Das •
Thema Schuld nimmt in
• Bernhard
Schlinks Roman • »Der
Vorleser« eine herausragende Rolle ein.
Die Beziehung von •
Hanna
und • Michael
wirft oft die Frage nach persönlicher Schuld der beiden Beteiligten auf, die
Vergangenheit Hannas als SS-Aufseherin in Krakau steht im Zeichen von Schuld
und das Verhältnis der Elterngeneration, die den Nationalsozialismus erlebt
hat, wird von der nachfolgenden Generation unter dem Blickwinkel von
kollektiver Schuld betrachtet.
So ist denn auch die Bewertung von Schuld
einer der wichtigsten Aspekte der Schuldproblematik.
Dabei ist der Begriff
Schuld allein schon dadurch mehrdeutig, dass er in unterschiedlichen
Zusammenhängen anderes beinhaltet.
Wikipedia verweist
dabei in der Philosophie, Psychologie, Soziologie auf folgende
Bedeutungen
-
»Existentielle
Schuld (philosophischer und sozialpsychologischer Begriff)
-
»Schuld
(Ethik) verschiedene ethisch-philosophische Begriffe (Moral
und Ethik)
-
Schuldgefühl (Psychologie), bewusste oder unbewusste
Überzeugung, etwas Falsches getan zu haben
Im Bereich des Rechts geht es dabei u. a.
strafrechtliche Schuld, d.h. im Strafrecht Deutschlands die
Vorwerfbarkeit einer Straftat.
Im Zusammenhang mit • Bernhard
Schlinks Roman • »Der
Vorleser« kommt der ethischen Dimension von Schuld, die man auch
als moralische Schuld bezeichnen kann, besondere Bedeutung zu.
Hannas Schuld
In der Figur von •
Hanna
Schmitz bringt der Roman die Frage nach ihrer moralischen Schuld
für den Tod von Häftlingen zur Sprache. Hanna trägt als ehemalige
SS-Aufseherin die moralische (und die strafrechtliche) Schuld für
ihre Mitwirkung bei der Ermordung von mehreren hundert Gefangenen.
Sie hat grundsätzlich die Wahl gehabt, sich daran zu beteiligen,
verstößt aber durch ihre eigenverantwortliche Entscheidung nicht nur
als Aufseherin in einem Konzentrationslager zu arbeiten und sich an
den Gräueltaten zu beteiligen, gegen sittliche und
ethisch-moralische Normen.
Die Anklage und das Urteil, welches das Gericht über sie fällt,
lässt keinen Zweifel aufkommen, dass Hanna die strafrechtliche
Schuld trifft, die zu ihrer Verurteilung zu einer lebenslänglichen
Freiheitsstrafe führt. Allerdings berücksichtigt der Schuldspruch
Hannas Analphabetismus nicht, der dem Gericht bis zuletzt nicht
bekannt ist. Ob das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn man dies
unter dem Blickwinkel der Schuldfähigkeit der Angeklagten
berücksichtigt hätte?
Sicher wirft • Hannas
Analphabetismus "bei der Frage nach ihrer Mündigkeit auch die
nach ihrer Schuldfähigkeit" (Köster
2000, S. 63) auf. Schlinks Roman thematisiert eben nicht nur
"ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit (...), sondern auch ihre
Weigerung sich zu alphabetisieren" (ebd.).
Man kann darin "eine deutliche Reduktion des Monströsen" (ebd.)
sehen, die als eine gewisse Entlastung der Täterin kritisiert wurde
oder auch als Versuch, gängigen Täterklischees entgegenzuwirken.
Solange die grausamsten Verbrechen, so wohl auch die Ansicht von
Bernhard Schlink, den Eindruck erwecken, dass sie von menschlichen
"Monstern" begangen worden seien, sorgt diese Sicht der Dinge dafür,
dass man alles aus einer sicheren Distanz wahrnehmen und beurteilen
könne. (vgl.
ebd.)
Statt Hanna als psychopathisches Monster zu zeichnen, orientiert
sich Schlinks Roman an einem Täterbild, das der These folgt, "dass
es nur kleiner Verschiebungen der Gewichte bedarf, um aus einem
normalen Menschen einen Verbrecher gegen die Menschlichkeit zu
machen." (ebd.,
S.64)
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Michaels Schuldgefühle
Das Thema Schuld
spielt aber auch für •
Michael Berg eine große Rolle, der anders als Hanna aber keine
vergleichbare
moralische und keinerlei strafrechtliche Schuld auf sich lädt.
Dennoch thematisiert er ortlaufend seine Schuld und die seiner
Generation. (ebd.,
S.64)
Michael leidet
unter Schuldgefühlen gegenüber Hanna, zunächst aus Verlustängsten,
dann durch die Verleugnung Hannas, später im Prozess wegen seiner
Erkenntnis von • Hannas
Analphabetismus, aber insbesondere wegen
seiner Liebe zu einer NS-Täterin.
"Also blieb ich
schuldig. Und wenn ich nicht schuldig war, weil der Verrat einer
Verbrecherin nicht schuldig machen kann, war ich schuldig, weil ich
eine Verbrecherin geliebt hatte." (S.129)
Michael Berg hält
sich selbst in jedem Falle für moralisch schuldig und in den
Schuldgefühlen, die er entwickelt vermischt sich Hannas kriminelle
Schuld mit seiner moralischen Schuld, zu der in seinen Augen auch
das "selbstgerechte Auftrumpfen seiner Generation (162f.) und die
Tatsache, dass diese die Eltern-Generation pauschal zu Scham
verurteilt habe. (vgl. 87f.)." (ebd.,
S.65)
Seiner Ängste und
Schuldgefühle kann er sich nur mit verschiedenen •
Abwehrmechanismus des Ichs
erwehren (•
Betäubung).
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
13.06.2024
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