Der
▪ Antreiber
"Sei perfekt!" verlangt von uns bei allem, was wir tun, Perfektion und
Gründlichkeit und damit letzten Endes Vollkommenheit. Hinter ihm steht das
Grundbedürfnis, sein Wissen und Können entsprechend der
eigenen Fähigkeiten zu entfalten. (Köster
1999, S.145)
Der Antreiber "Sei perfekt!" wird, wie die anderen
Antreiber auch, "bereits in der Kindheit verinnerlicht, im Allgemeinen erst
dann, wenn das Kind begrifflich denken und sprechen gelernt hat." (Schlegel
1988, S. 190)
Die Wirkungsweise des Antreibers "Sei perfekt!" fußt nach
Kahler und Capers (1974) auf einer inneren
elterlichen Stimme, die unmissverständlich kundtut: "Du bist nur dann OK,
wenn du alles richtig machst." (Stewart/Joines
(1990, S. 236) Damit verbunden ist eine Drohung, die vom Kind
gehört wird. "Wenn du das nicht tust, haben wir dich nicht mehr gern!" (vgl.
Schlegel 1988, S. 190)

Menschen, die diesem Antreiber folgen,
-
wollen
immer alles sehr
gründlich machen
-
neigen dazu,
Aufgaben immer überzuerfüllen
-
setzen Perfektion ohne
Rücksicht auf Zeitaufwand (und Kosten) stets an die erste Stelle
-
streben nach Anerkennung für
eine absolut fehlerfreie Leistung
-
verlangen von anderen im Grunde
das Gleiche
-
tendieren dazu, sich stets zu
rechtfertigen
-
sind oft zwanghaft
leistungsbetont
Meistens konzentriert man sich mit diesem Antreiber allzu sehr
auf Details, will alle Hintergrundinformationen und Einzelheiten genau
wissen. Dazu sieht man dann am Ende auch noch mehr das, was noch zur Perfektion
fehlt, als das, was man bis dahin schon geleistet und gut erledigt hat.
Diese "Negativ-Brille" kann in der Praxis auch dazu führen, dass das
Positive, was man selbst tut oder die anderen tun, einfach vorausgesetzt
wird. Perfektionismus solcher Art kann sich aber noch in vielen anderen Dingen
und Zusammenhängen negativ auswirken.
-
Wer immer danach strebt, seine
Aufgaben zu 100% zu erfüllen, bereitet sich nicht nur Stress, sondern
vergeudet letzten Endes Zeit. Besondere Methoden des
▪
Zeitmanagements versuchen
deshalb, genau diesem Perfektionismus entgegenzuwirken (vgl.
Pareto-Prinzip).
-
Der Perfektionismus führt dazu,
dass die Zeit, die für Arbeit aufgewendet wird, eindeutig zu viel ist, und
damit gerät die
▪
Zeit-Balance in ein
Ungleichgewicht.
Äußerungsformen des Antreiberverhaltens "Sei perfekt!"
Das Antreiberverhalten "Sei perfekt!" kann man, wenn mehrere
Indikatoren dafür vorliegen, u. a. an folgenden
Äußerungsformen erkennen:
Äußerungsform |
Indikatoren, Merkmale |
Wortwahl |
Äußerungen sollen das, was
gesagt wird, zwar präzisieren, enthalten aber eigentlich keine weiteren
Informationen
-
Ausdrücke wie: unter
Umständen, sozusagen, gewiss, total, könnte man sagen, wie wir gesehen
haben, im Großen und Ganzen ...
-
Einschübe nach dem Muster:
"Coaching ist, wie man sagen könnte, eine persönliche Hilfe zum
Selbstmanagement."
Äußerungen werden in extrem
gegliederter Form vorgetragen (z. B. "Ich möchte mit meiner Präsentation
erstens zeigen, dass ..., zweitens ... und drittens ... In Äußerungen
kommen häufig Floskeln wie "natürlich", "klar" oder "ich denke ..." vor |
Sprechweise |
-
Artikulation klingt wie aus
dem Erwachsenen-Ich gesprochen
-
Satzmelodie und
Satzrhythmus erscheinen ausgeglichen
-
Tonhöhe ist weder zu hoch
noch zu tief
-
insgesamt wirkt die
Sprechweise etwas verhalten
|
Mimik |
|
Gestik |
-
Punkte, die vorgetragen
werden, werden an den Fingern "abgezählt"
-
Hand streicht in
"Denkerpose" über das Kinn
|
Körperhaltung |
|
(vgl.
Schlegel 1988, S. 191,
Stewart/Joines 1990, S. 230)
Wenn man feststellen will, ob man dem Antreiber "Sei perfekt!" folgt,
genügt es natürlich nicht, ein einziges Merkmal zu erkennen. Nötig ist für
die Analyse von Antreiberverhalten, "dass mehrere Indizien für den
betreffenden Antreiber gleichzeitig auftreten." (Stewart/Joines 1990, S. 233)
Wer diesem Antreiber
folgt, kann in seinem Arbeitsverhalten u. U. auch Positives verbuchen. Denn
der Drang nach Perfektion führt in der Praxis ja auch dazu, dass man seine
Arbeit für die Ziele, die man erreichen will, meistens gut organisiert und
den Weg dahin auch sehr genau plant. Auf der anderen Seite stehen natürlich die oben aufgeführten Probleme, die
mit diesem Antreiber zusammenhängen. Sie können so weit gehen, dass man
einer bestimmten Situation (z. B. Prüfung, Halten einer Präsentation etc.)
ausweicht, "nur" weil man das Gefühl hat, nicht perfekt genug zu sein. Um
solchen Problemen begegnen zu können, sind ▪
Erlaubnisse nötig, die eine Art Gegenmittel für Antreiberbotschaften
darstellen. (vgl.
Stewart/Joines 1990, S. 240)
Daher ist man auch dem Antreiber "Sei perfekt!" nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Wer ein
Gespür dafür entwickelt hat, kann sein Verhalten auch ändern. Allerdings
geht dies nicht von heute auf morgen und es empfiehlt sich dabei, die
Personen, mit denen man in verschiedenen Zusammenhängen zu tun hat, in die
beabsichtigte Verhaltensänderung einzuweihen. Die Erlaubnisse, die dem Antreiber "Sei perfekt!" entgegenwirken, können
selbst Botschaften sein, die ihren Ursprung in der (elterlichen) Erziehung
haben. Wenn dies nicht der Fall ist, dann kann man sich solche Erlaubnisse
auch selbst erteilen. Die Erlaubnis lautet: "Du bist gut genug, so wie du
bist." (ebd.) Wer die Forderung des
Antreiber "Sei perfekt!" in Zukunft nicht mehr erfüllen will, "wie wenn er
unter einem Zwang dazu stehen würde" (Schlegel
1988, S. 191), der könnte folgende
Vorschläge berücksichtigen:
-
Prüfen Sie jeweils genau, ob
das, was Sie von sich erwarten, mit den tatsächlichen Erwartungen der
anderen übereinstimmt.
-
Klären Sie, ob das, was Sie von
sich erwarten, auch von anderen (z. B. Team- oder Gruppenmitgliedern,
Mitarbeitern, Kollegen, Klassenkameraden ...) auch erwartet werden kann.
-
Machen Sie sich klar, welche
tatsächlichen Konsequenzen entstehen, wenn Sie einen Fehler machen.
-
Zeigen Sie sich auch gegenüber
anderen bei nicht schwerwiegenden Fehlern nachsichtig.
-
Probieren Sie aus, ob nicht ein
anderes
▪
Zeitmanagement (z B. das
▪
Pareto-Prinzip) mehr
Aussicht auf Erfolg und innere Befriedigung bringen könnte.
Steigen Sie immer wieder bewusst aus dem Antreiberverhalten aus und
verstärken Sie damit z. B. die folgenden Erlaubnisse durch ihr neues ▪ (nonverbales)
Verhalten:
-
Du bist gut genug, so
wie du bist.
-
Du darfst Fehler machen.
-
Du darfst mit anderen bei
Fehlern nachsichtig sein.
-
Du brauchst dich nicht
stets zu rechtfertigen.
Da der Ausstieg aus dem Antreiber "Sei perfekt!" nicht so ohne Weiteres
gelingen wird, könnte helfen,
-
wenn Sie sich die entsprechenden
Erlaubnisse abends vor dem
Einschlafen oder morgens direkt nach dem Aufwachen selbst aufsagen,
-
wenn Sie die Erlaubnis
auf ein Blatt Papier schreiben
und dort hinhängen, wo Sie im Verlauf eines Tages immer wieder hinsehen.
(vgl.
Stewart/Joines 1990, S. 240)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
29.01.2021
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