In der
Adoleszenz
(Jugendalter zwischen 10. - 21. Lebensjahr) gehören Mutproben zum
entwicklungsbedingten Risikoverhalten der Heranwachsenden.
Sie lassen
sich zu den von Fend
(2005, S.173) aufgeführten jugendspezifischen Krisenindikatoren
zählen, in denen sich die "Wahrnehmung (zuspitzt), dass Aufwachsen unter
modernen Lebensbedingungen ein risikoreicher Prozess ist, den es
sorgfältig zu beobachten gibt."
Risikobereitschaft ist in der Jugend besonders hoch
Risiken einzugehen ist für die
Jugendzeit "ganz normal" und hat den Stellenwert einer
jugendspezifischen Altersnorm" (Raithel
2011b, S.4)
Im Allgemeinen zählen Mutproben zur Gruppe
evidenten Risikoverhaltens,
bei dem, wenn das Verhalten riskant ist, den Beteiligten das
Vorhandensein eines Risikos auch vor Augen steht. Dies ist bei latentem
Risikoverhalten wie z. B. dem Substanzkonsum (Alkohohl, Tabak, illegale
Drogen) aber eher nicht der Fall.
"Risikoverhalten ist", so definiert es
Raithel (2011b,
S.4)", ein unsicherheitsbestimmtes Handeln, dessen unerwünschte
Konsequenzen mit einer Schadenswahrscheinlichkeit einhergehen."
Eine maskulinitätsbezogene Selbstpräsentation
Nahezu immer geht es bei Mutproben um das entwicklungsbedeutsame
"Erleben von Selbstüberwindung, was Selbstbestätigung erzeugt" (ebd.,
S.6). Da riskante Mutproben allerdings eher "Männersache" sind,
geht es also um eine "maskulinitätsbezogene
Selbstpräsentation" (ebd.)
Wer eine Mutprobe bestehen will, strebt häufig die dauerhafte Aufnahme
in eine Clique bzw. feste Gruppe an. Meistens genügt dann eine einzelne,
aber darüber hinaus gehören sie eben auch zum entwicklungsbedingten
Risikoverhalten, das den Alltag zahlreicher Jugendlicher prägt.
Risikoverhalten ist mithin "Teil der Jugendkultur" (ebd.)
und gibt dem Einzelnen eine ganze Menge von Möglichkeiten, sich in
seiner Körper- und Geschlechtsrolle zu stilisieren und zu inszenieren.
Typische Arten von Mutproben
Auf der Grundlage empirischer Befunde unterscheidet
Raithel (2003,
2011b, S.6)
vier verschiedene Arten von Mutproben:
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Ängste überwinden
Bei der Selbstüberwindung, die Mutproben dem
Einzelnen abverlangen, geht es stets auch um das Überwinden von Angst,
die das dominierende Gefühl bei Mutproben darstellt.
Dabei muss diese
Angst keineswegs an die Furcht vor Verletzungen oder gar Todesangst
gebunden sein. Sie kann genau so gut als soziale Angst vorhanden sein,
wenn man sich z. B.
davor fürchtet, sich vor anderen zu blamieren.
Motive für Mutproben
Die vier oben dargestellten Mutproben zeigen auch unterschiedliche
Risikoverhaltensweisen von männlichen und weiblichen Jugendlichen auf.
-
Männliche Jugendliche finden sich in deutlich größerer Zahl als Mädchen
bei den Verletzungs-/Schmerzmutproben und bei Mutproben, die mit einem
Bestrafungsrisiko (sanktionsriskante Mutproben) verbunden sind.
-
Mädchen
suchen eher konventionsbrechende Mutproben, sowie bei Scham- und
Ekelmutproben.
-
Bei den Ungewissheitsmutproben
halten sich Jungen und Mädchen offenbar die Waage. (vgl.
Raithel 2003,
2011b, S.6)
Interessante Ergebnisse liefert die Frage nach den
Motiven von Jugendlichen für die Ausübung von Mutproben.
Neben den
jeweiligen Zustimmungswerten fallen dabei auch geschlechtsspezifische
Unterschiede auf.
(aus: Raithel 2003,
S.668, online verfügbar:
http://www.pedocs.de/volltexte/2011/3897/pdf
/ZfPaed_5_2003_Raithel_Mutproben_D_A.pdf
Aber auch ein weiterer Befund
Raithels (2003,
S.670f.) dürfte vor allem für Lehrkräfte interessant sein. So hat sich
in den Untersuchungen ergeben, " dass Grund-, Haupt- und
Gesamtschüler/innen ungefähr ein Drittel mehr Mutproben ausüben als die
Schüler/innen aus der Realschule und dem Gymnasium."
Damit scheint die
Annahme von
Helfferich (1997) zuzutreffen, wonach "Hauptschüler eine höhere
Affinität zu ‚hart‘ konnotierten und riskanten Verhalten haben als
Gymnasiasten."
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
22.05.2024
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