▪ Konzepte und Kategorien
(Terminologie)
In der ▪
Kognitionspsychologie und
der
▪
Wissenstheorie allgemein steht Konzept für eine begriffliche
Grundvorstellung, die als elementare kognitive Einheit bei der
Organisation verallgemeinerter (generalisierter) Kenntnisse und
ihrer Beziehungen untereinander fungiert.
Ein Beispiel soll
verdeutlichen, worum es geht. Wahrscheinlich so ziemlich hier in
unseren Breiten, kann, wenn er/sie sich das unten stehende Bild
ansieht, erkennen, welche Objekte sich hier vor seinen Augen
"aufbauen", auch wenn man sie noch nie oder zumindest so noch nie
gesehen hat und auch nicht weiß, wo diese Aufnahme entstanden ist.
Ohne das Foto hier erschöpfend beschreiben zu wollen: Links erkennen
wir eine Schneeskulptur, die aus unterschiedlich großen, senkrecht
übereinander getürmten Schneekugeln besteht, daneben
unterschiedliche große Steine am Strand einer blauen Wasserfläche,
die sich farblich vom Blau des gegenüberliegenden Ufers und des
Horizonts abhebt. In die Wasserfläche ragt ein Steg mit seinen
zahlreichen Verankerungspfosten in den See hinein und führt abwärts
nahezu auf die Höhe der Wasseroberfläche.
Es ist, so gering
auf den ersten Blick die Anzahl der relevanten Bildelemente sein
mag, weil wir unsere Aufmerksamkeit ja nicht auf alle gleichzeitig
richten können, ein komplexes Bild, das unserer ▪
visuellen Wahrnehmung
und der perzeptuellen und kognitiven Verarbeitung seiner
Informationen schon einiges abverlangt. Aber, was wenn man das Bild
beschreibt, ziemlich lange dauert, wissen wir in der Regel schon in
Bruchteilen von Sekunden. Was im Grunde genommen ein "Wirrwarr"
unzähliger physikalischer (körperferner
distaler)
Reize
(z. B. Wellen reflektierten Lichts) darstellt, lesen wir aus und
fassen das "Ausgelesene" wieder zusammen, indem wir die Art, wie wir
diese Information zusammenfassen, mit den Mustern vergleichen, die
wir über das, was wir sehen, früher gebildet haben. Einem Menschen
aus der Südsee, wo es niemals schneit, könnte da allerdings bei der
Objektidentifizierung schon Schwierigkeiten haben und in gewisser
Weise vor einem Bilderrätsel stehen.
Klassen von Objekten
Dass dies in
unseren Breiten anders ist, liegt daran, dass wir über andere
Erfahrungen verfügen und diese Erfahrungen gelernt haben, in einer
bestimmten Art und Weise zusammenzufassen, die uns erlaubt, darauf
zurückzugreifen, wenn wir neue Erfahrungen machen. Diese
Zusammenfassungen stehen dabei für eine mehr oder weniger große
Anzahl gleicher oder gleichartiger Objekte, die wir zu Gruppen
zusammenfassen. Objekte können dabei alle möglichen Dinge unserer
Welt sein: Physikalische Objekte jedweder Art (Mensche, Tiere,
Pflanzen, Dinge aller Art, Sprache) aber auch nur vorgestellte
Objekt wie z. B. Fantasien. Werden sie zu Gruppen zusammengefasst,
dann werden sie als Klassen bezeichnet.
In manchen
Wissenschaften wie z. B. der ▪
Literaturwissenschaft spricht man lieber von
Gattungen oder
Gattungsbegriffen, weil sich diese Terminologie in einer langen
Begriffsgeschichte eingebürgert hat. In der ▪
Sprachwissenschaft
(Linguistik) hingegen ist der Begriff der ▪
Textklassen üblich.
Im Gegensatz zu den
einzelnen konkreten Objekten (ein bestimmtes Haus, eine ganz
bestimmte Person, ein ganz bestimmter Hund etc.) beruhen solche
Klassen auf Generalisierungen, d. h.
darauf, was auf alle Mitglieder einer Klasse mehr oder weniger
auszeichnet
oder auf Merkmalen, die sie per Definition besitzen müssen, um zur
Klasse zu gehören. Im Alltag gehen wir ständig mit Begriffen um, die
solche Klassen darstellen.
Wir sprechen von
Hunden oder Katzen, von Präsidenten und Abgeordneten oder von
Schiffen und Flugzeugen und nennen solche Wörter meistens
Oberbegriffe und wissen dann auch, dass wir damit sämtliche
Vierbeiner der Klasse Hund meinen oder von Fahrzeugen aller Art
sprechen, die sich auf und im Wasser fortbewegen können, ohne
unterzugehen. Und zugleich wissen wir in der Regel auch, dass sich
zu solchen Oberbegriffen wieder Oberbegriffe finden lassen (Hunde z.
B. als Säugetier) und auch nach unten hin lassen sich viele dieser
Oberbegriffe noch einmal in Unterbegriffe aufgliedern, ehe man am
Ende z. B. von HUND ausgehend, über
Hunderassen usw. zu
Tibetterrier zum
eigenen "Wuddiwuddler"
kommt, der als treuer "Buddy" mit die 12 Jahre seines Lebens geteilt
hat. Klassenbegriffe sind, das soll damit gesagt werden, immer
relationale Begriffe.
Den Begriff selbst,
der eine Klasse bezeichnet, nennen wir im Alltag wie gesagt
gewöhnlich Oberbegriff, machen uns aber wenn wir sie verwenden
eigentlich keine Gedanken darüber, auf welcher Grundlage wir diese
Oberbegriffe bilden oder sie als solche erworben haben. Nur in
besonderen Fällen wird uns hin und wieder bewusst, dass unsere
"natürlichen" Oberbegriffe, in der Fachsprache spricht man in diesem
Zusammenhang von "natürlichen Kategorien" oder natürlichen
Konzepten", die wir im Laufe unseres Lebens in unseren Interaktionen
mit unserer Umwelt erworben haben, nicht so ohne weiteres passen. So
passt u. U. ein Pinguin oder ein Strauss eben nicht zur Klasse
Vögel, die wir mit Merkmalen wie kann fliegen und hat Federn
"natürlich" kategorisieren. Oder das, was einen Junggesellen
ausmacht, nämlich unverheiratet zu sein, passt eben einfach auch
nicht zu dem, was wir mit dem Begriff bzw. der Kategorie oder dem
Konzept Papst verbinden.
Oft werden die
Termini Begriff, Konzept und Kategorie synonym
verwendet. Während Begriff und Konzept eigentlich schon immer als
Synonyme auftreten konnten, scheint sich in der
▪ Kognitionspsychologie erst in neuerer Zeit durchsetzen, dass auch
▪ zwischen Konzept
und Kategorie nicht mehr unterschieden wird,
weil "Kategorien Produkte der Interaktion von Strukturen in der Welt
und informationsverarbeitenden Systemen sind", wie
Waldmann
(2008, S.378f.) betont. (vgl. auch
Wentura/Frings 2013, S.126, vgl.
Kiesel/Koch 2012,
https://amzn.eu/bCwdJrW, Kindle-Version)
Dennoch: Am meisten
verbreitet scheint immer noch die Vorstellung zu sein, unter
Konzepten "mentale Repräsentationen in individuellen Gedächtnissen"
(Hoffmann/Engelkamp
22017, 5.5.2 Methoden zur Erfassung von
Strukturen im semantischen Gedächtnis
https://amzn.eu/7kMG13x) zu verstehen.
Um etwas über sie und "über die zwischen ihnen bestehenden
Assoziationen zu erfahren, müssen Konzepte aktiviert werden." (ebd)
Dabei kann diese
Aktivierung durch konkrete Objekte, Bilder, Geräusche, Gerüche,
Szenen etc. erreicht werden, ebenso gut aber auch mit Hilfe von
Wörtern.
Die Repräsentation
konzeptionellen Wissens
Zur Erklärung, wie
konzeptionelles Wissen im Gedächtnis repräsentiert wird, gibt es
verschiedene wissenschaftliche Ansätze und Modelle. Von diesen
können und sollen in diesem Arbeitsbereich nur ausgewählte Modelle
so in Grundzügen dargestellt werden, dass ein Überblick über die
wichtigsten Ansätze, auf die heute auch in anderen Wissenschaften
immer wieder Bezug genommen wird, möglich wird.
Wir beschränken uns
daher
auf
▪ Konzepte und Kategorien
(Terminologie)
Konzeptuelles Wissen und Textverstehen
Fragen, welche
Bedeutung konzeptionelles Wissen für das Textverstehen und die
Kohärenzbildung im Rahmen einer
Top-Down-Verarbeitung
durch den Leser und dessen eigenständiger ▪
Sinnkonstruktion
besitzt, werden im vorwiegend im ▪
Projektbereich Lesen
und im Fachbereich ▪
Textinguistik
u. a. im Zusammenhang mit der
Kohärenzproblematik behandelt.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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