Für
die meisten jungen Leute beiderlei Geschlechts ist es heute
selbstverständlich, irgendwann einmal zu heiraten. Heiraten hat
Konjunktur, die Suche nach dem richtigen Partner fürs Leben ein
Sendungsformat im Fernsehen und der "Wedding-Planer" sind ebenso en
vogue wie die zahlreichen Hochzeitsmessen im Lande. Sonderbar
eigentlich, wenn man bedenkt, dass so manches junge Glück schon nach
ein paar wenigen Jahren vor dem Scheidungsrichter steht und sich
darüber streitet, wer noch wie viel für den Kredit abbezahlen muss,
mit dem man das rauschende Hochzeitsfest mit 250 Gästen und der
Stretch-Limousine zwei Tage und drei Nächte lang gefeiert hat. Doch
ist der Verzicht auf eine Heirat tatsächlich die Alternative?
Unterscheidet sich das Beziehungsleben verheirateter Paare von denen
unverheirateter wirklich? Und: Findet sich Harmonie sogar eher bei
denen, die ohne Trauschein zusammenleben?
Eines scheint klar zu sein: Unverheiratete Paare sind eher
„Verhandlungspaare“ als verheiratete. Sie müssen ihre
Beziehungsstruktur, die nicht institutionell gerahmt ist, immer
wieder miteinander aushandeln und müssen die Rollen auf dieser
Verhandlungsgrundlage selbst definieren. Die Frau als Hausfrau und
Mutter, der Mann als Ernährer ist nicht von vornherein das
angebotene Beziehungsmuster unverheirateter Paare. Zu ihrem
Selbstverständnis gehört eben, dass die Bedeutung der Beziehung und
die darin von Mann und Frau einzunehmenden Rollen nicht festgelegt
ist.
Nichteheliche Lebensgemeinschaften müssen sich in der Praxis
bewähren, ihr Zeithorizont ist grundsätzlich unbestimmt. Wenn sie
die Erwartungen nicht erfüllt, kann sie jederzeit aufgekündigt
werden. Was auf der einen Seite mehr Handlungsoptionen bringt, muss
indessen meist mit deutlich intensiverer Beziehungsarbeit bezahlt
werden. Denn die jederzeit mögliche Trennung führt auf der anderen
Seite auch zu einer gewissen Verunsicherung, wenn man sich seines
Partners bzw. seiner Partnerin wegen des fehlenden Trauscheins nicht
so gewiss glauben kann.
Dass verheiratete Paare indessen emotional eher aneinander gebunden
sind als unverheiratete, ist eine Legende. Wenn eine Paarbeziehung
funktionieren soll, müssen Freiheit und Bindung vernünftig
austariert werden. Das gilt gleichermaßen für die Ehe und die so
genannte „wilde“ Ehe. Was sie vielleicht unterscheidet, ist auch
hier das immer wieder nötige Aushandeln von persönlicher Freiheit
und Gemeinsamkeit, das letztere strukturell kennzeichnet. In jedem
Fall – das zeigen alle Forschungsergebnisse – ist die Bindung, die
beide Partner in der jeweiligen Paarbeziehung eingehen, nicht
unterschiedlich. Beide leben von Vertrauen und der Verpflichtung für
einander zu sorgen. Und in beiden Lebensformen ist der jeweilige
Partner die mit Abstand wichtigste Person, wenn es darauf ankommt,
praktische und emotionale Unterstützung zu erhalten.
Wenn sich unverheiratete Paare wieder trennen, geben sie im
Allgemeinen die gleichen Gründe an wie Ehepartner. Allerdings sind
sie, wie Statistiken belegen, schneller bereit, die Beziehung
aufzulösen, als verheiratete Paare. Und vielleicht entwickeln sie
dabei auch nicht solche Schuldgefühle oder das Gefühl, versagt zu
haben, wie verheiratete Paare.
Und am Schluss muss mit einer Mär aufgeräumt werden: Wer vor der Ehe
zusammenlebt, lebt später nicht eher harmonisch mit seinem Partner
zusammen, wenn die Heirat vollzogen ist. Im Gegenteil: Solche Paare
liegen sich häufiger in den Haaren, sind weniger zufrieden mit ihrer
Ehe und lassen sich sogar häufiger scheiden.
Ob verheiratet oder nicht, was bleibt, stets die Qual der Wahl: Die
Wahl des richtigen Partners nämlich oder richtigen Partnerin.
(vgl. Rüdiger Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, 2.,
völlig überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 1996, S.80-86)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
09.12.2015
|