Brechts
Dramen pflegen im allgemeinen entweder dem »Geschichtsdrama« (z.B.
Galilei) oder dem Parabeltyp (z.B. Guter Mensch von Sezuan) gattungsmäßig
zugeordnet zu werden. Beide Zuordnungen sind inzwischen vieldiskutiert und
weisen ihre spezifischen Probleme auf. Beim Geschichtsdrama ist es vor
allem die Frage der Aktualisierung bzw. als Pendant der »Historisierung«:
wie kann ein historischer Stoff aktualisiert werden, ohne dass er
historisch verfälscht wird […]? Andererseits: wie kann sichergestellt
werden, dass das vorgeführte historische Geschehen den Zuschauer
veranlasst, seine eigene Zeit zu historisieren, aus der Geschichte ein
Bewusstsein von seiner Gegenwart zu entwickeln? - Beim Parabeltyp ergeben
sich Schwierigkeiten vor allem im Hinblick auf die Realitäts»abbildung«:
inwieweit ist die Parabel nicht bloßes Konstrukt, das die Wirklichkeit
»überspringt«, anstatt sie zu beschreiben? Ist das, was die Parabel
darstellt, nicht eine zu stark vereinfachende »Wiedergabe« von
Wirklichkeit? Und erfüllt sich ihr Sinn nicht darin, schon Gewusstes
lediglich »bildhaft«, und das heißt didaktisch, einzukleiden, so dass sie
sich in illustrierender Lehre erschöpft? [...]
(aus:
Knopf 1996, S.405ff.)