieder über ein
Rätselheftchen." (aus: Thorsten Schmitz, Die Stute von Majdanek, in: Süddeutsche Magazin v. 13.12.1996)
Von Unrechtsbewusstsein keine Spur bei einer Täterin, die sich durch ihre
Grausamkeit gegenüber den Gefangenen deutlich hervorgetan hatte:
"Irgendwann im Oktober 1943 versuchte ein Vater seinen Sohn in einem
Rucksack mit ins Lager zu schmuggeln. Hermine Ryan sah, dass sich der
Rucksack bewegte und schlug mit der Peitsche darauf. Bis nur noch ein
Wimmern aus dem Rucksack kam. Hermine Ryan, damals 24 Jahre alt, zog den
blutenden Buben an den Haaren raus. Sie warf ihn auf einen offenen
Lastwagen zu den anderen Kindern: Abfahrt in die Gaskammer. [...] Hermine
Ryan schlug Kinder mit einer Suppenkelle blutig, weil die sich auf einen
Essenskübel stürzten. Sie peitschte Mädchen, die ihre Häftlingsnummer
nicht korrekt angenäht, Strümpfe getragen, Kissen unter die dünne Kleidung
gebunden oder über Hunger geklagt hatten. Kinder und Säuglinge galten in
Majdanek als "unnütze Esser".
Weil im Frühjahr 1943 mehr Juden aus dem Warschauer Ghetto nach Majdanek
deportiert wurden, als das Lager fasste, konnten die Kinder nicht sofort
vergast werden. Etwa hundert wurden deshalb in eine Baracke verlegt, bis
in den Gaskammern wieder Platz war. Beim Abtransport packte Hermine Ryan
kräftig mit an. Die Kinder, die von allein nicht auf die Todeslastwagen
klettern konnten, fasste sie an "Ärmchen und Beinchen und warf sie wie
Schlachtvieh auf die offene Ladefläche". Frauen, soll Ryan gesagt haben,
"sind wie Scheiße". Womöglich sprach sie aus bloßem Neid: Hermine Ryan ist
unfruchtbar, sie kann keine Kinder bekommen." (ebd.)
Über ihre Zeit im
Lager berichtet sie: "… der ganze Eindruck und die ganze Atmosphäre
im Lager haben mich seelisch sehr belastet, ich meine als Frau".
Während der
Verhandlung, die über sechs Jahre hinzieht, erleidet
Braunsteiner-Ryan zweimal einen Zusammenbruch. Sie wird aufgrund
einer Kaution ihres Ehemanns 1976 aus der Untersuchungshaft
entlassen, wird aber 1977/78 wieder in Untersuchungshaft genommen,
da sie versucht hatte, eine Zeugin einzuschüchtern. Wegen der zu
erwartenden Verurteilung wegen Mordes wird sie 1979 erneut in
Untersuchungshaft genommen.
Das Gericht stellt
fest, dass Braunsteiner-Ryan sich aus "krasser Eigensucht", um in
der SS weiter Karriere zu machen, an der planmäßigen Durchführung
der Verbrechen beteiligt hat.
Als Hermine Braunsteiner-Ryan im Juni 1981 zu einer lebenslänglichen
Freiheitsstrafe verurteilt wird, hält ihr das Gericht ihren "persönlichen
Ehrgeiz, Befehle in besonders brutaler bestialischer Art und Weise
auszuführen" vor. Im April 1996 wird Hermine Ryan, 77-jährig und
mittlerweile schwer gicht- und zuckerkrank von Ministerpräsident Rau
begnadigt und zum Sterben, wie die Behörden sagen, entlassen.
Es verurteilt
Hermine Braunsteiner-Ryan 1981 zu lebenslanger Haft. Sie wird in
drei von neun Anklagepunkten verurteilt: Selektion mit Mord an 80
Menschen, Beihilfe zum Mord an 102 Menschen ("Kinderaktion") und
Selektion mit gemeinschaftlichem Mord an 1000 Menschen.
Begnadigung
1996 wurde sie im Alter von 77 Jahren wegen ihres schlechten
Gesundheitszustands durch »Johannes
Rau – den damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen
– begnadigt.
Am 19. April 1999 stirbt Hermine Braunsteiner-Ryan in Bochum.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.05.2024
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