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Analyse eines Schaubildes
Im Jahr 2015 gingen beim
Deutschen
Werberat 622 Beschwerden über laufende Werbekampagnen ein. Die Kritik
kam von insgesamt 1.083 Personen und Organisationen. Von den 622 geprüften
Fällen fielen 243 Fälle nicht in den Zuständigkeitsbereich der
Selbstkontrolleinrichtung. Das lag z. B. daran, dass es sich um mögliche
Gesetzesverstöße handelte oder redaktionelle Inhalte der Medien betroffen
waren. So verblieben 379 Werbesujets, die der Werberat anhand der
Verhaltensregeln der Werbebranche untersuchte und beurteilte. Das waren in
etwa gleich viele Entscheidungen wie im Vorjahr (2014: 387 Fälle; -2
Prozent).
Am häufigsten fühlten sich die Bundesbürger von
geschlechterdiskriminierender Werbung gestört (52 Prozent der vom Werberat
untersuchten Fälle). Dabei fasst der Werberat unter diesem Begriff
Frauenherabwürdigung (sexistische Werbung) und Frauen- und/oder
Männerdiskriminierung zusammen. Insgesamt waren das 2015 196 Fälle
(2014: 203). Als weitere Beschwerdegründe folgten danach Beschwerden zum
Thema Ethik und Moral mit 42 Fällen, zur Diskriminierung von Personengruppen
28, zur Entwicklungsbeeinträchtigung Kinder und Jugendlicher 19 sowie zur
Nachahmungsgefahr gefährlichen Verhaltens ebenfalls 19 Fälle. Nur eine
Randrolle spielten Beschwerden zu den auf rechtspolitischer Ebene intensiv
diskutierten Themen Alkoholwerbung (8 Fälle) und Lebensmittelwerbung (2
Fälle). (vgl.
http://www.werberat.de/content/akzeptanz-der-werberatsentscheidungen-der-branche-weiter-hoch,
19.03.2015)
Von den beurteilten 196 Fällen wegen geschlechterdiskriminierender Werbung
wurden mit 88 Fällen fast die Hälfte beanstandet (Vorjahr: 38
Prozent)Grundlage der Entscheidungen waren die im Jahr 2014 aktualisierten
Verhaltensregeln des Deutschen Werberats gegen Herabwürdigung und
Diskriminierung von Personen.
Der Weberrat erklärt dazu: "In die Fallgruppe 'Frauendiskriminierung' fallen
auch Beschwerden über Werbemaßnahmen, die aus Sicht der Beschwerdeführer
veraltete Rollenbilder beinhalten und somit zu einer Verfestigung überholter
Rollen von Mann und Frau in der Gesellschaft beitragen würden. Kritisiert
wurde beispielsweise eine Prospektwerbung für Kinderbettwäsche: Darin lag
das Mädchen in einer Prinzessinnen-Bettwäsche, der Junge in einer
Feuerwehrmann-Bettwäsche. Für den Werberat bedeutet der Einsatz von
Stereotypen in der Werbung als solches noch nicht per se eine
Diskriminierung einer bestimmten Personengruppe (zum Beispiel Frauen oder
Mädchen). In der Bettwäsche-Werbung werde zwar eine (vermeintlich)
geschlechtertypische Auswahl getroffen, diese spiegele jedoch die Vorlieben
vieler Kinder und ihrer Eltern wider. Diese Realität dürfe die Werbung auch
abbilden; sie habe nicht den gesellschaftspolitischen Auftrag, eine
Umerziehung der Gesellschaft voranzutreiben. Es gibt auch Fälle, in denen
das klischeehafte, offensichtlich übertriebene Abbilden von „veralteten“
Rollbildern helfen kann, aktuell bestehende Stereotype aufzubrechen." (vgl.
ebd.)
Geschlechterdiskriminierende Werbung verbieten?
Der Werberat selbst hält wenig von einem gesetzlichen Verbot
geschlechterdiskriminierender Werbung, wie dies z. B. der SPD-Parteivorstand
nach den massenhaften Übergriffen gegen Frauen in der Silvesternacht 2015 in
Köln und anderen deutschen Städten auf seiner Jahresauftaktklausur getroffen
hat. "So schlimm die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht waren, so wenig
haben sie mit Werbung zu tun. Neue gesetzliche Regelungen zur Werbung wären
eine Scheinlösung im Rahmen einer großen gesellschaftlichen
Herausforderung", betonte dazu Julia Busse, Geschäftsführerin des Werberats.
(vgl.
http://www.werberat.de/content/akzeptanz-der-werberatsentscheidungen-der-branche-weiter-hoch,
19.03.2015)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.10.2021