Auch wenn die ersten Ansätze dessen, was wir heute wie selbstverständlich »Wiki
nennen, bis an den Beginn der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts
zurückführen, ist es das Verdienst des US-amerikanischen Softwareautor
Ward Cunningham im Jahre 1994 das erste
Wiki, das im Web gehostet wurde, auf den Weg gebracht zu haben. Im März 1995
wurde sein »WikiWikiWeb,
eine Datenbank, von der er behauptete, sie sei "die einfachste
Online-Datenbank, die funktionieren könnte" (zit. n.
Gallenbacher 2007, S.22), über das Internet der Öffentlichkeit
verfügbar gemacht.
Die Bezeichnung "Wiki" stammt aus dem Hawaiischen und
bedeutet dort in seiner Verdoppelung etwa so viel wie "sehr schnell". Auf
seine Verwendung in unserem Kontext angewendet etwa soll es wohl heißen:
Schnell und unkompliziert Inhalte zur Verfügung stellen. 2007 wurde das Wort
wiki in das Oxford English Dictionary aufgenommen, im Duden sucht man den
Eintrag zu diesem Zeitpunkt vergeblich.
Es geht um Teilhabe: Wiki ist nicht nur Wikipedia
2005 fand in Frankfurt am Main die erste internationale Konferenz der
Wikimedia Foundation statt, die das bekannteste und größte Wiki weltweit,
die Online-Enzyklopädie Wikipedia und andere Wikiprojekte betreibt. Auch
wenn für viele Internetnutzer Wiki nur eine Abkürzung für Wikipedia
darstellt: Die Wikiwelt ist viel größer und um einiges vielfältiger als sein
umfangreichstes und erfolgreichstes Paradestück: Die »Wikipedia.
Anfang 2001 ging das von »Jimmy
Wales und »Larry
Sanger begründete Wikipedia-Projekt online. Bis 2005 hatte die neue
Online-Enzyklopädie mit über 1 Million Seiten schon alle Rekorde gebrochen
und war zu einer der meistbesuchten Websites überhaupt avanciert. Im
Dezember 2009 hat Wikipedia, eigenen Angaben zufolge, in der
englischsprachigen Ausgabe 3.129.000 Artikel, gefolgt von ihrem deutschen
Ableger mit 994.000 Artikel und der französischen Wikipedia mit 888.000
Einträgen.
(www.wikipedia.org, 19.12.09) Dagegen nehmen sich die etwa 300.000
Einträge in klassischen Enzyklopädien bescheiden aus. Doch der Erfolg von
Wikipedia ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass es seine Dienste
jederzeit verfügbar und dazu kostenlos anbietet. Denn, "neben dem
unmittelbaren Gebrauchswert der Produkte von Online-Communities ist eine
wichtige Triebfeder ihrer Verbreitung, dass es hier um Teilhabe geht. Und
darin besteht wohl das Erfolgsrezept der Online-Communities, von dem viele
E-Learning-Anwendungen etwas lernen könnten." (Dittler/Kind/Schwarz
2007b, S.10)
Definition und Merkmale
"Ein
Wiki ist eine webbasierte Software, die es allen Betrachtern einer Seite
erlaubt, den Inhalt zu ändern, indem sie diese Seite online im Browser
editieren. Damit ist das Wiki eine einfache und leicht zu bedienende
Plattform für kooperatives Arbeiten an Texten und Hypertexten.“ (Ebersbach
u. a. 2005, S. 14)
"Ein Wiki ist ein Webserver mit Versionsverwaltung im Internet, bei dem
alle ohne zusätzliche Werkzeuge und ohne HTML-Kenntnisse Webseiten
erstellen, verändern und verknüpfen können." (Doebeli
Honegger 2007, S.39) Nach
Ebersbach/Glaser/Heigl (2008, S.37) weisen Wikis folgende Merkmale auf:
-
Jeder Teilnehmer darf Inhalte editieren.
-
Beiträge können entweder anonym oder nur mit Registrierung erfolgen.
-
Daten in strukturierter Form
-
Ordnung der Inhalte ist Sache der Nutzer.
-
Nutzer können neue Seiten anlegen und Verweisstruktur ändern.
-
Ergebnisorientierte Vorgehensweise, immer neueste Fassung
Wikis besitzen
eine ganze Reihe von Merkmalen, die sie als Plattformen für das
kollaborative Arbeiten an Text- und Bildinformationen
besonders brauchbar machen.
Neben den von
Ebersbach/Glaser/Heigl (2008, S.37) genannten allgemeinen
Merkmalen lassen sich die folgenden Merkmalskomponenten von Wikis
erkennen:
-
Wikis basieren auf einem
umfangreichen Programmcode, der als
webbasierte Anwendung auf
einem Webserver irgendwo im Netz abläuft.
-
Ein Wiki weist eine
flache Struktur auf. Dies
bedeutet, dass alle Informationen, auch wenn sie unter einer
hierarchischen Struktur verschiedener Überschriftenebenen angeordnet
sind, prinzipiell auf der gleichen Hierarchieebene liegen. Wie in
einem dicken Buch können alle Informationen mit einem guten Index
erschlossen werden. Hierarchische Strukturen, wie sie z.B. der
teachSam-Webseite zugrunde liegen, müssen dagegen durch eine gut
gewählte Kategorien- und Subkategorienbildung erzeugt werden, die
z.B. die Nutzung eines Themenkatalogs möglich machen.
-
Wikis sind gekennzeichnet
durch eine
sehr einfache Editierbarkeit ihrer Inhalte, schränken dafür
den gestalterischen Spielraum um der einheitlichen Darstellung der
Inhalte willen ein. Dies erhöht wiederum die Usability der Seite,
aus der ein damit vertrauter Leser, auch besonders schnell jene
Informationen erhält, die er sucht.
-
In Wikis werden die
Inhalte mit Querverweisen über
Hyperlinks, also Sprungbefehlen von
einer Stelle zu einer anderen Stelle auf einer Webseite oder zu einer
anderen Webseite verbunden. Das macht den auf den Wikiseiten
präsentierten Inhalt zu einem Hypertext.
-
Da prinzipiell
jeder User eines Wikis nahezu alles ändern oder löschen kann, können
daraus auch Probleme entstehen, im Extremfall kommt es zu
regelrechten "Edit-Wars", bei dem
einzelne Autoren miteinander um die Meinungshoheit bei der
Darstellung eines bestimmten Sachverhaltes kämpfen, indem sie "dann
jeweils ihre Fassung eines Textes immer wieder hochladen." (Ebersbach/Glaser/Heigl
2008, S.51)
-
Grundsätzlich besteht bei
einem Wiki, das nach dem "Jeder-darf-alles-Konzept"
(Lange
(Hg.) 2007, S.16) gemacht ist, immer die Gefahr, dass bestimmte
Inhalte kurzzeitig falsch dargestellt werden oder etwas
Kompromittierendes auftaucht. Und auszuschließen ist auch nicht,
dass sich da irgendwann sogar Inhalte finden, die zivil- oder
strafrechtlich bedenklich sind. Und die Konsequenzen daraus treffen
nicht selten die Betreiber eines Wikis, weil der eigentliche
Verursacher seinen Zugriffspfad auf den Wikiserver so verschleiert
hat, dass er kaum zu ermitteln ist. Aber auch schon kleine, fast
unmerkliche Veränderungen an Inhalten eines Wikis können dem Wiki
einen beträchtlichen Imageschaden zufügen. Wird aus derartigen
Sicherheitserwägungen
heraus, der Zugriff auf ein Wiki eingeschränkt, nähert sich das Wiki
stärker einem Content-Management-System (CMS)
an, das mit einem differenzierten Rechtemanagement natürlich auch
mehr Verwaltungsaufwand bringt.
-
Gewöhnlich werden falsche
und manipulierende Informationen aber von den anderen Wikinutzern
relativ schnell entdeckt und durch die eingebaute
Versionskontrolle, die
Historie sämtlicher
Veränderungen, auch vergleichsweise einfach ausgemerzt.
Ebenso geht es auch mit unterschlagenen, also von einem einzelnen
Nutzer gelöschten Informationen, dessen dauerhafte Sabotage von den
anderen dadurch unterbunden werden kann.
-
Aus diesen Gründen gibt
es in einem Wiki aber auch in der Regel neben einem
Hauptadministrator andere
Wikinutzer, die von diesem aufgrund ihres Engagements, ihrer
Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit zu
Unter-Administratoren
gemacht werden können. Diese könne dann Saboteure für das Editieren
von Inhalten im Wiki sperren und bestimmte Inhalte aus dem Wiki und
der Historie löschen.
-
Je
geringer die Anzahl der Besucher eines Wikis ist, desto
größer ist natürlich auch, dass ein Missbrauch des Wikis, zumindest
eine längere Zeit lang, unentdeckt bleiben kann. Daher erhöht sich
natürlich der Verwaltungsaufwand für den/die Administrator/en, die
regelmäßig ein Auge auf die neuen Wikiinhalte haben müssen.
Andernfalls müssen zumindest die Schreibrechte eingeschränkt werden,
was aber auch wieder einigen Aufwand bei der
Passwortverwaltung
nach sich ziehen wird.
-
Wikis sind asynchrone
Kommunikationsmittel im Web, d. h. das kollaborative Abfassen
eines Textes geschieht zeitversetzt. Auch wenn es in der Regel so
ist, dass in Wikis meistens nur wenige Autoren an einem Text
arbeiten und sich oft auch ein besonders aktiver und zugleich
fachkompetenter Hauptautor herauskristallisiert, stellt das
kollaborative Schreiben
doch eine besondere Herausforderung dar, die im ungünstigsten Fall
zu den schon erwähnten Edit-Wars führen können. Zugleich
konstituiert "das Bewachen und Verteidigen von Inhalten durch die
'Inhaber' [...] eine intensive Autor-Leser-Interaktion" (Ebersbach/Glaser/Heigl
2008, S.48)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.01.2024
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