docx-Download -
pdf-Download
Affenliebe,
im wörtlichen Sinne die Art der Liebe, wie sie die Affen ihren Kindern
und Pfleglingen zeigen. Den Äußerungen nach muss bei dieser Tiergattung
die Liebe zu ihrer Nachkommenschaft in dem höchsten denkbaren Grad
vorhanden sein. Plinius erzählt, dass die Äffinnen ihre Jungen zuweilen
aus lauter Liebe zu Tode drücken. Brehm (vgl. Brehm's Tierleben)
bezweifelt zwar jene Behauptung, bestätigt aber das Vorhandensein eines
hohen Grades von Liebe durch die Versicherung, dass der Tod des Kindes
in den meisten Fälle, in der Gefangenschaft aber fast regelmäßig, den
Tod der Affenmutter zur Folge habe. Zeigen die Menschen gegen ihre
Kinder einen ähnlichen Grad natürlicher, oft vernünftiger Liebe, so
spricht man ebenfalls von Affenliebe. Sie äußert sich darin, dass die
Kinder nur zum Gegenstand der Bewunderung und Liebkosung gemacht werden
und sozusagen zum förmlichen Spielzeug der Kinder herabsinken. Alles,
was die Kinder tun, wird ungeprüft gutgeheißen, belächelt, gelobt, über
kindliche Fehler drückt man die Augen zu, anstatt sie abzustellen; Lüge
und Betrug nennt man Klugheit, Stolz und Überhebung heißt
Selbstbewusstsein, vorlautes Geschwätz gilt als genialer Einfall u.
dergl. m. Affenliebe ist ein rechter Krebsschaden in der Erziehung;
nicht nur, dass sie selbst jedwede Anwendung weiser Zuchtmittel
verschmäht, sie kämpft auch gegen ihre Handhabung von seiten der
Schulerzieher an; sie erzeugt auf geradestem Wege jene »verhätschelten
Naturen«, denen Dünkel, Widerspenstigkeit, Haltlosigkeit eigen sind und
jede ernsthafte Auffassung des Lebens abgeht. Verhätschelte Menschen
fallen gemeiniglich als Opfer ihrer Begierden und Leidenschaften oder
werden im günstigsten Fall erst durch die bitteren Erfahrungen gerettet,
welche ihrer in der Schule des Lebens warten, Affenliebe findet man
weniger häufig in zahlreichen Familien als da, wo nur ein Familienspross
sich vorfindet. Das Wort »Muttersöhnchen« deutet auf das Vorhandensein
dieser fehlerhaften Neigung hin. Treten derartig verzogene
Muttersöhnchen in die Schule ein, so wird der Lehrer eine schwere
Stellung haben, aber er wird sich nicht abschrecken lassen dürfen, die
einzigen Heilmittel, Anwendung weiser und strenger Zucht, Gewöhnung an
ernste Arbeit und völlige Gleichstellung den übrigen Schülern gegenüber
mit Konsequenz, ohne Härte, zur Durchführung zu bringen.
(aus:
Rutschky, 8. Aufl. 2001, S.41f., dort zit. n. Petzoldt, E. (Hg.)
(1874): Handwörterbuch für den deutschen Volksschullehrer, 2. Bde., Bd.
1, Dresden 1874, S.13f.)
docx-Download -
pdf-Download
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
14.12.2023