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Historischer Hintergrund

Hermine Braunsteiner - KZ Aufseherin in Majdanek

Bernhard Schlink, Der Vorleser

 
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KZ Majdanek - Konzentrationslager in Lublin Majdanek-Prozess 19755-1981 in der Bundesrepublik Deutschland ] Aspekte der Erzähltextanalyse Rezeptionsgeschichte Textauswahl Bausteine Links ins Internet • Häufig gestellte Fragen Schreibformen Rhetorik Filmanalyse ● Operatoren im Fach Deutsch
 

Majdanek-Prozess 19755-1981 in der Bundesrepublik Deutschland

Nur wenige der 1300 Angehörigen des Lagerpersonals aus dem »KZ Majdanek kamen nach dem Krieg vor Gericht.

Sechs SS-Männern aus der Lagermannschaft wurde im November 1944 in »Lublin der Prozess gemacht: Zwei begingen vor der Urteilsverkündung Selbstmord, vier wurden zum Tode verurteilt.

Von 1946 bis 1948 fanden in Lublin Prozesse gegen viele Angehörige statt, die meisten waren Wachtposten in Majdanek gewesen. Sieben Angeklagte wurden zum Tod verurteilt, darunter die Kommandantin des Frauen-Lagers, »Else Ehrich (1914-1948), die anderen erhielten lange Gefängnisstrafen. Von 1975 bis 1981 wurden in Düsseldorf weitere elf Männer und fünf Frauen des ehemaligen Majdanek Personals vor Gericht gestellt - unter ihnen Hauptsturmführer »Hermann Hackmann (1913-1994), der Schutzhaftlagerführer, »Hermine Braunsteiner, Aufseherin des Frauen-Lagers, der Lagerarzt »Heinrich Schmidt (1912-2000) und die SS-Angehörige »Hildegard Lächert (1920-1955)t. Von den am Ende des Prozesses noch verhandlungsfähigen Angeklagten wurde eine zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt, sieben weitere zu Freiheitsstrafen, einer wurde freigesprochen.

Hermine Braunsteiner - Die "Stute von Majdanek"

Hermine Braunsteiner, die unter den Häftlingen als die grausamste und brutalste Aufseherin im »KZ Majdanek gilt, erhält dort den Spitznamen die "Stute von Majdanek" (Kobyla) , da sie mit Tritten ihrer Eisenstiefel die Lagerinsassen immer wieder quält.

Berüchtigt ist ihre  ihre grausame Behandlung von Kindern, die in ihren Augen nur "nutzlose Esser" waren. Sie bestrafte sie mit Schlägen und Peitschenhieben, wenn sie sich zu hastig auf den Essenskübel stürzten oder ihre »Häftlingsnummer nicht richtig angenäht hatten. Ein Kind war von seinem Vater, als er in dem Lager ankam, in einem Rucksack versteckt worden. Als es sich bewegte, schägt Braunsteiner mit der Peitsche auf das schreiende, weinende Kind und treibt es dann in die Gaskammer.

Für ihre "Verdienste" erhält Braunsteiner 1943 das »Kriegsverdienstkreuz zweiter Klasse. Im Januar 1944 wurde sie in das »KZ Ravensbrück zurückversetzt, zunächst als Leiterin des Nebenlagers Genthin und dann auch als Oberaufseherin. Nach Auflösung des Lagers Anfang Mai 1945 flieht sie vor den sowjetischen Truppen zurück nach Wien.

Am 16.7. 1919 wird Hermine Braunsteiner in Wien als Tochter des Metzgers Friedrich Braunsteiner und dessen Frau Maria geboren. In dem unpolitischen Elternhaus erhält sie eine strenge katholische Erziehung.

Von 1925 bis 1933 besucht sie  Volks- und Hauptschule und arbeitet danach zwischen 1934 und 1939 in einer Brauerei und als Haushaltsgehilfin, danach bei den »Heinkel-Werken in Berlin.

Ende der 1930er Jahre wohnt sie bei einem Beamten, der sie vom Nationalsozialismus überzeugt.

1939 bewirbt sich Hermine Braunsteiner wegen der besseren Bezahlung und günstigeren Arbeitsbedingungen erfolgreich im »KZ Ravensbrück, wo sie am 15. August 1939 ihren Dienst antritt und zur Aufseherin ausgebildet wird. Da sie sich mit ihrer Neigung zur Pflichterfüllung auszeichnet, steigt sie in der Aufseher-Hierarchie schnell auf. 1941 wurde sie Leiterin der Kleiderkammer in Ravensbrück.

Am 16. Oktober 1942 wird Braunsteiner in das »KZ Majdanek im besetzten Polen versetzt, wo sie ihre Karriere fortsetzt und ein ein halbes Jahr später Rapportführerin und kurz danach Stellvertreterin der Oberaufseherin »Else Ehrich (1914-1948) und sich als "Stute von Majdanek" ihren Namen für ihre besondere Grausamkeit macht.

Im Januar 1944 wird sie wieder in das »KZ Ravensbrück zurückversetzt. Dort ist sie zunächst Leiterin des Nebenlagers Genthin, später auch als Oberaufseherin.

Nach Auflösung des Lagers Anfang Mai 1945 flieht sie vor den sowjetischen Truppen zurück nach Wien.

Leben nach Kriegsende und Entdeckung

1946 wird Hermine Braunsteiner durch die österreichische Polizei verhaftet und an die Alliierten ausgeliefert. Sie verbringt zwei Jahre in »Internierungs- und Kriegsgefangenenlagern.

1949 wird sie vom "Landesgericht für Strafsachen in Wien als Volksgericht" für ihre Taten in Ravensbrück zu drei Jahren schwerem, verschärftem Kerker verurteilt, jedoch schon im Frühjahr 1950 wieder freigelassen. Ihre Tätigkeit in Majdanek spielt bei diesem Prozess keine Rolle.

Acht Jahre später wandert sie mit dem US-Soldaten Russel Ryan nach Kanada aus, heiratet ihn und zog daraufhin mit ihm zusammen in die Vereinigten Staaten in den New Yorker Stadtteil Queens. Weder ihrem Mann noch den amerikanischen Behörden erzählt sie von ihrer Arbeit in den Konzentrationslagern. 1963 erhält Hermine Braunsteiner-Ryan die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

Ein Jahr später wird sie jedoch aufgrund von Hinweisen des erfolgreichen und unermüdlichen "Nazi-Jägers" »Simon Wiesenthal (1908-2005) aufgespürt. Umfangreiche Presseberichte und ein Ausbürgerungsverfahren folgten.

1971 verzichtet Braunsteiner-Ryan rückwirkend auf die US-Staatsbürgerschaft und ist somit staatenlos.

1973 wird sie in den Vereinigten Staaten verhaftet, in die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert und kommt zunächst wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft.

Im Jahr 2013 entdeckt ein Mann in Graz in der Hinterlassenschaft seiner Großmutter mehrere private Dokumente, welche Braunsteiner-Ryan in den Jahren 1957 bis 1973 an diese geschickt hatte.

In einem längeren Brief aus dem US-Gefängnis vom 22. April 1973 schreibt sie:

"Dieses habe ich alles meinen lieben Freunden, den J. [d.h., den Juden] und auch dem deutschen Staat zu verdanken, die es für nötig halten (auf den enormen Druck und Geldmacht der so beliebten Rasse) mich nach 34 Jahren für schuldig machen zu wollen, und so meine Auslieferung fordern, um mich aufs neue wieder zu verurteilen, für all das, was damals der deutsche Staat anordnete und ausführen ließ.“

Der Majdanek-Prozess

1975 wird Braunsteiner-Ryan im dritten Majdanek-Prozess vor dem Landgericht Düsseldorf zusammen mit acht anderen Mitarbeitern des Lagers angeklagt. Die Vorwürfe gegen Ryan lauten "gemeinschaftlicher Mord in 1.181 Fällen und Beihilfe zum Mord in 705 Fällen".

Hermine Braunsteiner-Ryan zeigt vor Gericht keine Regung oder gar Reue. Es wird berichtet, dass sie während der Verhandlung sogar Kreuzworträtsel gelöst hat. Sie ist die meiste Zeit sehr schweigsam. Wenn sie etwas sagt, bestreitet sie die Vorfälle.

Später nennt sie als Grund für ihr Handeln ihren Mangel an Lebenserfahrung und bezeichnet sich als "kleines Rad im Getriebe". "Wenn sie mal spricht, bestreitet sie die Vorwürfe und beugt sich wieder über ein Rätselheftchen." (aus: Thorsten Schmitz, Die Stute von Majdanek, in: Süddeutsche Magazin v. 13.12.1996) Von Unrechtsbewusstsein keine Spur bei einer Täterin, die sich durch ihre Grausamkeit gegenüber den Gefangenen deutlich hervorgetan hatte: "Irgendwann im Oktober 1943 versuchte ein Vater seinen Sohn in einem Rucksack mit ins Lager zu schmuggeln. Hermine Ryan sah, dass sich der Rucksack bewegte und schlug mit der Peitsche darauf. Bis nur noch ein Wimmern aus dem Rucksack kam. Hermine Ryan, damals 24 Jahre alt, zog den blutenden Buben an den Haaren raus. Sie warf ihn auf einen offenen Lastwagen zu den anderen Kindern: Abfahrt in die Gaskammer. [...] Hermine Ryan schlug Kinder mit einer Suppenkelle blutig, weil die sich auf einen Essenskübel stürzten. Sie peitschte Mädchen, die ihre Häftlingsnummer nicht korrekt angenäht, Strümpfe getragen, Kissen unter die dünne Kleidung gebunden oder über Hunger geklagt hatten. Kinder und Säuglinge galten in Majdanek als "unnütze Esser".

Weil im Frühjahr 1943 mehr Juden aus dem Warschauer Ghetto nach Majdanek deportiert wurden, als das Lager fasste, konnten die Kinder nicht sofort vergast werden. Etwa hundert wurden deshalb in eine Baracke verlegt, bis in den Gaskammern wieder Platz war. Beim Abtransport packte Hermine Ryan kräftig mit an. Die Kinder, die von allein nicht auf die Todeslastwagen klettern konnten, fasste sie an "Ärmchen und Beinchen und warf sie wie Schlachtvieh auf die offene Ladefläche". Frauen, soll Ryan gesagt haben, "sind wie Scheiße". Womöglich sprach sie aus bloßem Neid: Hermine Ryan ist unfruchtbar, sie kann keine Kinder bekommen." (ebd.)

Über ihre Zeit im Lager berichtet sie: "… der ganze Eindruck und die ganze Atmosphäre im Lager haben mich seelisch sehr belastet, ich meine als Frau".

Während der Verhandlung, die über sechs Jahre hinzieht, erleidet Braunsteiner-Ryan zweimal einen Zusammenbruch. Sie wird aufgrund einer Kaution ihres Ehemanns 1976 aus der Untersuchungshaft entlassen, wird aber 1977/78 wieder in Untersuchungshaft genommen, da sie versucht hatte, eine Zeugin einzuschüchtern. Wegen der zu erwartenden Verurteilung wegen Mordes wird sie 1979 erneut in Untersuchungshaft genommen.

Das Gericht stellt fest, dass Braunsteiner-Ryan sich aus "krasser Eigensucht", um in der SS weiter Karriere zu machen, an der planmäßigen Durchführung der Verbrechen beteiligt hat.

Als Hermine Braunsteiner-Ryan im Juni 1981 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt wird, hält ihr das Gericht ihren "persönlichen Ehrgeiz, Befehle in besonders brutaler bestialischer Art und Weise auszuführen" vor. Im April 1996 wird Hermine Ryan, 77-jährig und mittlerweile schwer gicht- und zuckerkrank von Ministerpräsident Rau begnadigt und zum Sterben, wie die Behörden sagen, entlassen.

Es verurteilt Hermine Braunsteiner-Ryan 1981 zu lebenslanger Haft. Sie wird in drei von neun Anklagepunkten verurteilt: Selektion mit Mord an 80 Menschen, Beihilfe zum Mord an 102 Menschen ("Kinderaktion") und Selektion mit gemeinschaftlichem Mord an 1000 Menschen.

Begnadigung

1996 wurde sie im Alter von 77 Jahren wegen ihres schlechten Gesundheitszustands durch »Johannes Rau – den damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen – begnadigt.

Am 19. April 1999 stirbt Hermine Braunsteiner-Ryan in Bochum.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 26.05.2024

 
 

 
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