|
Eine Stadt im Ausnahmezustand: Zwischen 40 000 und 50 000 Mäschgerle
feierten am "Schmotzge" (Schmutziger Donnerstag), dem Haupttag der Konstanzer Fasnacht, meist
friedlich auf den Straßen des alten Stadtteils Niederburg. Das fröhliche
Treiben wurde jedoch von einigen schweren Zwischenfällen getrübt. "Das
sind Verhältnisse, die ich sonst nur aus dem Fernsehen vom Oktoberfest
kenne", klagt Joachim Felgenhauer, Leiter des Polizeireviers Konstanz. Und
dies nicht ohne Grund, denn die Bilanz der Konstanzer Polizei nach den
närrischen Tagen fällt mehr als negativ aus: Doppelt so viele Straf- und
Gewalttaten, darunter zahlreiche Körperverletzungen lassen aufhorchen. Und
nicht nur die Zahl erschreckt. Felgenhauer meint über die Jahre hinweg
beobachtet zu haben, dass Jugendliche immer gewaltbereiter geworden seien.
"Und das liegt besonders an dem sinnlosen Alkoholkonsum vieler
Jugendlicher" betont der Polizist. Hinzu kommt noch, dass die
Alkoholleichen immer jünger werden. So wurde zum Beispiel schon am
Donnerstagvormittag eine Fünfzehnjährige mit 1,7 Promille von der
Polizei aufgegriffen - kein Ausnahmefall. Und immer mehr Jugendliche
zwischen 15 und 17 Jahren greifen zu den "harten Sachen". So genannte Alcopos, Liköre mit hohem Alkoholgehalt, Wodka- oder Whiskymixgetränke
werden vorwiegend bei den Teenies gefunden. "Ich habe mir Alkohol in einem
Laden gekauft - das war kein Problem", gibt der Fünfzehnjährige Janick zu
Protokoll, und: "Besaufen gehört einfach dazu." Andere prahlen unverhohlen
damit, sich schon mal den Ausweis vom älteren Bruder besorgt zu haben, um
an die begehrten hochprozentigen Sachen zu kommen. Und unisono gaben alle
spontan befragten Jugendlichen zur Antwort, dass die Eltern von der ganzen
Sauferei nichts mitbekommen hätten. Sie schlafen meist schon, heißt es,
wenn ihre volltrunkenen Kinder nach Hause torkeln.
Der Alkohol im Blut bringt aber längst nicht alle Jugendlichen dazu, "gut
drauf zu sein", wie sie gerne sagen. Mit dem Anstieg des Alkoholpegels
steigt bei manchen auch die Gewaltbereitschaft. Über 100 Notrufe nahm die
Polizei am Donnerstag und und der Nacht zum Freitag entgegen. Neben
insgesamt 12 Körperverletzungen, davon vier schwere, zählte die Polizei
auch einige Sachschäden. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) wurde insgesamt 34
Mal gerufen und das Krankenhaus war mit Verletzten und Volltrunkenen so
überfüllt, dass die Patienten auf Leintüchern in den Fluren der Klinik
behandelt werden mussten. Kein Wunder, wenn man den 14jährigen Dario reden
hört: "Wir haben uns am Schmutzigen Alkohol von Kollegen besorgt, die
schon 18 sind. Dann habe ich getrunken, bis ich in der Ecke lag. An Fasnet
muss man das machen, weil es Spaß macht. Wenn das meine Eltern mitbekommen
würden, gäb's richtig Ärger." Ja, wenn ...
Konjunktiv II eben!
(Sonja Munka,
www.teachsam.de, 22.11.2005,
zuletzt bearbeitet:
10.05.2015
(nach: Anzeiger, Nr.6, 9. Februar 2005) |
|