Das
»Wahlrecht,
wie es heute alle wahlberechtigten Männer und Frauen in unserer
Demokratie besitzen, ist historisch in langen und z. T. äußerst heftig
geführten Auseinandersetzungen mit den Inhabern und (sozialen) Trägern
politischer und staatlicher Gewalt in früheren Zeiten errungen worden.
Ehe dieses allgemeine Wahlrecht Wirklichkeit
werden konnte, musste es
den jeweils Herrschenden ebenso abgetrotzt werden wie gegen die
Besitzenden, die es lange allein für sich beanspruchten, oder gegen die
Männer durchgesetzt werden, die den Frauen diese Form der politischen
Teilhabe aus ideologisch gerechtfertigten, rassistischen Gründen lange
Zeit verwehrten.
Dabei war das Ziel von Wahlen: Wer als Person oder Personengruppe
stellvertretend für seine Wählerinnen und Wähler politische
Entscheidungen treffen und damit Herrschaft ausüben wollte, musste
diesen Auftrag, sein Mandat, vom Wahlvolk erhalten, das er in einem
dafür vorgesehenen Organ (z.B. einem Parlament) repräsentierte.
Vor dem 20. Jahrhundert durften in vielen Ländern, in denen überhaupt
Wahlen zur Herrschaftslegitimation durchgeführt wurden, nur Personen
wählen, die einem bestimmten Stand angehörten, ein bestimmtes Vermögen
besaßen, über eine festgelegte Form von Bildung verfügten oder eine
bestimmte Höhe von Steuern bezahlten (»Zensuswahlrecht).
Durch diese Beschränkungen des Wahlrechts konnte nur ein relativ
geringer Teil der Bevölkerung, die Reichen und Wohlhabenderen und die so
genannte Bildungselite überhaupt zur Wahl gehen und damit dafür sorgen,
dass Abgeordnete gewählt wurden, die ihre eigenen Interessen vertraten.
Und auch der erste Schritt zu einem allgemeinen Wahlrecht war noch
einer, der in den von Männer dominierten Gesellschaften
(patriarchalische Gesellschaften) die Frauen weiterhin von den Wahlurnen
ausschloss. Das galt auch für die Vorreiter des allgemeinen
Männerwahlrechts wie die USA (seit 1830), die Schweiz (1848) und das
Deutsche Reich (1871).
Allerdings gab es 1848 bei den Wahlen zur »Frankfurter
Nationalversammlung schon die ersten Wahlen, die in Deutschland nach
dem allgemeinen Wahlrecht für Männer durchgeführt wurden, aber das war
nur ein kurzes Zwischenspiel.
Otto von Bismarck (1815-1898), der spätere Reichskanzler im »Deutschen
Kaiserreich (1871-1918) führte schon 1867 im »Norddeutschen
Bund das allgemeine Männerwahlrecht ein. Das war allerdings reines
Kalkül. Er hoffte nämlich darauf, dass die Leute auf dem Land eher die
konservativen Parteien wählten und den Liberalen ihre Zustimmung
versagten. Was er nicht wollte: Die Einführung des allgemeinen
Männerwahlrechts führte sehr bald zum Aufstieg der »Sozialdemokratie,
hinter der sich Millionen von Wählern aus dem vorwiegend städtischen
Proletariat sammelten. Mit verschiedenen Mitteln (z. B. die ungleiche
Einteilung der Wahlkreise, aber auch politischer Unterdrückung mit den »Sozialistengesetzen)
versuchte Bismarck dieser Entwicklung noch entgegenzusteuern. Im 1871
neugegründeten Deutschen Reich gab es von Anfang an ein allgemeines
Männerwahlrecht. Dieses Wahlrecht galt allerdings nur für die
Reichsebene, den Bundesstaat und seine Organe wie den Reichstag. In »Preußen,
dem wichtigsten Einzelstaat, wurden die abgegebenen Stimmen immer noch
nach dem Steueraufkommen des Einzelnen unterschiedlich gewichtet (»Dreiklassenwahlrecht).
Auch in anderen Staaten des Deutschen Reiches gab es diskriminierende
Regeln, die das allgemeine Wahlrecht ausgehebelt haben.
Das Wahlrecht, wie wir es heute in den demokratischen Staaten der Welt
haben, setzte sich in Europa vor allem nach dem Ersten Weltkrieg (ab
1918) durch. In vielen Ländern wurde durch »Einführung
des Frauenwahlrechts,
das sich die Frauen überall erkämpfen mussten, das allgemeine Wahlrecht
für Männer und Frauen eingeführt. Die öffentliche Kontroverse, die
darüber geführt wurde, zeigt aber auch, dass es dabei um mehr als nur
das Wahlrecht der Frauen ging, das von vielen abgelehnt wurde, weil es
angeblich gegen die natürliche Bestimmung der Frau verstoße, die sich in
der äußeren männlichen Welt der Politik nicht zurechtfinde und nicht
unabhängig urteilen könne. Dass auch in vielen Staaten, die islamisch
geprägt sind (in der Türkei schon 1930!), inzwischen – in manchen
allerdings erst nach der Jahrtausendwende – auch Frauen das Wahlrecht
zugestanden bekommen haben, zeigt, dass Frauen heutzutage nicht mehr
ohne weiteres bei politischen Entscheidungen ausgeschlossen bleiben.
Das
Wahlalter wurde meistens an die gesetzliche Volljährigkeit
eines Staatsbürgers geknüpft. Anfangs lag diese bei 24 Jahren, dann
lange Zeit bei 21 Jahren. Heute ist das vollendete 18. Lebensjahr als
Wahlalter am meisten verbreitet.
Nach dem Ende des »Ersten
Weltkrieges (1914-1918) und der Abdankung des letzten deutschen
Kaisers, »Wilhelm
II. (1859-1941, Kaiser von 1888 bis 1918) konnten bei den Wahlen zur
»Weimarer
Nationalversammlung im Jahre 1919 erstmals auch die Frauen ihre
Stimme abgeben. In der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur in
Deutschland (1933-1945) hatten Wahlen keine demokratische Funktion mehr.
Zudem verloren die Juden verloren das Wahlrecht.
Die Grundsätze für die Wahl in der Bundesrepublik Deutschland (seit
1949) sind im Grundgesetz aufgelistet, Details der Wahl bestimmt das
Bundeswahlgesetz.
In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR, 1949-1989) dienten die
durchgeführten Wahlen, die zwar allgemein, aber weder frei noch wirklich
geheim waren, zur plebiszitären Bestätigung der Einparteiendiktatur der
SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands), zu der es keine
politischen Alternativen gab.