Ist die indirekte Rede denn wirklich so wichtig?
Ja, ja - die indirekte Rede und ihre Regeln sind schwer, das ist klar. Und
dass du damit unter Umständen große Probleme hast, ist auch erklärlich.
Und:
damit stehst du beleibe nicht allein. Tausende von Schülerinnen und Schülern
fühlen sich mit der indirekten Rede im Deutschunterricht gequält und können
und wollen den Sinn dieser ganzen Tortur wirklich nicht einsehen.
Kein
Wunder also, dass manch einer von Theater um die indirekte Rede spricht.
Wichtig, aber nicht unverzichtbar: Die indirekte Rede
Die indirekte Rede ist äußerst wichtig, wenn auch nicht
unverzichtbar. (vgl.
FAQ 1)
Das machen uns die Engländer vor. Sie müssen allerdings, wenn sie
signalisieren wollen, dass sie nur etwas Gesagtes oder Geschriebenes
wiedergeben, andauernd "he said, she said, he said, she said" oder
Ähnliches anfügen, um eigene Meinung von Wiedergabe abzuheben.
Das wirkt
auch nicht gerade besonders einfalls- und abwechslungsreich.
Das Verb: Der "Mikrochip" der deutschen Sprache
Im Vergleich zu den Engländern ist das deutsche
▪
Verb
geradezu ein Mikrochip.
Es kann allein durch Veränderung seiner ▪
finiten
Verbform, durch Verwendung eines bestimmten
▪
Modus, nämlich den
▪
Konjunktiv I, signalisieren, dass es sich um ▪
indirekte
Wiedergabe handelt. Wow!
Aber sehen wir uns die Leistung der indirekten Rede an einem Beispiel
an:
-
Der Bundeskanzler sagte,
zu den Reformen gebe es kaum Alternativen.
-
Der Bundeskanzler sagte,
zu den Reformen gibt es kaum Alternativen.
-
Der Bundeskanzler sagte, zu den Reformen
gäbe es kaum Alternativen.
|
Aufgepasst!
Was hat er nun wirklich gesagt und was meint der dazu, der das Ganze
wiedergibt?
-
Im ersten Beispiel (▪ indirekte
Rede mit Konjunktiv I) wird das, was der Bundeskanzler gesagt hat,
distanziert und unparteilich, mit anderen Worten: korrekt wiedergegeben.
-
Im zweiten Beispiel (▪
Inhaltssatz
im Indikativ, auch möglich als dass-Satz) signalisiert der Sprecher,
dass er für die Äußerung des Bundeskanzlers Partei nimmt, er
identifiziert sich gewissermaßen mit ihm.
Wenn man so will, kommt
es zu einer Art Horizontverschmelzung zwischen dem Horizont des
Bundeskanzlers und dem des wiedergebenden Sprechers.
-
Im dritten Beispiel führt die Verwendung
des
▪
Konjunktiv II (Modus der Irrealität, Nichtwirklichkeit) dazu, ohne
dass die Form als
▪
Ersatzform für den
▪
Konjunktiv I nötig ist, zu einer Parteinahme gegen die Äußerung des
Bundeskanzlers.
Denn gäbe drückt in diesem Fall aus, das der
Bundeskanzler vorgibt oder nur so tut, als gäbe es zu den
Reformen kaum eine Alternative.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
28.06.2020
|