Brechts
Theater zeigt Veränderungen und vor allem Veränderbarkeit (durch die
Menschen), und es macht, ist es gelungen, Realität (sei es
zeitgenössische, sei es historische) bewusst (Bewusstsein als »bewusstes
Sein«). Das Theater aber selbst verändert nicht und kann nicht verändern;
[…] Veränderungen gibt es nur in der Wirklichkeit - als reale Praxis -
selbst; das Theater kann lediglich - mit vielen
anderen zusammen - auf die
Wirklichkeit aufmerksam machen (sie sichtbar machen); und realistisches
Bewusstsein ist also ganz abhängig davon, dass auch reales Sein bewusst
wird. So auch ist das Paradebeispiel, der Schluss des Guten Menschen zu
sehen: die Verweigerung des »guten Schlusses« auf der Bühne zeigt - als
dramatisches Bild -, dass es auf der Bühne keine realistische Lösung gibt;
der Zuschauer wird in die Wirklichkeit entlassen, dort einen wirklichen
Schluss zu suchen. Der gute Schluss auf dem Theater wäre das realisierte
Bild des Idealismus: deshalb wählt Brecht auch das ganze Kitsch-Arsenal,
um zu zeigen, wie idealistisch die Flucht der Götter in ihrer Maschine
ist.
(aus:
Knopf 1996, S.409)