▪
Philosophische Ansätze zur Wissensklassifikation
▪ Fakten-, Anwendungs- und Handlungswissen
(Ryle 1969 und Baumgartner 1993)
▪ Explizites und implizites Wissen (Polanyi
1985)
»YouTube-Video:
Systeme des Langzeitgedächtnisses (7:37)
(Hans Joachim Markowitsch)
Bei der
strukturorientierten Betrachtungsweise des ▪
Langzeitgedächtnisses geht man
inzwischen davon aus, dass es darin zwei verschiedene
Gedächtnissysteme gibt, deren Arbeit sich auch in unterschiedlichen
kortikalen Arealen in unserem ▪
Gehirn
nachweisen lassen. (vgl.
Squire 1987,
vgl.
Anderson 72013, S.159, vgl.
Wentura/Frings 2013,
S.121f., vgl. Gruber 22018,
S.53).
Neben den ▪
non-deklarativen Gedächtnissystemen (▪
prozedurales, ▪
perzeptuelles und ▪
Priming-Gedächtnis) ist dies
das ▪ deklarative Gedächtnissystem.
Im deklarativen
Gedächtnissystem gibt es zwei verschiedene Gedächtnisse (Tulving
1972): Das
semantische und das ▪ episodische
Gedächtnis, deren Wisssensbasierheit die größte Gemeinsamkeit
darstellt. Auch wenn man sich die beiden Systeme nicht als
vollkommen unabhängig voneinander arbeitend vorstellen sollte,
erfüllen sie doch jeweils andere Funktionen und unterstützen damit
unterschiedliche Gedächtnisleistungen und -prozesse.
Die Bezeichnung des
einen Gedächtnisses als semantisch und des anderen als episodisch
ist dabei zunächst einmal etwas verwirrend, handelt es sich doch bei
Gedächtnisinhalten beider Systeme um bedeutungsbezogene
Wissenspräsentationen. Die Etymologie des Wortes Semantik als die
Lehre von den Bedeutungen sollte einen als nicht in die Irre führen.
Dennoch dient das
Attribut semantisch in diesem Kontext dazu, eine bestimmte Gruppe
bedeutungsbezogenen Wissens zu bezeichnen. Es ist Wissen, das in
unterschiedlichen Kontexten immer wieder verschiedene Namen trägt.
So wird z. B. von Wissen schlechthin, von
deklarativem Wissen,
Weltwissen,
Faktenwissen,
Allgemeinwissen,
enzyklopädisches Wissen, explizites Wissen,
Fachwissen
etc. gesprochen, wenn man in etwa das Gleiche meint. Die elementaren
Wissenseinheiten stellen dabei die
Konzepte
dar. Diese stehen in Verbindungen miteinander, die man als
Assoziationen bezeichnet. Dementsprechend bildet die Gesamtheit
aller Konzepte und die zwischen ihnen bestehenden Assoziationen die
Struktur unseres Wissens im Allgemeinen, aber auch die Struktur
einzelner Gedächtnisarten wie z. B. die des semantischen
Gedächtnisses. (vgl.
Hoffmann/Engelkamp 22017, 5.5 Konzeptuelle Strukturen
im semantischen Gedächtnis)
Am besten trifft es
wohl hier die Formulierung: Im semantischen Gedächtnis
speichern wir das sogenannte
deklarative und
generische
Wissen. (vgl. Gruber 22018,
S.41) Diese Formulierung hebt darauf ab, dass wir dieses Wissen
deklarieren, d. h. verbal oder nonverbal artikulieren bzw.
beschreiben können und dass uns dieses Wissen in der Regel bewusst
ist oder wir in der Lage sind, es uns bewusst zu machen- Zugleich
betont es den Aspekt, dass uns das vorhandene Wissen hilft, neues
Wissen aufzubauen (= zu generieren).
Das sind z. B. Informationen wie die
folgenden:
-
New York liegt in den USA.
-
Ein
Kanarienvogel hat Flügel und kann singen.
-
Ein Fisch kann schwimmen und hat
Kiemen.
-
Ein mit Helium gefüllter Ballon steigt in der Luft auf
-
Ein
Apfel fällt vom Baum zu Boden.
- Die Abseitsregel im Fußball sorgt dafür, dass offensive
Spielerinnen* einer Mannschaft hinter den defensiven Spielern
oder gar in Tornähe auf lange Pässe lauern.
-
Parabel ist
eine Bezeichnung für eine literarische Form und in der
Mathematik eine Kurve zweiter Ordnung, die über eine
algebraische Gleichung zweiten Grades beschreibbar ist
-
...
Wir haben unzählige
Namen im Kopf, wissen eine Menge über uns bekannte Objekte und
können uns mit diesem Wissen auch zahlreiche physikalische oder
chemische Prozesse in unserer Umwelt erklären:
-
Schiller und
Goethe sind bedeutende Dichter der deutschen Literatur.
-
Eis ist Wasser,
das unter normalen Bedingungen bei 0 Grad Celsius gefriert.
-
Lässt man einen
schweren Gegenstand fallen, dann plumpst er zu Boden.
-
Wer zu lange
ungeschützt in der Sonne badet, bekommt einen Sonnenbrand.
-
...
Alle diese Beispiele
sind Teile unseres ▪ konzeptuellen
Wissens (kategoriales,
propositionales Wissen)
Was wir wissen,
wissen wir einfach. Das klingt seltsam, in jedem Fall extrem
verkürzt. Und doch weist die pointierte Formulierung darauf hin, das
wir uns gewöhnlich nicht genau daran erinnern zu können, wann und wo
wir dieses (semantische) Wissen erworben haben. Natürlich können
wir vielleicht angeben, dass wir von ▪
Friedrich
Schiller erstmals in der Schule gehört haben, vielleicht fällt
uns sogar ein, ob das im Zusammenhang mit der Lektüre der »"Bürgschaft"
oder des »"Wilhelm
Tell" gewesen ist, aber an welchem Tag genau, wir dieses Wissen
erworben haben, werden die allermeisten von uns nicht angeben
können. Kontextuelle Informationen darüber werden dabei nämlich
nicht gespeichert und auch nicht in ▪
semantischen oder ▪ propositionalen Netzwerken
mit den Begriffen (Konzepten, Kategorien) usw. verknüpft.
Das bedeutet
aber wiederum nicht, dass bestimmte Informationen, die ins
semantische Gedächtnis gehören, nicht mit bestimmten Erinnerungen
verknüpft sein können.
Wenn wir uns beispielsweise genau daran
erinnern können, in welcher Situation, wann, wo und wie wir die »Pythagoras-Formel a2 + b2 = c2
gelernt haben, weil wir "damals" von unserer Lehrperson an der Tafel
wegen unseres Nichtwissens bis auf Haut und Knochen blamiert worden
sind, bleibt die Formel wohl immer mit diesem episodischen Ereignis
verbunden. Aktivieren wir als den »Satz
des Pythagoras in unserem semantischen Gedächtnis, wird sich
auch immer wieder unser episodisches Gedächtnis rühren, und uns, oft
auch durch die Erregung von Emotionen, in Erinnerung rufen, was wir
mit »Pythagoras
(570-510 v. Chr.) erlebt haben.
Über die Art und
Weise, wie das Wissen im semantischen Gedächtnis organisiert ist,
wie es aufgebaut und abgerufen werden kann, gibt es unterschiedliche
Theorien und Modelle, die oft auch von entsprechend modellierten
Studien gestützt werden. Geisteswissenschaftlichem Denken kommen
dabei theoriebasierte globale Theorien über die Organisation dieses
Wissens natürlich eher entgegen als empirische, oft noch zur
Grundlagenforschung zählende experimentelle Befunde, die
Kognitionspsychologinnen* auf der ganzen Welt dokumentieren. Das
stellt nicht in Abrede, dass die kognitive Psychologie und mithin
auch ihre empirische Fundierung in einem sehr apodiktisch
vorgetragenen Urteil "für alle anderen Sozialwissenschaften in
derselben Weise grundlegend (ist), wie es die Physik für andere
physikalische Wissenschaften ist." (Anderson
72013, S.2)
Eine weit
verbreitete Vorstellung ist, dass dieses Wissen in Netzwerken
organisiert ist. Dabei wird oft zwischen verschiedenen Netzwerken
unterschieden. In diesem Arbeitsbereich sprechen wir von den ▪
semantischen oder ▪
propositionalen Netzwerken.
Letztere werden dabei auch der Gruppe der semantischen Netzwerke
zugerechnet.
Kognitive Schemata
dienen im Allgemeinen dazu, um komplexere Repräsentationen als
Organisationseinheiten von verallgemeinertem (generischen)
Wissen, die im ▪
Langzeitgedächtnis (LZG)
des Menschen vorhanden sind, zu bezeichnen und darzustellen. Sie
können dabei
generisches,
im Sinne von deklarativem Wissen ebenso speichern wie
episodisches
Wissen. Sie organisieren dieses Wissen dadurch, dass sie Objekte
und Ereignisse in ihrer konkreten Komplexität reduzieren. Man
spricht daher von der Fähigkeit von Schemata zur Komplexitätsreduktion. Sie
stellen "komplexe Organisationseinheiten" dar und bilden die
"Grundlage für alle konzeptuellen Prozesse". (Schwarz
1992, S.88)