Im Leben werden den Menschen zahlreiche Rollen zugeschrieben, So
"spielen" sie in ihrem ganz normalen Leben z. B. die Rollen eines
Lehrers bzw. einer Lehrerin, eines Schülers bzw. einer Schülerin, eines
Vaters, einer Tochter, eines Sohnes, einer Autofahrerin, eines
Facebook-Mitglieds u. v. m.
"Diese
Zuordnungen umschreiben", nach
Sielert/Keil (1993, S.131 f.) eine ganze Verhaltenspalette für die
Freizeitgestaltung, das Benehmen zueinander, die Einstellungen zum Leben,
Beruf und zur Gesellschaft." Wichtig zu wissen in diesem Zusammenhang,
dass alle Lebensphasen, ob Kindheit, Jugend- und Erwachsenenalter mit
solchen Rollen "sozial überformt" werden und dadurch "Rollencharakter"
annehmen. (ebd.)
Die jeweilige Rolle wird dabei mit einem charakteristischen Verhalten
definiert und damit von anderen Rollen bzw. Rollenangeboten abgehoben.
Dabei wird von der Gesellschaft freilich auch erwartet, "dass sich jedeR
entsprechend der Lebensphase verhält, in der er oder sie sich gerade
befindet." (ebd.)
Doch nicht immer sind die Erwartungen, die von der sozialen Umwelt an
eine bestimmte Rolle gestellt werden, vollkommen eindeutig. Es kommt
sogar oft vor, dass sich solche Zuschreibungen geradezu widersprechen.
Dies gilt im besonderen Maße im Jugendalter, in der Adoleszenz. In
dieser Entwicklungsphase erleben die Jugendlichen, die gerade dabei
sind, sich und damit ihre Identität zu entwickeln häufig "eine gewisse
Rollenunsicherheit, die einerseits die Selbstfindung erschwert, die
andererseits aber zugleich die rigide Festlegung auf ein bestimmtes
Verhalten verhindert" und diese Umstände fordern entsprechend geradezu
heraus, dass sich die Jugendlichen selbst ihren eigenen Standpunkt
suchen wollen und ihr Verhalten selbst bestimmen wollen.
Die
Bedeutung der Geschlechtsrolle
Eine Rolle, die gewöhnlich, aber
keineswegs immer, das ganze Leben eines Menschen prägt, stellt die
Geschlechtsrolle dar. "Mit ihr werden Verhaltensweisen, Einstellungen, Lebensplanungen verbunden,
die dem Menschen aufgrund eines bestimmten Geschlechts zugeschrieben
werden. Die Zuschreibung eines bestimmten Verhaltens für ein Geschlecht
hat sich im Laufe der Geschichte entwickelt und tief im Leben der Menschen
festgesetzt. So wurden Jungen und Mädchen z. B. auf das Familienleben
lange Zeit unterschiedlich vorbereitet: Jungen auf den 'Außendienst' -
Beruf, ökonomische Sicherung; Mädchen auf den 'Innendienst'-
Haushaltsführung, Kinderversorgung, emotionale Fürsorge."
(ebd.)
In der Vielfalt der heutigen Lebensformen und dem weiteren Gang der
Emanzipation der Frau wirkt dieses Verständnis der Männer- und
Frauenrolle heute natürlich antiquiert. In der Vielzahl der
unterschiedlichen Lebensformen lassen sich in der modernen
individualisierten Gesellschaft solche eindeutigen Zuschreibungen für
die Geschlechtsrolle nicht mehr normativ durchsetzen.
Dessen ungeachtet "(beginnt) die Erziehung zum
Geschlechtsrollenverhalten mit der Geburt und zieht sich durch das ganze
Leben. Vorbilder - wie Eltern, ErzieherIn,
LehrerIn und Freunde bzw. Freundinnen - nehmen dabei Einfluss darauf, wie
stark oder schwach, wie geschlossen oder wie offen die jeweiligen
Verhaltensmuster ausgeprägt werden." (ebd.)
Wie die jeweilige Geschlechtsrolle im einzelnen ausgeprägt wird, hängt
indessen nicht nur vom Willen der einzelnen Männer oder Frauen ab, denn
"Geschlechtsrollen organisieren das ganze Zusammenleben und sind in
allen gesellschaftlichen Bereichen verankert. Ihre Inhalte und das
entsprechende Verhalten variieren unter dem Einfluss gesellschaftlicher
Veränderungen." (ebd.)
Wer sich also intensiv mit der Geschlechtsrollenidentität und ihrer
Entstehung befassen will, muss die gesellschaftlichen Bedingungen und
Prozesse reflektieren, unter denen sie stehen. Was Kindern schon in der
Kindheit und Jugend als "typisch männlich" oder "typisch weiblich"
beigebracht wird, spiegelt zunächst einmal nichts anderes als die
Vorstellungen des jeweiligen sozialen Umfeldes, in dem Kinder
heranwachsen. Und neben den Eltern, Geschwistern, Freunden kommt dabei
auch dem Bild, das die Medien über die Geschlechtsrollen vermitteln,
eine herausragende Bedeutung zu. "Männlichkeit" und "Weiblichkeit" sind
unter diesem Blickwinkel soziale Konstrukte, d. h. die Männern oder
Frauen jeweils zugeschrieben, "scheinbar typischen Eigenschaften werden
gestaltet, Lebenskonzepte eingeübt und vorbestimmt." (ebd.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
27.08.2023