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Wer früher in dem einen oder anderen amerikanischen College sein
Facebook (face = engl. Gesicht; book = engl. Buch) aufschlagen hat, sah
darin Bilder von anderen Mitstudenten, die ihm beim Zurechtfinden auf
dem Campus behilflich sein sollten. Ob sie einem gefielen, war zunächst
einmal egal.
Ganz anders bei den Profilen des weltgrößten sozialen
Netzwerkes gleichen Namens. Facebook, 2004 gegründet und im Besitz der Firma Facebook Inc. mit
Sitz im kalifornischen
Palo Alto, hat eine neue Programmfunktion in seine Plattform
integriert. Und »Mark
Zuckerberg und Co. haben damit nicht nur eine interessante, sondern
vor allem leicht zu nutzende Anwendung präsentiert. Fortan kann die
Anfang 2010 auf über 400 Millionen angestiegene Facebook-Nutzergemeinde,
die ständig weiter wächst, nämlich noch leichter
interessante Inhalte untereinander teilen. Ein einfacher Klick genügt,
dann ist ausgedrückt, ob einem der Kommentar eines Freundes zusagt oder
nicht, ob man ein YouTube-Video mag oder ob man die Begeisterung für
eine bestimmte "Fan-Seite" teilt. Und natürlich kann man mit dem "Gefällt-mir"-Link
zustimmen, wenn zwei "Freunde", die man selbst hat, nun auch
untereinander "Freundschaft" geschlossen haben. Doch der Clou kommt
noch: Wer eine eigene Internetseite betreibt, kann künftig, "Gefällt-mir"-Funktionen
und anderes einbauen. Mit solchen und ähnlichen "social
plug-ins" will Facebook von einer Community zu der Schaltzentrale des
Internets aufsteigen. (vgl.
Frickel, Focus-online, 20.4.2010) Einige ganz Große, CNN und die
Internet-Filmdatenbank IMdB z.B., haben ihr Mitmachen schon
zugesagt. Entsteht so die "heile Welt [...], die immer positiv
formuliert ist", wie Frickel meint? Einen Button, mit dem man sagen
könnte "Das gefällt mir nicht" ist schließlich nicht vorgesehen, auch
wenn eine Menge von Facebook-Mitgliedern dies "lauthals" fordern. "Top"
oder "Flop" - eine "Gefällt-mir-(nicht)"-Funktion als Daumenersatz:
Daumen hoch und Daumen runter, vielleicht.
Wo sich ein "Gefällt-mir"-Button befindet, kann jeder Besucher loslegen.
Ein Klick darauf - und die entsprechende Seite oder ein entsprechender
Seiteninhalt ist gelobt. Wer danach dort hin kommt, bekommt zu Gesicht,
wie viele andere Besucher diese Seite schon positiv erlebt haben. Und
natürlich erscheint diese Aktivität eines Facebook-Users auch in seinem
Profil. Jeder "Gefällt-mir"-Klick landet so auf der Pinnwand des
entsprechenden Facebook-Accounts. Und dort sehen zumindest die
"Freunde" des jeweiligen Accountinhabers, was ihm oder ihr auf
der Reise durchs Web gefallen hat. Und so mancher Arbeitgeber liest mit. Sind
nämlich die "Privacy-Einstellungen"
so eingestellt, dass jedermann sie einsehen kann, kann auch von
überallher gesichtet werden, was den Reiz, auf den besagten Button zu
klicken ausgelöst hat. Ein Trost, der aber auch nicht viel weiterhilft:
Der Betreiber der Webseite, auf der sich der Facebook-Button befindet,
erhält keine Daten über den Facebook-Nutzer, der geklickt hat. Hier muss
zuvorderst noch die IP-Adresse herhalten, die den Webseiten-Betreibern,
in den log-files beim Provider oder auf dem Server gespeichert,
einschlägige Auskünfte über geographische Herkunft, Sprache und
ähnliches seiner Webseitenbesucher mitteilen. Aber schon warten hungrige
Mäuler auf mehr. Denn Facebook will offenbar Daten seiner Mitglieder an
anderer Seite weitergeben. Wer nämlich eine Seite im Internet über
Facebook aufruft, muss damit rechnen, dass persönliche Daten im Zuge
einer automatischen Personalisierung an ausgewählte, d. h. kommerziell
mit Facebook verbundene Seitenbetreiber gehen. Im Moment sind dies nur
ein paar wenige, werden aber wohl mit Sicherheit mehr.
Also, Daumen hoch bzw. "Gefällt-mir"-Button anklicken, und damit auch
für gut befunden? Mitnichten. Was sagt ein Daumen schon aus? Nicht alles
lässt sich auf die einfache "Heile-Welt"-Formel bringen, fokussiert das
Netzwerk bzw. große Akteure auch noch so sehr den Trend zur
Vereinfachung des Web. Bestimmen schließlich oberflächliche
Geschmacksurteile darüber, was in diese heile Welt passt und was nicht?
Jedenfalls ist kaum von der Hand zu weisen, dass sich hinter dieser
Vereinfachung doch auch ein gut Stück jenes Online-Kollektivismus
verbirgt, dem »Jaron
Lanier (2006) schon vor einigen Jahren die Bezeichnung digitalen
Maoismus gegeben hat.
Wem nützt das also? Mag sein, dass die Pflege von Beziehungen in einem
sozialen Netzwerk mit solchen "Gefällt-mir"-Statements "bereichert" werden
kann. Auf der großen Bühne des Web bereichern sie indessen nur
diejenigen, die damit Geschäfte machen. Hier geht es um ganz anderes als
Pflege sozialer Beziehungen, hier herrscht offener Krieg. Facebook
contra »Google? Wer ist und wird die Nummer 1
im Web? Google, mit einer
ganzen Palette von Diensten derzeit noch unangefochten an der Spitze,
muss nämlich um seine Position fürchten, wenn es der Firma nicht
gelingt, alle ihre Angebote optimal zu verknüpfen. Und bei Google sieht
man mit Argusaugen darauf, dass Videos auf der Social Sharing Plattform YouTube,
die 2006 von Google für 1,6 Mrd. US-Dollar übernommen worden ist, mehr über Facebook- und
MySpace-Accounts aufgerufen werden als über die eigentlichen
Google-Seiten.
Sarah Lacy (2009, S.2) spricht sogar davon, dass
60% der aufgerufenen YouTube-Videos von Seiten des Social Networks
»MySpace,
das im Juli 2005 vom Medienkonzern »News
Corporation (Vorsitzender: »Rupert
Murdoch) für 580 Millionen US-Dollar gekauft worden ist, aufgerufen würden.
Allerdings muss gesagt werden, dass zwischen MySpace und Google seit
August 2006 eine Kooperation besteht, die als Gegenleistung für 900 Mio.
Google-Dollars in drei Jahren die Integration des Google-Suchdienstes
und von »Google
AdSense in die MySpace-Plattform vorsieht.
Mit »Microsoft,
das seit Oktober 2007 für 240 Millionen US-Dollar
1,6-Prozent-Anteilseigner bei Facebook ist, hat Facebook einen weiteren Big
Player im Boot und bläst mit ihm zum Angriff auf die GoogleApps.
Microsoft Office soll den Facebook-Mitgliedern bald als kostenlose
Online-Version zur Verfügung stehen, sodass dann auch Texte gemeinsam
erstellt, bearbeitet und geteilt werden können.
Die "Gefällt-Sucht" (computerbild 11/2010, S.4) soll für Facebook, das
auch 2010 offenbar noch über kein kostendeckendes Geschäftsmodell
verfügt, natürlich ein einträgliches Geschäft werden. Wer so viel über
seine Nutzer weiß, wird, das wissen auch die großen Anteilseigner der
Firma wie »Mark
Zuckerberg (30 %), »Peter
Thiel (7 Prozent), »Digital
Sky Technologies (6,9 Prozent) und »Microsoft
(1,6 Prozent) genau, im hart umkämpften Markt um Werbemilliarden
schließlich die Nase weit vorn haben. Wer, außer Facebook, kennt so
genau, was den Usern gefällt. Dass Facebook von diesen Profildaten
Gebrauch machen kann, lassen sich seine Macher durch Anerkennung der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen zusichern. Darin heißt es u. a. : "Du
gibst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare,
unentgeltliche, weltweite Lizenz für die Nutzung jeglicher IP-Inhalte,
die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest." Und so wundert es
nicht, dass die Stiftung Warentest Facebook im April 2010 "erhebliche
Mängel" bescheinigt und insbesondere den Umgang mit Nutzerdaten, den
Nutzerrechten und den AGB für problematisch hält. (test, 4/2010, S. 42).
Und auch Computerbild (11/2010, S.4) sieht nur bei den AGBs leichte
Verbesserungen, in punkto Datenschutz erteilt die Zeitschrift aber
weiterhin ein "mangelhaft". So besteht für Facebook offenbar
mehr Grund als genug, insbesondere bei der Datensicherheit
nachzubessern, um nicht das wichtigste Sozialkapital des Dienstes,
nämlich Vertrauen in seine Dienstleistungen, aufs Spiel zu setzen. Von
Mai 2010 an sollen Facebook-Mitglieder sehen können, ob sich jemand
anderer an ihrem Account zu schaffen gemacht hat. Per E-Mail oder, wenn
man die Nummer angegeben hat, auch per SMS übers Handy, soll das
Mitglied über den unerlaubten Zugriffsversuch informiert werden. Wer
sogar die Geräte (Computer, Notbeooks, Handys) registrieren lässt, sorgt
dafür, dass sich jemand, der von einem anderen PC zugreifen will, mit
seinem Gerät identifizieren muss. Weitere Schutzfunktionen wie z.B.
Kontrollfragen zum Geburtsdatum sind eingebaut.
Trotzdem, Datenschützer in Deutschland und Europa bleiben alarmiert. Sie
halten Facebook vor, dass es die Grundeinstellungen zu den Nutzerdaten
in den Mitgliedskonten "fundamental zum Nachteil" der
Facebook-Mitglieder geändert habe (Artikel-29-Datenschutz-Gruppe der
EU). So bleiben z. B. zahlreiche Informationen, wenn die Einstellungen
nicht vom jeweiligen Account-Inhaber geändert würden, öffentlich
zugänglich. Das hat natürlich auch seine Gründe. Denn, so die Stiftung Warentest, in den USA spiele
der Datenschutz "traditionell eine untergeordnete Rolle, und die
wirtschaftliche Nutzung von persönlichen Daten als Gegenleistung für
einen kostenlosen Dienst akzeptieren die Amerikaner viel eher als die
Deutschen." (test, 4/2010, S. 45) Vielleicht hat auch, positiver
ausgedrückt, "die Transparenz in der amerikanischen Gesellschaft und
Kultur einen ungleich höheren Stellenwert" (SZ-Kommentar: Vertrauen
beschädigt, 16.05.10) So bleibt in europäischen Landen vielleicht ein gewisses
Risiko bei künftigen Werbeeinblendungen, die die Profildaten jedes
einzelnen Nutzers auswerten. Der "gläserne Mensch" hat, auch wenn wir
unaufhaltsam darauf zugetrieben werden, hierzulande nicht viele
Anhänger, zumindest nicht solche, die sich öffentlich dazu bekennen.
Viel Zeit bleibt Facebook aber nicht mehr zum
Anfüttern: Die Investoren, die die Firma in den letzten Jahren mit über
740 Millionen Dollar (2009 allein der Risikokapitalgeber »Digital
Sky Technologies 400 Mio. Dollar) ausgestattet haben, wollen allmählich Erträge, wahrscheinlich
in Milliardenhöhe, sehen. Die Zeiten, in denen das Wachstum
der Community erste Priorität waren, neigen sich wohl dem Ende zu. Jetzt
geht es ans Bezahlen. Vorläufig jedenfalls nur mit Profildaten und ihrer
Verwertung zu Werbezwecken. Vorerst. Gefällt's? Gert
Egle, www.teachsam.de, 16.05.2010 |
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