Nach Schema F
verfahren - unser Alltagsbegriff von Schema
In unserer
Alltagskommunikation benutzen wir den Begriff Schema oft in einer
abwertenden Art und Weise. Wir sagen z, B., dass jemand
nach Schema F verfährt, und
meinen damit, dass jemand gedankenlos und rein routinemäßig vorgeht,
ohne nur im Entferntesten das Besondere eines vorliegenden Einzelfalls
zu berücksichtigen. Aber darüber hinaus verwenden wir den Begriff auch
ohne solche Abwertungen. Er steht dann z. B. für unsere
alltagssprachliche Vorstellung von Konzept als einer Vorstellung im
Kopf, die sich jemand von einem Sachverhalt gemacht hat und die ihn/sie
leitet, diesen zu beurteilen oder bestimmte Handlungen vorzunehmen.
Außerdem sprechen wir von einem Schema, wenn wir eine Zeichnung oder
eine ähnliche grafische Vorlage für Verläufe oder Handlungen aller Art
benennen, die im Allgemeinen schon alle relevanten Merkmale aufweist.
Der Begriff in
verschiedenen wissenschaftlichen Kontexten
Der Begriff
Schema kann auf eine wechselvolle Bedeutungsgeschichte
zurückschauen. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet in der
Antike Figur, Haltung bzw. Gestalt. Zunächst ist
der Begriff in der Philosophie beheimatet gewesen. Als »Schematismus
wird dabei eine philosophische Position bezeichnet, die Schemata als
abstrakte Formen und den Handlungen, mit denen sie erzeugt werden,
eine grundlegende Rolle zuweisen. Für
»Immanuel Kant (1724-1804 ) ist ein Schema dazu da, Inhalte
abstrakter Begriffe durch anschauliche (stellvertretende) Vorstellungen
zu veranschaulichen. In seinem Werk
Kritik der reinen Vernunft, in dem er seine
»Transzendentalphilosophie
darlegt, hat er dazu seine erkenntnistheoretischen Gedanken dazu
entwickelt, die darzustellen hier den Rahmen sprengen würde.
In die Psychologie,
namentlich die ▪ Kognitionspsychologie, wurde der Begriff von
dem britischen Psychologen »Frederic
Charles Bartlett (1886-1969)
(1932) eingebracht und dient seitdem zur
Beschreibung von Wissensstrukturen. Bartlett legte damit den Grundstein für
diese Wissenschaft, die bis dahin von den rein »behavioristischen
Gedächtnismodellen bestimmt gewesen waren und sich auf objektiv und
beobachtbare Komponenten des äußeren Verhaltens in
Reizreaktionsvorgängen konzentrierten (z.B. »Ivan
P. Pawlow (1849-1936), »John
B. Watson (1878-1958).
Neurobiologischer
Hintergrund für die Bildung von Schemata ist die Fähigkeit des
▪
Gehirns, verschiedene Reizeindrücke miteinander zu verbinden und
uns diese, wenn sie immer oder häufig an gleichem Ort und zu gleicher
Zeit wiederkehren, fest miteinander zu verknüpfen.
Heute ist den
gängigen Schematheorien, wie sie in der Psychologie verwendet
werden, die Auffassung gemeinsam, dass es
sich bei ▪
Schemata um Organisationseinheiten von verallgemeinertem (generischen)
Wissen handelt, die im ▪
Langzeitgedächtnis (LZG)
des Menschen vorhanden sind. Dabei fungiert jedes Schema "wie eine
Kategorie, in die wir die Informationen aus unserer Erfahrung
eingliedern." (Bourne/Ekstrand
2005, S.99)
Allerdings gelten
Schemata,
ähnlich wie ▪ semantische
Netzwerke, in der kognitionspsychologischen empirischen
Forschung trotz der Vorzüge, die beiden Ansätzen eingeräumt werden,
nicht mehr als ein adäquater Zugang angesehen, um die Vorgänge bei
der Erforschung und Erklärung der ▪
konzeptuellen Wissensrepräsentation. (vgl.
Anderson 72013,
S.111, vgl.
Wentura/Frings
2013, S.30) zu erforschen. Hier werden inzwischen der ▪
Prototypen- oder der ▪
Exemplaransatz aus verschiedenen
Gründen bevorzugt.
-
In der ▪
Entwicklungspsychologie des Schweizer Psychologen und
Erkenntnistheoretikers »Jean Piaget (1896-1980)
bezeichnet Schema
eine kognitive Struktur, die bestimmten Aufbaugesetzen unterworfen ist
und die sich nach bestimmten Entwicklungsgesetzen (»Assimilation =
Anpassung der Umweltgegebenheiten an die vorhandenen Schemata und
»Akkomodation = Anpassung der Schemata an die Umwelt) verändert.
Kern der schematheoretischen Vorstellung des Lernens ist die Annahme,
"dass im frühen Kindesalter durch umweltbezogenes Handeln Schemata
erworben werden und aus diesen allmählich kognitive Konzepte entstehen,
die wie Leerstellen auf verschiedene Situationen anwendbar sind. Die
Leerstellen wirken beim Lernen wie Erwartungen, sie werden aus dem neuen
Bedeutungszusammenhang heraus inhaltlich gefüllt." (Einsiedler,
1996, S.177).
-
In der
▪
Emotionspsychologie dienen schematheoretische
Vorstellungen dazu, die Wahrnehmung und Steuerung von Emotionen zu
erklären. Dabei geht man davon aus, dass ▪
emotionale Schemata emotionales
Empfinden und emotionale Reaktionen vereinfachen und in gewisser
Hinsicht automatisieren. Was wir als emotionale Reaktion auf ein
bestimmtes Ereignis empfinden, wird diesem Ansatz zufolge davon
bestimmt, ob und inwieweit die Ereignisse zu den subkulturell-individuell
unterschiedlich ausgebildeten emotionalen Schemata passen. (Ulich/Kienbaum/Volland
1999).
Schemata in der
Kognitionspsychologie
In der
▪
Kognitionspsychologie wird der Begriff allgemein zur Bezeichnung
komplexer Wissenseinheiten verwendet. Sie organisieren dieses Wissen
dadurch, dass sie Objekte und Ereignisse in ihrer konkreten
Komplexität reduzieren. Man spricht daher von der Fähigkeit von
Schemata zur Komplexitätsreduktion. Sie
stellen "komplexe Organisationseinheiten" dar und bilden die
"Grundlage für alle konzeptuellen Prozesse". (Schwarz
1992, S.88)
Allgemein zeichnen sich Schemata durch folgende
Merkmale und Funktionen aus:
-
Sie organisieren als kognitive Strukturen
kategorisiertes Wissen über typische
Zusammenhänge in einem Realitätsbereich.
-
Dabei werden
Schemata, die "Abstraktionen spezifischer Merkmale" darstellen,
mit einem "nützlichen Schlussfolgerungsmechanismus" (Anderson
72013, S. 106) dazu genutzt, "Schlussfolgerungen
über Exemplare der in den Schemata repräsentierten
Konzepte"
(ebd.)
zu ziehen. Insofern stellen sie "Kürzel" (Bourne/Ekstrand
2005, S.99) dar, mit denen es uns gelingt, "unser Wissen
oder vermeintliches Wissen über bestimmte Kategorien von Dingen
einzufangen, und sie kommen sehr gelegen, uns beim Ergänzen
fehlender Informationen zu helfen, wenn wir das nächste Mal in
der gleichen Situation sind." (ebd.)
-
Sie besitzen
Leerstellen
(Slots), die unterschiedlich aufgefüllt werden
können. Gibt es keine konkreten Attribute für diese Slots oder keinen
expliziten Widerspruch gegen die allgemeinen, durch Abstraktion
gewonnen Default-Werte, werden diese allgemeineren
Default-Werte (=
Voreinstellungswerte, in gewisser Hinsicht Normwissen) als
Standardparameter
in einem "Schlussfolgerungsmechanismus" genutzt, um
sie mit dem
Schema zu kategorisieren.
-
Schemata können ineinander eingebettet sein.
-
Sie speichern
generisches
und
episodisches
Wissen.
-
Sie besitzen nicht nur eine Struktur, sondern können auch andere
Schemata aktivieren (Prozesskomponente).
-
Sie speichern ganz unterschiedliche Wissensinhalte. (vgl.
auch:
Mandl/Friedrich/Hron
(1988), vgl.
Jarz
1997,
S.75)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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