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Brief an den Vater

Überblick

Franz Kafka (1883-1924)

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur
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Biografie
Didaktische und methodische Aspekte
Überblick
Zeittafel
Einzelne biografische Aspekte
Die familiäre Sozialisation
Kindheit und Elternhaus
Der Vater: Hermann Kafka
Die Bedeutung des Schreibens

Der • Brief an den Vater ist ein von • Franz Kafka (1883-1924) im November 1919 im Alter von 32 Jahren verfasster Brief an seinen Vater • Hermann Kafka (1852-1931).

Der Text wird in der Forschung als bevorzugtes Material für psychoanalytische und biografische Studien über Franz Kafka herangezogen und in der Schule meistens gelesen, um ihn als • Kontext bei der Interpretation von Franz Kafkas Werken mit dem • biografischen Ansatz zu nutzen. Dabei wird er in der Regel als ein • autobiografischer Text gelesen, der einen besonders hohen Authentizitätsanspruch erhebt.

Der Brief, der 103 handschriftliche Seiten umfasst, ist • Hermann Kafka (1852-1931) niemals übergeben worden und wurde erst, wie die meisten Werke Franz Kafkas, erst nach dessen Tod veröffentlicht.

Reiner Stach (2011/42015) betont, dass Kafkas • Brief an den Vater "einen ebenso dauerhaften wie zwiespältigen Ruhm (genießt): als Basistext der literarischen Moderne, als manipulativer Text, der danach verlangt, durchschaut und moralisch kommentiert zu werden." ( Stach 2011/42015, Kafka: Die Jahre der Erkenntnis, S.421, FISCHER E-Books. Kindle-Version)

Dabei sei unstrittig, dass es sich um eine der eindringlichsten Analysen der bürgerlichen Psychogenese handele, insbesondere der psychischen Wurzeln von Macht und Abhängigkeit. In seiner Anschaulichkeit, seiner klaren Gedankenführung und nicht zuletzt im intuitiven Erfassen des Exemplarischen, dessen Erkenntniswert führe erweit über das individuelle Schicksal hinaus. (vgl. ebd.)

Unabhängig davon, wie man die Rolle von Franz Kafka in der Auseinandersetzung mit dem Vater sieht, zeugt dieser Brief "von tiefstgehender Ambivalenz gegen Autorität im Allgemeinen und die Autorität seines Vaters im Besonderen. Auch gaben sie schwersten Selbstzweifeln, bittersten Selbstanklagen und der Selbstverdammung Ausdruck, die kaum ihresgleichen in autobiographischem Schreiben finden. Verehrung des Vaters, der prototypischen Autoritätsgestalt in Kafkas Leben, wechselte ab mit zutiefst rebellischer, ironischer und satirischer Kritik.“ (Sokel 2006, S.22)

Das in dem Brief enthaltene Vaterbild mit dem typischen "Fond" der Familie ("Lebens-, Geschäfts-, Eroberungswillen" ebenso wie "Stärke, Gesundheit, Appetit, Stimmkraft, Redebegabung, Selbstzufriedenheit") sollte man jedoch, wie Peter-Andrè Alt (2008, S.24f.) betont, "mit Vorsicht betrachten, dient sie [die Typologie, der Verf.] vor allem dazu, ihr das Selbstporträt des schwachen, kränkelnden, ängstlichen, wortarmen Kindes entgegenzusetzen. Insofern erfüllt sie einen literarischen Zweck, der den Prinzipien der Imagination gehorcht: die Figur des vitalen, wirtschaftlich erfolgreichen Vaters wird entworfen, damit das Ich, das den Namen »Franz Kafka« trägt, über den Mechanismus der Abgrenzung ein eigenes Identitätsprofil gewinnen kann."

Dabei stilisiere er, wie Sokel anmerkt, seine familiären Machtverhältnisse zu einem symbolischen Ordnungsgefüge, auf die all Kämpfe, die in seinem Gesamtwerk enthalten sind, in letzter Instanz zurückverweisen. Und so wird die Vaterfigur im späteren Werk von Franz Kafka  "erweitert und verallgemeinert […] zu patriarchalischer Autorität überhaupt und schließlich kollektivisiert als Familie, Gemeinschaft, Volk, biologische Art und Gattung und letzten Endes als prokreatives Leben, als Natur, als physische Wirklichkeit“ (Sokel 2006, S.26)

Als Familienvater war Hermann Kafka ein Patriarch, aber dies ist zu dieser Zeit nichts Außergewöhnliches und entspricht dem traditionellen Männer- und Familienbild. Die Art und Weise, mit der er diese Autorität verkörperte, war indessen nicht die eines Vaters, der Frau und Kinder, insbesondere noch seinen Sohn, erbarmungslos unterdrückte, so wie es die ältere Forschung gesehen hat. In ein derart simples • Täter-Opfer-Schema passt insbesondere sein Verhältnis zu seinem Sohn Franz nicht hinein, auch wenn gerade dieser an dieser Version der Vater-Sohn-Beziehung aktiv "gestrickt" hat.

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 08.09.2024

 
 

 
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