»Abraham
a Sancta Clara (1644-1709) war ein katholischer Geistlicher, Prediger
und oberdeutscher Schriftsteller. Er gilt mit rund 600 Einzelschriften als
bedeutendster deutscher katholischer Prediger und Poet der Barockzeit.
"In früheren Tagen hat
man ein Kleid viel Jahr lang getragen, und zwar zu heiligen Zeiten, anjetzo aber ist fast alle Wochen eine neue Mode und diese
ist mehrer veränderlich als der Mondschein. Von sechzig Jahren her, o was
Modi nur in Hüten! Bald ein hoher Hut, wie ein steirischer Kegel; bald ein
niederer Hut, wie ein Pudelfell; bald ein glatter Hut, wie eine Scheermaus;
bald ein breiter Hut, wie ein Fußboden; bald ein schmaler Hut, wie ein
Milchtopf; bald dreifach, daß er also drei Hörner vorstellt (da sich
unterdessen einer wegen zweier schämt). Bald ist’s ein Hut, der mit Federn
prangt, bald ist’s ein anderer, der da maust. Bald ists’s ein Hut mit einem
silbernen oder guldenen Reif, bald ohne dergleichen Zirkel. In Summa, eine
stete Veränderung ist in den Hüten – außer die Sauschneider, diese bleiben
bei einer Tracht.
O, was Modi nur in Krägen und Überschlägen! Eine Weil hat man Krausen
gehabt, wie lauter Hohlhippen aufeinander; eine Weile hat man glatte
getragen, wie ein Halsküraß; eine Weile mit langen Spitzen, wie ein
Judenleilach; eine Weil ganz schmal, wie ein Bachstelzenschweif; eine Weil
ganz breit, wie eine Schießenscheiben. Anjetzo trägt man Halstücher, wie ein
Kinderwindel. Von dem Hals kann man wohl sagen, daß er nicht halsstarrig ist
in der Modi, sondern er bequemt sich in alle Weis.
O, was Modi nur in Röcken! Bald französisch, bald kalabresisch, bald
portugiesisch, bald walisisch, bald lukelisch, bald sardonesisch, bald
bolognesisch, bald chinesisch; bald voller Knöpf, bald unter Knöpf, bald auf
der Seiten Knöpf, bald gar grobe Knöpf etc.
O, was Modi nur in Hosen! Lange Hosen, bange Hosen, Bloderhosen,
Lotterhosen, enge Hosen, strenge Hosen, Schürzelhosen, Stürzelhosen, runde
Hosen, gestrickte Hosen, gebrämte Hosen, gegerbte Hosen, gefärbte Hosen –
mit einem Wort: unbeständige Hosen etc. Die Frösch allein bleiben bei ihrer
Tracht, denn, wenn man ihnen die grünen Hosen auszieht, so legen sie keine
anderen mehr nach. Wer will endlich alle Modi zu den Faden schlagen? Wer
will alle Gestalten und Falten durchsuchen? Der Echo sagt gar wohl die
Wahrheit: Kleider – leider! Vor diesem hat man nur in den Höfen und Palästen
der Könige Kleider von Seiden getragen. Anjetzo trägt ein jeder Mistfink und
wilde Tandlerbutten Taffet und Seiden.
(Abraham a Sancta
Clara, zit. n.
Lahnstein 1974, S. 34f.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.07.2021