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Linke und rechte Orientierungen

Jugendliche zwischen links und rechts

 
 
 

Jugendliche ordnen sich, verglichen mit der Gesamtbevölkerung, traditioneller Weise "etwas weiter links ein". (Schneekloth 2010., S,134) Und: je höher ihr angestrebter Schulabschluss, desto eher tun sie das, je niedriger dieser ist, desto eher streben Jugendliche der Mitte zu. (ebd., S,134)

"Ich wusste nicht, dass man die, die halt nicht gegen Ausländer sind, links nennt"

Wenn man unter Jugendlichen weiter nachfragt, ist oft in keiner Weise klar, was Links-Sein eigentlich bedeutet bzw. bedeuten könnte.
Antworten darauf bewegen sich oft

  • zwischen "Ich wusste nicht, dass man die, die halt nicht gegen Ausländer sind, links nennt" (Wächter 2004, S.9),

  • der Nennung der Linkspartei und

  • Äußerungen, die nur wenig politisch klingen: "Links, das sind Dreadlocks und wenn man Joints raucht, keinen militärischen Haarschnitt hat und eher locker drauf ist." (zit. n. Brie/Spehr 2006, S.6.f.)
    Vielleicht fällt dann auch noch der Name »Che Guevaras (1928-1967), des zur Pop-Ikone linken Lifestyles umgedeuteten kubanischen Revolutionärs.

Jugendliche ordnen sich ungern auf der Links-rechts-Skala ein

Unter Jugendlichen besteht eine "hochgradige Unsicherheit im Gebrauch der beiden Begriffe »links« und »rechts«". Zugleich betonen sie auch immer wieder, dass sie in ihrem "großen Unbehagen im Gebrauch der Links-Rechts-Skala" damit "ihre eigene politische Selbstbeschreibung" nicht vornehmen können oder wollen. (Wächter 2004, S.15ff., Hervorh. d. Verf.)

  • Die Jugendlichen sind  "derzeit noch" mit dem politisch etablierten Links-Rechts-Code in Gesellschaft und politischer Kultur durchaus vertraut und verfügen über ein breites Bedeutungsspektrum dazu (vgl. Wächter 2004, S.16). (→Linke und rechte Orientierungen: Handlungen und Handlungsmuster)

  • Jugendliche ordnen sich, verglichen mit der Gesamtbevölkerung, traditioneller Weise "etwas weiter links ein". (Schneekloth 2010., S,134) Und: je höher ihr angestrebter Schulabschluss, desto eher tun sie das, je niedriger dieser ist, desto eher streben Jugendliche der Mitte zu. (ebd., S,134)

  • Zugleich ist den jungen Leuten oft in keiner Weise klar, was Links-Sein eigentlich bedeutet. Oft vermengen sich Politik und Lifestyle miteinander. ("Links, das sind Dreadlocks und wenn man Joints raucht, keinen militärischen Haarschnitt hat und eher locker drauf ist." (zit. n. Brie/Spehr 2006, S.6.f.) Vielleicht fällt dann auch noch der Name »Che Guevaras (1928-1967), des zur Pop-Ikone linken Lifestyles umgedeuteten kubanischen Revolutionärs.

Aber nicht nur Jugendliche wissen oft nicht, was sie mit der Raummetaphern links und rechts genau anfangen sollen. Manche Erwachsene, die vor einiger Zeit noch glaubten, dass die Begriffe links und rechts zu den "grundlegenden und bedeutungsstiftenden Kriterien des politischen Diskurses" gehörten, zählen sie schon seit längerem "zum ideologischen Schrotthaufen", der eigentlich schon längst "ins große Wachsfigurenkabinett" müsste. (Marco Revelli 1990, zit. n. Bobbio 1994/20046, S.7)
Schelte der Jugendlichen, weil sie mit links und rechts nicht viel anfangen können, sollte sich damit erübrigen. Nicht aber die Frage, ob es sinnvoll ist, mit dem Links-rechts-Schema umgehen zu können.

Was gilt als eher links, was als eher rechts?

Trotz ihres Unbehagens im Umgang mit der Rechts-links-Polarität wissen Jugendliche "derzeit noch" mit dem politisch etablierten Links-rechts-Code in Gesellschaft und politischer Kultur etwas anzufangen. Sie verfügen auch über ein breites Bedeutungsspektrum dazu (vgl. Wächter 2004, S.16).
Andererseits ordnen sie sich selbst aber auch oft, weil sie offenbar nicht als politisch unwissend dastehen wollen, in der Mitte ein. Und: Sie tun dies um so mehr, je weniger sie sich für Politik interessieren. Die "goldene" Mitte ist eben dann da, wo man eigentlich nichts falsch machen kann.

Studierende, die Mitte der 1990er Jahre befragt wurden, was für sie links und rechts sei, beantworteten die Fragen besonders häufig damit (vgl. Demirovic 1997) :

links

rechts

  • sozial (19% der Angaben zu links)

  • ökologisch (11%)

  • SPD (9%)

  • sozialistisch (9%)

  • kommunistisch (9%)

  • Weltoffenheit (8%)

  • liberal, individuell (8%)

  • Grüne (7%)

  • progressiv (5%),

  • konservativ (24% der Angaben zu rechts)

  • Vertretung der Besitzenden (11%)

  • nationalistisch (10%)

  • CDU/CSU (9%)

  • rechtsextrem (7%)

  • traditionsorientiert (7%)

  • REPs (6%) (=Partei: Die Republikaner)

  • Ausländerhass (5%)

  • Machtorientierung (5%)

  • Starrheit (4%)

Zwischen den beiden Lagern wird dadurch eine deutliche Polarität erkennbar: "Der sozialen, fortschrittlichen, ökologischen, weltoffenen Position auf der Linken wird die konservative, traditionalistische, besitz- und machtorientierte sowie nationalistische und fremdenfeindliche Position auf der Rechten gegenübergestellt. Der konventionelle Gegensatz wird vor allem durch den linken Wertakzent, den die Ökologie erhält, erweitert." (ebd.)

Wie werden die Elemente der Linken oder Rechten zugeordnet?

Was die Studierenden in der obigen Befragung für eher links oder eher rechts hielten, ist einfach linear aufgelistet. Interessant wird es aber vor allem, wenn man die Angaben in gruppenbezogene und themenbezogene (ideologische) Merkmale unterteilt.

  • Die gruppenbezogene Komponente bezieht sich auf gesellschaftliche Gruppen, vor allem Parteien, die in einem Links-rechts-Schema eingeordnet werden.
    Die Einordnung der Parteien in einem eindimensionalen Schema ist verglichen mit der an Inhalten orientierten themenbezogenen (ideologischen) Komponente natürlich vergleichsweise einfach. (vgl. Wächter 2004, S.13, 15). Sie ist aber auch bei Jugendlichen nicht beliebt, weil sie ja ohnehin oft beklagen, dass die Parteien sich viel zu wenig voneinander unterscheiden. (vgl. ebd., S.15)
  • Lieber ist den Jugendlichen, wenn sie, das was rechts oder links ist, themen-, ideologie- oder wertbezogen angehen können. Sie wollen ihre Vorstellungen davon, "mit Leitbildern wirtschaftlicher, sozialer, politischer und kultureller Ordnung" in Verbindung bringen (Jagodzinski/Kühnel 1994, S. 350, zit. n. ebd., S.13).
    Bei dieser themenbezogenen bzw. ideologischen Komponente ist die Bandbreite groß. Sie umfasst generelle und spezifische gesellschaftliche Wertorientierungen und hangelt sich an bestimmten gesellschaftlichen Konfliktlinien entlang.
    Dabei kommen durchaus ähnliche Begriffe zur Sprache wie in der obigen Umfrage aus den 1990er Jahren, ergänzt um weitere  "Issues" wie z. B. Ökologie, Gleichberechtigung und Multikulturalität.

Ausländerfeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit sind oft die wesentlichen Anker in der Links-rechts-Polarität

Eine besondere Bedeutung für Jugendliche hat die Bipolarität von Ausländerfeindlichkeit und Ausländerfreundlichkeit. Sie gewinnen den Begriff der Multikulturalität oft aus dem ex negativo zu Ausländerfeindlichkeit gebildeten Begriff der Ausländerfreundlichkeit. Weitaus wichtiger ist allerdings, dass "ausländerfeindlich" zum "wesentlichen Anker bei ihrer Beschreibung der Links-Rechts-Skala [...] und ihr Ausgangspunkt für Erklärungen" dessen ist, was als rechts gilt. (ebd., S.15) Wenn ein befragter Hauptschüler erklärt: "Hauptsache, ich kenn mich bei rechts aus, Mann. Ich weiß gar nicht, was links bedeutet." (Jagodzinski/Kühnel 1994, S.321, zit. n. ebd), dann bringt diese Aussage eine überraschende Tatsache zum Ausdruck: Jugendliche verstehen eher, was "rechts", Erwachsene dagegen eher, was  "links" bedeutet. (vgl. ebd.) So zieht Franziska Wächter (2004, S.15) das folgende Resümee, bei dem sie einmal mehr die jungen Leute selbst zu Wort kommen lässt: "Jugendliche bestehen auf einer differenzierten, themenbezogenen Betrachtung und Bewertung von Politik. Sie empfinden die Verwendung von »links« und »rechts« als »ungebräuchlich«, akzeptieren zwar, dass Politik sich nun mal - wenn auch zunehmend verschwommen - dieser Begriffe bedient, für sie selbst und das Ausdrücken der eigenen politischen Meinung eignen sich »links« und »rechts« jedoch nicht. »Also für mich macht diese Unterscheidung in links und rechts so wenig ... ist so wenig aussagekräftig. Wenn ich jetzt ein Thema hab und, ähm, ich stell mich auf eine Seite, dann ist es mir egal, ob das die linke oder die rechte Seite ist, sondern die, mit der ich mich identifizieren kann. Und das ist oft ... das ist sowieso schon schwierig, weil's Themen gibt, bei denen man so oder so argumentieren kann, wo man mich dann so oder so überzeugen kann. Und deswegen ist es wirklich schwierig." In der Tat: Wer sich als links einschätzt, "gibt also - wie die Gegensätzlichkeit der Bedeutungen zeigt - zunächst einen deutlichen Hinweis auf die Ablehnung von rechten Ideologemen." (Demirovic 1997)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 28.07.2016

 

 
   
   Arbeitsanregungen:
  1. Notieren Sie - einzeln oder in der Arbeitsgruppe (z. B. als →Placemat-Aufgabe) - schnell und ohne lange zu überlegen:

    • eine Person, die für sie links, und eine Person, die für sie rechts ist

    • ein historisches Ereignis, das für sie links und eines, das für sie rechts ist

    • eine Organisation, die für Sie links und eine, die für sie rechts ist

  2. Führen Sie eine Umfrage in Ihrer Klasse/Ihrem Kurs/Ihrer Klassenstufe in der Schule oder als Straßeninterviews durch mit den gleichen Fragen durch. (ggf. Videoaufnahmen mit entsprechender Auswertung und Präsentation).

  3. Wie beurteilen Sie das Umfrageergebnis unter den Studierenden aus den 1990er Jahren unter Ihrer heutigen Perspektive?

  4. In welchen Abstufungen zeigen sich linke und rechte Orientierungen in der politisch-gesellschaftlichen Praxis. Finden Sie Beispiele.

 

 
     
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