In der nachfolgenden Tabelle haben wir - ohne Anspruch auf
Vollständigkeit - wichtige Argumente zusammengetragen, die in der
Debatte um E-Partizipation vorgebracht werden. Die Liste wird nach
Bedarf erweitert.
Pro E-Partizipation |
Contra E-Partizipation |
Das Internet besitzt mit den darüber
verfügbaren Formen der modernen Informations- und
Kommunikationstechnik das Potenzial, die politische
Partizipation der Bürgerinnen und Bürger auf das Ideal einer
Selbstregierung des Volkes weiterzuentwickeln. (net
empowerment) |
Das Internet ist, an sich betrachtet, weder
demokratiefreundlich noch demokratieförderlich. Genauso wie es
zur Weiterentwicklung der demokratischen Partizipation und der
demokratischen Qualität eingesetzt werden kann, lässt es sich
zur Unterdrückung in Diktaturen und autoritären Regimes
verwenden. (vgl.
Kneuer 2014, S. 198) |
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Entscheidend sind letzten Endes nicht
zweifelhafte Mehrheiten, sondern die Tatsache. dass jemand die
politische Verantwortung trägt. Politiker könnten sich ansonsten
"hinter der Mitmach-Fassade in einer pseudo-partizipativen
Scheindemokratie" verstecken. (vgl.
Miessen/Grassegger 2012) |
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E-Partizipation erhöht die soziale
Selektivität, weil sie die vorhandene Ungleichheit nach Alter,
Geschlecht und Einkommen bei der Nutzung der neuen Informations-
und Kommunikationstechniken (digital divide) noch verstärkt. |
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E-Partizipation führt zu einer weiteren
Fragmentierung der Öffentlichkeit und damit zu einer
Aufsplitterung der öffentlichen Meinung, die kaum mehr gebündelt
werden kann. (vgl.
Decker u. a.
2013, S.130) |
Die Entwicklung der modernen Informations- und
Kommuniktationstechnologien (IKT) bringt neue niederschwellige
Formen der Online-Partizipation hervor, die "interessens- und
ereignisgetrieben" (Köcher/Bruttel
2011, S.18) Möglichkeiten bieten, sich politisch zu
beteiligen. Dazu gehören auch Formen wie favoriting (z.B. "Liken")
oder retweeting ("Tweeten" und "Retweeten" über twitter). |
E-Partizipation führt zu einer neuartigen
partizipatorischen Kluft (participatory
divide), weil es insbesondere den Jüngeren mehr
niederschwellige Partizipationsformen mit symbolischer
Beteiligung geht, mit der man
ein Zeichen setzen kann (Stichwort u. a. "Liken"), ohne
dabei den höheren Aufwand zu haben, der für die Einflussnahme
auf die Politik nötig wäre. (vgl.
Ritzi u.a. 2012, vgl.
Kneuer 2014) |
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Die im Zuge der E-Partizipation öffentlich
gemachten Informationen und Daten werden der Verfügungsgewalt
privater Unternehmungen überlassen. vgl.
Decker u. a.
2013, S.130) |
Über E-Partizipationspfade beteiligen sich mehr
Menschen als sonst an politischen Entscheidungen. |
Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass sich
politisch nicht-interessierte Bürgerinnen und Bürger über
netzbasierte Formen der politischen Partizipation eher politisch
beteiligen würden. (vgl.
Decker u. a.
2013, S.129) |
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E-Partizipation stellt für die ohnehin schon
politisch Aktiven eine weitere Informationsquelle dar und bietet
ihnen einen Raum für ihren Meinungsaustausch. (vgl.
Decker u. a.
2013, S.129) Dadurch entsteht eine klare partizipatorische Kluft (participatory
divide). |
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Ob sich durch E-Partizipation mehr Menschen
bewegen lassen, sich politisch zu beteiligen, kann nur
differenziert beantwortet werden. In Bezug auf die
Informationsbeschaffung und Informationskonsum hat das Internet
den Nutzerkreis insgesamt erweitert und bei schon proaktiven
Informationssuchern intensiviert. Eine höhere Teilnahme an
politischen Diskursen im Sinne deliberativer Beratung ist
hingegen kaum festzustellen. Eine erhöhte Bereitschaft, sich
politisch zu beteiligen, ist nicht erkennbar. (vgl.
Emmer u. a. 2011, S.302) |
Die E-Partizipation kann die
Ermüdungserscheinungen, Krisen, Defizite und Fehlentwicklungen
der repräsentativen Demokratie beseitigen. |
Das Internet und die modernen Informations- und
Kommunikationstechnologien können die auf Grund
unterschiedlicher Ressourcenstärke bei verschiedenen
Bevölkerungsgruppen existierende Ungleichheit bei der
politischen Partizipation nicht beseitigen. (vgl.
Kneuer 2014, S. 204) |
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Allerdings können unter bestimmten Umständen
Online-Partizipationsformen die demokratische Qualität der
Entscheidungen und die Demokratiezufriedenheit der Bürger in der
repräsentativen Demokratie erhöhen, ohne dass die Institutionen
der repräsentativen Demokratie geschwächt und die notwendig
demokratisch-repräsentativ verlaufenden Entscheidungsprozesse
unterspült werden. (vgl.
Kneuer 2014, S. 204) |
Die E-Partizipation schafft mit den über
digitale Formate und elektronische Kommunikation umfassend
verfügbar gemachten Datenbeständen aus sämtlichen Bereichen der
Politik und Verwaltung (→E-Information)
neue Möglichkeiten zur Kontrolle, die bisher vor allem den
Massenmedien als so genannte "vierte Gewalt" zugesprochen worden
ist. (vgl.
Decker u. a.
2013, S.131) (→E-Transparenz).
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Forderungen nach vollständiger Transparenz
kollidieren damit, dass Führung in einem
arbeitsteilig-hierarchisch organisierten Politikbetrieb, ohne
geschützte Räume nicht funktionieren kann. (vgl.
Decker u. a.
2013, S.132) |
Die als Teil der E-Partizipation notwendige →E-Transparenz
verbessert nachweislich die Qualität der getroffenen
Entscheidungen und verbessert das Vertrauen der Bürgerinnen und
Bürger in Staat und Regierung. (vgl.
Decker u. a.
2013, S.131) |
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Mehr direktdemokratische Einflussmöglichkeiten
wirken sich sehr wahrscheinlich positiv auf die politische
Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger aus (vgl.
Decker u. a. 2013, S.125) |
Wenn mehr Abstimmungen stattfinden, bedeutet
dies noch nicht, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auch
anderweitig politisch engagieren. (Drewitz
2012) Es ist sogar davon auszugehen, dass die politische
Partizipation insgesamt gleich bleiben wird (Nullsummenspiel).
(vgl.
Decker u. a.
2013, S.125) |
Das Potenzial der E-Partizipation kann sich
unter den heutigen Bedingungen am besten im kommunalen Bereich
entfalten. Dort können z. B. kommunale Planungsprozesse
transparenter gemacht und der Diskurs darüber unter den
Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Konsultation durch die
zuständigen Politiker und Behörden die Legitimitätsempfindungen
der Bürgerinnen und Bürger gegenüber solchen Entscheidungen
verbessern. (vgl.
Kneuer 2014, S. 204) |
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Vorstellungen, wonach das Internet eine
E-Demokratie nach dem Muster eines "elektronischen Athen"
schaffen könnte, überfordert die Bürgerinnen und Bürger "mit
einem Beteiligungsdiktat". (Kneuer
2014, S. 204) |
Nach dem Konzept der von den »Piratenpartei
in Deutschland vertretenen "→Liquid
Democrazy", das eine neue Form der Demokratie zum Kern hat,
"in der verschiedene 'starre' Begrenzungen 'verflüssigt' werden"
(Liquid Democrazy e. V.,
Liquid Demorazy) soll es gelingen, zu einer demokratischen
Herrschaftsform zu gelangen, bei der die "Herrschaftsausübung zu
jederzeit mit dem zählbaren Volkswillen übereinstimmt: eine
totale Identität der Gesellschaft mit ihren Herrschaft
ausübenden Institutionen" (Vogelmann
2012, S.109, zit. n.
Decker u. a. 2013, S.132) |
Die Demokratievorstellung der Piraten ist
ideengeschichtlich eigentlich überholt. Es handelt sich um den "bekannte(n)
antirepräsentationale(n) Traum nach Unmittelbarkeit mit allen
seinen problematischen Konsequenzen" (Vogelmann
2012a) und scheitert als egalitäre Utopie einer
partizipativen Technokratie daran, dass sich nicht alle
Mitglieder einer Gesellschaft gleichermaßen beteiligen wollen.
(vgl.
Decker u. a.
2013, S.132) |