docx-Download
–
pdf-Download
▪ Strukturen
dramatischer Texte
▪
Textschichten:
Haupt- und Nebentext
▪
Dramenhandlung
▪
Figurengestaltung
▪
Überblick
▪
Kontrast-
und Korrespondenzbeziehungen der Figuren
▪
Figurenkonstellation
▪
Konfiguration
▪ Überblick
▪
Haupt- und Nebenfiguren
▪
Figurenkonzeption
▪
Figurencharakterisierung
▪
Wissensunterschiede
▪
Perspektiven und Perspektivenstrukturen
▪
Dramatische
Rede
Dramaturgie und Inszenierung
▪
FAQ's:
Häufig gestellte Fragen
Die
▪ Figurenkonstellation in
▪ Lessings
▪ Nathan der Weise
kann unter verschiedenen Aspekten analysiert werden, um die Beziehung der
Figuren zueinander ins Blickfeld zu rücken.
Die religiösen
Bekenntnisse,
die Enthüllung der Familienverhältnisse und hervorstechende
Charaktereigenschaften der Figuren sind Grundlage des nachfolgenden Mind Maps zur Figurenkonstellation im "Nathan". Dabei wird die Visualisierung
bewusst nicht überfrachtet, um ihre Anschaulichkeit zu erhalten und die
Strukturebenen der Darstellung unmittelbar einsichtig zu halten. Dies
ist bei zahlreichen Darstellungen, die im Internet zur
Figurenkonstellation des "Nathan" kursieren, nicht der Fall.
Für
größere (740px) und
große Ansicht (1100px) bitte an*klicken*tippen!
-
Unter dem
Aspekt der religiösen Orientierung der Figuren zeigen sich bestimmte
▪
Kontrast-
und Korrespondenzbeziehungen zwischen
einzelnen Figuren ebenso wie zwischen Figurengruppen. Dazu weist
Lessing den unterschiedlichen religiösen Gruppen auch verschiedene
Charaktereigenschaften zu.
Auf der einen Seite stehen mit ▪
Nathan einerseits und
▪
Saladin, ▪
Sittah (und
▪
Derwisch
Al-Hafi
) andererseits ein Jude und zwei Moslems und eine
Muslima.
Allerdings kommen sie höchstens am Rande auf ihre eigene Religion zu
sprechen. So sind Nathan, Saladin, der ▪
Tempelherr und
▪
Recha "nirgend und
in keinem Punkte ihres Denkens und Handelns Repräsentanten des Glaubens,
in dem sie erzogen sind.", wie Wilhelm
Dilthey (1867, S.55) schon festgestellt hat.
Wenn sie auf Religion im Allgemeinen zu sprechen kommen, dann
tun sie es mit Überzeugungen, die der Vorstellung einer natürlichen
Religion verpflichtet sind, wenn z. B. von einem einzigen Gott
(Monotheismus) oder der Anerkennung einer göttlichen Vorsehung die Rede
ist.
Auf der anderen Seite stehen vier Christen, die wenn man "eine
Hierarchie der Weisheit und Verständigkeit" zugrundelegt, die am
wenigsten aufgeklärten Figuren sind, "nämlich (in aufsteigender Reihe)
der böswillige Patriarch, die bigotte ▪
Daja, der
wohlmeinende, aber naive
▪
Klosterbruder
und der noch unerfahrene
▪
Tempelherr,
der dann zu sich selbst findet, indem er sie christlichen Vorurteile
aufgibt und mit der Entdeckung seiner Abstammung und seiner Beziehung zu
Recha fertigzuwerden sucht." (Nisbet
2008, S.792)
-
Unter dem Aspekt der
Familienverhältnisse, die im Zuge der dramatischen Handlung des
▪
analytischen
Dramas enthüllt werden, kann man die Entwicklung betrachten, die
zwischen den Ausgangsfamilien von
Nathan
und Recha
auf der einen und der Familie von
▪
Saladin
und
▪
Sittah
auf der anderen am Dramenbeginn und der
Wiederherstellung der biologischen Herkunftsfamilie und ihrer
Erweiterung um Nathan am Ende des Dramas liegt. Ergebnis dieser Analyse
kann die Erstellung einer Stammtafel sein, die die
▪
Verwandtschaftsbeziehungen
der Figuren der biologischen Herkunftsfamilie
abbildet.
Dieser war nämlich der Ansicht, dass
solche Figuren den "Ernst" einer "wahren" Komödie nicht grundsätzlich in
Frage stellen durften und nur dann in einer solchen auftauchen durften,
wenn sie in das dramatische Geschehen wirklich integriert waren und eine
echte Individualität aufwiesen. Eine in sich geschlossene Nebenhandlung,
die mit der Haupthandlung also nur sehr locker verknüpft ist und u. U.
den ernsten Gesamteindruck der Komödie beeinträchtigt, durfte also nicht
sein.
Im "Nathan" hat Lessings dies beherzigt und die beiden Figuren in
die dramatische Handlung integriert. Ferner fällt ihnen, wie
Demetz (1984, S.176) betont, zugleich die Aufgabe zu, den
überwiegenden Ernst des Stückes zu mindern. "Da die Familiengeschichte
immer wieder das Ernsthafte, Bedenkenswerte und gelegentlich auch das
Tränenselige fordert, zieht Lessing", so
Demetz (ebd.), "die beiden Einsiedler - den einen von feinerem, den
anderen von gröberem Korne - herbei, um das komische Element zu stützen
und zu kräftigen. Sie beide, Derwisch und Klosterbruder, Parse und
Christ, tauchen als wiederholte Spiegelung eines Problems auf; der
Derwisch, so plötzlich Schatzmeister, und der Klosterbruder, des
Patriarchen Zuträger geworden, manifestieren das Gefährliche einer
Weltflucht, die sich gegen alle ursprüngliche Intention mit den Mächten
der Welt auf das Unvorsichtigste eingelassen hat."
Lessing, der wohl
beim Verfassen des "Nathan" ein Gespür dafür hatte, dass ihm Al-Hafi
etwas über das Stück hinausgewachsen war (vgl.
ebd.), beschäftigte das an seiner Figur verdeutlichte Problem aber
offenbar so sehr, dass er sich nach Fertigstellung des Stückes zumindest
vornahm, das weitere Schicksal Al-Hafis am Ganges bei den Parsen noch
einmal aufzugreifen.