Morgens.
Gott! - Unendlicher! Allmächtiger! So viele Menschen beten zu Dir; und
Du erhörst sie; höre auch meine Bitte. Gerecht und gut, verständig und
geschickt möchte ich werden. Meinen guten Eltern, denen ich alles zu
danken habe, möchte ich Freude machen. Aber ich vergesse zuweilen, was
ich tun muss, und was meine Eltern wollen. Gib du, gütiger Vater, mir
immer mehr Verstand! Lass mich nicht älter werden, lass mich nicht
länger leben, ohne täglich besser und klüger zu werden [...]
Abends.
Ich danke euch, meine lieben Eltern, dass ihr mir ein Bett gegeben habt,
worin ich nun ausschlafen kann. Sonst müsste ich auf der harten Erde
schlafen. Ich danke euch auch, dass ihr mir zu essen und zu trinken
gegeben habt, als ich durstig und hungrig war. Ihr müsst mich mich wohl
recht lieb haben, dass ihr das tut, denn es zwingt euch niemand dazu.
Wenn ihr nur immer gleich freundlich und zufrieden mit mir wäret! Morgen
will ich mich recht gut aufführen, und recht fleißig sein, und recht
zuhören, wenn ich lerne. Der liebe Gott, der auch mich gemacht hat, und
euch und alle die anderen Menschen auch, und der das Essen und Trinken
hervorbringt, der wird mich wohl auch gut schlafen lassen, und machen,
dass ich morgen gesund und lustig aufwache, und dass mir das Lernen
nicht gar zu schwer wird.
(aus:
Rutschky, 8. Aufl. 2001, S.12f., dort zit. n. Herbart, J. F. Aus der
Hauslehrerzeit in der Schweiz. Gebete für die Steigerschen Knaben, in:
J. F. Herbart, Sämtliche Werke, Bd. 1, S.72f.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
14.12.2023