In
Deutschland begehen etwa 25 Menschen pro Tag eine Suizid und
schätzungsweise 500 Personen versuchen es. Im Jahr 2022 starben •
nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland insgesamt
10 119 Menschen durch Suizid – das waren fast 28 Personen pro Tag.
Männer nahmen sich deutlich häufiger das Leben als Frauen, rund 75 % der
Selbsttötungen wurden von Männern begangen. Das durchschnittliche Alter
von Männern lag zum Zeitpunkt des Suizides bei 60,3 Jahren. Frauen waren
im Durchschnitt 61,9 Jahre alt. Suizide bei Kindern unter 15 Jahren sind
extrem selten (2022: 20 Fälle). Im Jahr 2022 nahmen sich 179 15-
bis 19-jährige Jugendliche (119 männlich und 53 weiblich) das Leben.
Auch wenn die Anzahl der Suizide im Vergleich zum Vorjahr deutlich
zugenommen haben, ist die Gesamtzahl der Suizide jedoch in den
vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen: 1980 nahmen sich
beispielsweise noch rund 50 Personen pro Tag das Leben. Allerdings ist
wohl davon auszugehen, dass die möglichen
Neuregelungen zum
assistierten Suizid die Suizidzahlen erhöhen wird.
2021 verstarben in
Deutschland 9.215 Menschen durch Suizid. im Verkehr kamen dagegen ca.
2.900 Personen um, durch Drogen ca. 1.800 und durch AIDS ca. 220
(Statistisches Bundesamt, 2021). Die Zahl der Suizidversuche wird mehr
als 20-mal so hoch geschätzt.
Suizide erfolgen fast
immer vor dem Hintergrund einer nicht optimal behandelten psychischen
Erkrankung, am häufigsten einer Depression. "Die überwältigende Mehrheit
der Suizide in Deutschland sind keine Freitode, sondern die tragische
Folge schwerer psychischer Erkrankungen. So geht Depression mit großem
Leiden und tiefer Hoffnungslosigkeit einher. Bestehende Probleme werden
in der Depression vergrößert und als unlösbar wahrgenommen. In ihrer
Verzweiflung sehen Menschen dann im Suizid den einzigen Weg, diesem
unerträglichen Zustand zu entkommen", erklärt Prof. Ulrich Hegerl,
Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und
Suizidprävention. (vgl. »Pressemitteilung
der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. 7.9.2023)
In den letzten 40
Jahren hat sich die Zahl der Suizidopfer halbiert. „Der Rückgang der
Suizide dürfte vor allem darauf zurück zu führen sein, dass mehr
Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen sich
Hilfe holen und eine Diagnose bzw. Behandlung erhalten“, so Prof. Ulrich
Hegerl, der auch die Senckenberg-Professur an der Universität
Frankfurt/M. inne hat. Aufgrund von Wissensdefiziten, Stigmatisierungen,
der krankheitsbedingten Antriebs- und Hoffnungslosigkeit sowie vor allem
auch Defiziten im Gesundheitssystem bestehen jedoch weiter große
Versorgungslücken.
Die Entwicklung der
Anzahl von Suiziden in Deutschland lässt sich schon weit über 100
Jahren beobachten. Dabei muss man allerdings stets berücksichtigen, dass es
eine hohe Dunkelziffer gibt, Sterbefälle also, die anderen Todesursachen
zugerechnet werden, in Wahrheit aber Folge von Suizidhandlungen sind.
Dazu
zählen z. B. Drogentote, von denen nahezu 20% als Suizide gelten, oder
auch Suizide bei älteren Menschen, die vor ihrem Freitod an einer
tödlichen Krankheit gelitten haben, die als Todesursache in die Statistik
eingeht. (Vgl.
Gesundheitsbericht für Deutschland, 1998)
In Deutschland beobachtete man
in den Jahren 1980-2000 einen steten
Rückgang der Suizide. Während 1980
von 100 000 Personen 24 freiwillig aus dem Leben geschieden sind, waren es
nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahre 2003 14 Personen.
Anders gesagt: 11.150 Menschen setzten ihrem Leben im Jahr 2003 freiwillig
ein Ende, was einem Anteil von 1,3% an allen Verstorbenen ausmacht. (vgl.
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 18.10.2005) Die Zahl der
durch Suizid Verstorbenen übersteigt damit die Zahl der Verkehrstoten
beträchtlich (2002: 6.842 Personen) ((vgl. Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamts vom 3.3.2004)
Wenn
sich in den letzten 40 Jahren hat die Zahl der Suizidopfer halbiert hat,
dürfte dies, so Prof. Ulrich Hegerl, "vor allem darauf zurück zu
führen sein, dass mehr Menschen mit Depressionen und anderen psychischen
Erkrankungen sich Hilfe holen und eine Diagnose bzw. Behandlung
erhalten“. Dennoch so betont er, bestünden aufgrund von
Wissensdefiziten, Stigmatisierungen, der krankheitsbedingten Antriebs-
und Hoffnungslosigkeit sowie vor allem auch Defiziten im
Gesundheitssystem weiterhin große Versorgungslücken. So sei es völlig
inakzeptabel, dass ein suizidgefährdeter Mensch oft erst nach Wochen
einen Facharzttermin bekomme.
Das
Durchschnittsalter der durch Suizid gestorbenen Personen hat sich
zwischen 1982 und 2002 um 3 auf 54,4 Jahre erhöht. (Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamts, 3.2.04). Dabei waren die Männer im Durchschnitt
mit 52,6 Jahren deutlich jünger als die Frauen (59,1 Jahre). In der
Altersgruppe der 15- bis 35-Jährigen rangiert der Suizid nach dem
Unfalltod an zweiter Stelle der Todesursachen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Selbsttötung in
dieser Altersgruppe besonders häufig ist, denn schließlich ist der Suizid
in dieser Altersklasse neben Mord und Unfall und wegen der altersbedingt
deutlich weniger auftretenden Krankheiten die beinahe einzig mögliche
Todesursache. Die Altersverteilung der Suizide in Deutschland zeigt, dass
die Suizidziffern mit zunehmendem Alter ansteigen (sog. "ungarisches
Muster"). Dabei ist in den letzten Jahren besonders auffällig, dass der
Anteil alter Menschen an der Gesamtzahl der Suizide zugenommen hat.
Allerdings ist zu beachten, dass mit zunehmendem Alter zwar der Anteil der
Suizide an allen Todesarten abnimmt, die alterspezifischen Suizidraten pro
100000 Einwohnern allerdings wächst. Heutzutage wird z. B. fast jede zweite Selbsttötung, die eine Frau vornimmt, von
einer Frau über 60 Jahre durchgeführt.
Seit
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.2.2020 zur Aufhebung des
Verbots der geschäftsmäßigen »Sterbehilfe
gilt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Recht auf
selbstbestimmtes Leben und Sterben umfasst. Seit diesem Urteil gehört
also auch die Möglichkeit dazu, sich das Leben zu nehmen und dabei die
freiwillige Hilfe Dritter zu erhalten.
Über
die gesetzliche
Neuregelung zum assistierten Suizid soll sichergestellt werden,
dass es zuverlässige Hilfsangebote für ein selbstbestimmtes Sterben
gibt. Auch wenn dies im Grunde für die Befürworter der Neuregelung
unbestritten ist, sieht die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und
Suizidprävention dabei durchaus auch Risiken: "Eine
verantwortungsvolle und schwierige Aufgabe wird darin bestehen,
sicherzustellen, dass die Entscheidung sterben zu wollen tatsächlich
freiverantwortlich getroffen wurde und nicht Folge einer verzerrten
Wirklichkeitswahrnehmung durch die schwarze Brille der Depression ist.
Problematisch ist auch, dass das Bundesverfassungsgerichtsurteil eine
Normalisierung des Suizids befördern könnte. Ich habe viele depressiv
erkrankte Menschen betreut, die ihre depressive Krankheitsphase nur
überlebt haben, weil das Tabu sie vom Suizid abgehalten hat. Sie wollten
das ihrer Familie nicht antun. Wird Suizid zu einer jedem offenstehenden
Option, so kann dies die oft lebensrettende Schwelle für suizidales
Verhalten senken und zu einem Anstieg auch der nicht-assistierten,
krankheitsbedingten Suizide führen“, befürchtet Hegerl. In den
Niederlanden sind im Zuge der Liberalisierung der Sterbehilfe pro Jahr
nicht nur um die 6.000 Menschen durch einen assistierten Suizid aus dem
Leben geschieden, sondern entgegen der Erwartung nahmen auch die Raten
für die einsamen, nicht-assistierten Suizide zu. Dieser Anstieg stand im
Gegensatz zu der positiven Entwicklung der Suizidraten in fast allen
anderen europäischen Ländern. (vgl. »Pressemitteilung
der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. 7.9.2023)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
06.04.2024
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