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Andreas Reckwitz im Gespräch: Die Gesellschaft der
Singularitäten (7-teiliger Podcast)
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https://andreasreckwitz.podigee.io/feed/mp3
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Wikipedia: Die Gesellschaft der Singularitäten
iSingularisierung ist
die Bezeichnung für ein
auf Untersuchungen von
Andreas Reckwitz
(2017) zurückgehendes soziologisches Konzept des gesellschaftlichen
Strukturwandels, "der darin besteht, dass die soziale Logik des
Allgemeinen ihre Vorherrschaft verliert an die soziale Logik des
Besonderen." (Reckwitz
2017/2019, S.11).
Singularität beschreibt dabei das Streben nach dem
Besonderen, dem Einzigartigen, dem "was als nicht austauschbar und
nichtvergleichbar erscheint" (ebd.),
aber nicht quasi naturgegeben ist, sondern "sozial fabriziert" (ebd.).
Es durchzieht dabei "sämtliche Dimensionen des Sozialen: die Dinge und
Objekt ebenso wie die Subjekte, die Kollektive, die Räumlichkeiten
ebenso wie die Zeitlichkeiten" wie ein "Querschnittsphänomen".
Immer geht es dabei um Einzigartigkeiten als Individuum, um
einzigartige Dinge, Orte oder Ereignisse, um die Einzigartigkeit
von sozialen Gruppen in ihren einzigartigen Interaktionen bis
hin zur Einzigartigkeit fundamentalistischer Gemeinschaften.
Dabei hebt sich das Konzept der Singularisierung vom Konzept der ▪
Individualisierung (vgl.
Beck 1986) ab. Dieses
beschreibt den "bis in die 1970er Jahre herrschende(n) westliche(n)
Subjekttyp", der sich als eine "sozial angepasste Persönlichkeit" (David
Riesman 1949/2001) etabliert. Seine Anpassung an das Allgemeine, das
sich bei den Angehörigen der Mittelklasse in ihrem auf
Konformismus beruhenden Lebensstil zeigt, (z. B. in den auf
gleichartiger Architektur gegründeten Reihenhauswelten), beruht
auf dem Akzeptieren universaler Regeln sowie standardisierte
Verfahren. Wenn sich hingegen die Menschen heute vor allem um
die Kultivierung ihrer eigenen Welten mit jeweils eigenen
(besonderen) Identitätskonstrukten kümmern, dann hat sich
gegenüber dem Prozess der Individualisierung etwas Grundlegendes
verändert.
Wenn postmoderne Subjekte "nach Einzigartigkeit und
Außergewöhnlichkeit" (Reckwitz (2017/2019, S.9)
streben und an alles einen ganz anderen Maßstab als bisher
legen, dann basiert dies auf einem grundsätzlichen
Strukturwandel. Der Maßstab, den die Menschen an Phänomene aller
Art anlegen, "wie man wohnt, wie man isst, wohin und wie man
reist, wie man den eigenen Freundeskreis gestaltet", nennt einen
Maßstab an. den Reckwitz den "Maßstab der Besonderung" (ebd.).
Und dieser Maßstab ist es auch, der den wesentlichen Unterschied
zur Individualisierung markiert, weil er die "soziale Logik" des
Sozialen in eine neue Richtung verschiebt und diese
Richtungsänderung auf alle sozialen Bereiche ausdehnt. Dabei
kann man darin auch das Wiederaufleben des romantischen Ideals
nach Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung sehen, deren
Vertreterinnen und Vertreter sich damit gegen die Auswüchse
eines rationalisierten, auf die Zweck-Mittel-Relation zur
Optimierung des Lebens ausgerichteten Weltbilds der Aufklärung
gestellt haben. Das quasi postromantische Ideal wird dabei seit
den 1970er Jahren vor allen von der neuen Mittelschicht gut
ausgebildeter Akademikerinnen und Akademiker getragen, die
Nutznießerin der Verbesserung der Bildungschancen und der
Aufwertung von Bildung ist.
Dabei ist es keineswegs so, dass der Wunsch nach Einzigartigkeit
etwas ist, was das einzelne Individuum anstrebt. Was es die
Singularisierung antreibt, sind stattdessen die
gesellschaftlichen Erwartungen, die dahinter stehen. Um sie zu
erfüllen, wird das Leben im Modus der Singularisierung nicht einfach
gelebt, sondern kuratiert. Dabei macht es die
bewusste Auswahl für und die Präsentation des jeweils als
besonders Geltenden aus, dass die Sorgfalt, mit der das eigene
Leben in Bezug auf das Singuläre "betreut" und "verwaltet" und
in entsprechende Narrative eingepflegt wird, als Kuratieren
bezeichnet wird.
Für
Reckwitz (2017/2019, S.9) "performed" das spätmoderne
Subjekt sein vermeintlich besonderes Selbst vor allen anderen,
die damit zum Publikum werden: "nur wenn es authentisch wirkt,
ist es attraktiv." (ebd.).
Bei seiner Performance
in dieser "Kultur des Authentischen" und "Kultur des
Attraktiven" (ebd.,
S.10) sind die sozialen Medien und die darin zur Schau gestellten
Profile ungeheuer wichtig. Sie werden zu "zentralen Arenen dieser Arbeit an der
Besonderheit" (ebd.,
S.9), weil auf diesem "umfassenden sozialen Attraktivitätsmarkt" (ebd.)
der "Kampf um Sichtbarkeit" (ebd.)
besonders intensiv ausgetragen wird.
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Andreas Reckwitz im Gespräch: Die Gesellschaft der
Singularitäten (7-teiliger Podcast)
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Wikipedia: Die Gesellschaft der Singularitäten
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
24.01.2025