Der ▪
kompetenzorientierte Unterricht
verlangt, so wird immer wieder betont, einen "zentralen
Perspektivenwechsel in der Rolle von Lehrpersonen" (Weirer/Paechter
2019, S. 35f.), die "neue" Anforderungen an das
Rollenverständnis und das Lehrerverhalten als Ganzes gegenüber
traditionell instruktionistischen, input-geprägten und
lehrerzentrierten Unterrichtskonzepten stellt: "Die zuvor
instruierende Lehrperson wird zur Lernbegleiterin bzw. zum
Lernbegleiter, die bzw. der Lernprozesse unterstützt." (ebd.)
Dabei wurden
Konzepte, die schon im Rahmen des sog. ▪
offenen
Unterrichts mit seinem ▪
erweiterten Lern- und Leistungsbegriff
und seinem Ziel, möglichst viele Handlungsspielräume für das Lernen
zu eröffnen, reformuliert und mit der Kompetenzorientierung des
Lernens neu gerahmt.
Zudem wurde
erkannt, welche Bedeutung das Menschenbild für die jeweils
von einer Lehrperson eingenommenen Lehrerrolle hat. Die, um es in
der Terminologie der humanistischen Psychologie »humanistische
Psychologie von »Carl
R. Rogers (1902-1987) ausdrücken, fortan gewünschte
personenzentrierte Einstellung
zu den Schülerinnen und Schülern zielt darauf, eine "echte
Beziehung" zwischen Schüler*innen und Lehrkräften herzustellen.
"Diese drückt sich zunächst einmal in einem grundlegenden
Vertrauen in die konstruktiven Kräfte, in das natürliche
Wachstumspotential und die 'innere Weisheit' einer jeden
Person aus. Personenzentrierte Erzieher (Eltern, Lehrer oder
Gruppenleiter usw.) geben ihre Rolle als 'Belehrer' weitgehend auf.
Sie entwickeln stattdessen eine Haltung, in der sich als 'facilitator'
sehen, als jemand der selbstbestimmtes und bedeutungsvolles Lernen unterstützt und
fördert (to facilitate: erleichtern, fördern)." (Teml
41994,S.24).
Dementsprechend
muss auch in der Schule gelten, dass vertrauensvolle Beziehungen zwischen Erwachsenen und
Jugendlichen nur dann wachsen, wenn die Jugendlichen wirklich
als eigenständige Personen wahrgenommen werden und nicht zum
"Erziehungsobjekt" degradiert sind.
Gefordert ist "eine Begegnung von Person zu Person,
die durch Echtheit, einfühlendes Verstehen und
Wertschätzung von seiten der Erzieher gekennzeichnet ist." (ebd.)
Damit Lernprozesse positiv verlaufen können, muss der
Kommunikationsraum, in dem sie stattfinden, von einem positiv
gestalteten zwischenmenschlichen Klima gekennzeichnet sein, an
dessen Gestaltung die Lehrkräfte einen wichtigen Anteil haben.
In einem solchen Klima müssen die Schülerinnen und Schüler das
Gefühl haben,
-
dass sie als
Personen mit ihren individuellen Eigenarten angenommen werden
-
dass auf ihre
inneren Kräfte vertraut wird
-
dass ihre
Innenwelt akzeptiert, einfühlsam verstanden und nicht bewertet
wird.
Die wichtigste Erkenntnis: Der Lernerfolg von Schülerinnen und
Schülern ist weniger von dem Ausmaß der Strukturierung und Lenkung
als von einem förderlichen Lernsetting einschl. dem Klassenklima und
besonders von der wertschätzenden Haltung der Lehrperson abhängig,
die sie dem / den Schüler/n gegenüber einnimmt.
Dementsprechend "[entscheidet] "nicht das Maß an Strenge oder
Liberalität [...] darüber, ob ein Unterricht gut ist, sondern die
Frage, ob die Lehrkraft Kontakt mit den Schülern herstellen und ihre
Aufmerksamkeit binden kann." (Bauer 2007,
S. 64f.)
Joachim Bauer
hat für die wertschätzende Haltung einer Lehrkraft den Begriff der
verstehenden Zuwendung entwickelt, bei der eine zu Spontaneität und
Authentizität fähige Lehrperson die Balance zwischen zwischen
verstehender Zuwendung und Führung halten muss.
"Verstehende Zuwendung bedeutet, den
einzelnen Schüler nicht nur unter dem Aspekt seines schulischen Könnens
(oder seiner schulischen Schwächen) zu sehen, sondern auch und vor allem
als Person, das heißt seine Motive, sein Bemühen, sein Verhalten, seine
emotionalen Stärken ebenso wie seine problematischen Seiten
wahrzunehmen. Dabei vermeidet sie Kränkungen, Demütigungen und
Bloßstellungen. Führung bedeutet die Notwendigkeit, Werthaltungen
zu vertreten, Ziele zu formulieren, Schüler zu fordern, als Lehrkraft
mutig zu diesen Forderungen zu stehen und Kritik zu üben, Schülerinnen
und Schüler dabei aber Mut zu machen und sie in ihren Anstrengungen zu
unterstützen." (Bauer
2007, S. 54)
Ohne eine Haltung des Lehrers, die auf der Wertschätzung des
einzelnen Schülers als Person, unabhängig von Bedingungen,
beruht, kann das für erfolgreiches Lernen nötige Klima nicht
entstehen.
(vgl.
Teml
41994,S.43)
Lernen erfolgt nie ohne Beteiligung von Gefühlen. Oftmals
müssen Rückschläge und Misserfolge auf dem Weg zum Ziel
verarbeitet werden, um überhaupt wieder motiviert weitermachen
zu können. Oft sind es einfach auch Unlustgefühle, die man
überwinden muss, um an einem Ziel dranzubleiben.
Motivationale und
volitionale Steuerungslagen beeinflussen in ganz erheblichem
Maße, wie und wie erfolgreich wir lernen können.
Gefühle, die jemand dabei empfindet, Vorstellungsbilder, die
sich bei ihm eingestellt haben, lassen sich schließlich nicht
wegdiskutieren und ihre Bedeutung für den Betreffenden nicht
einfach durch Außenstehende uminterpretieren.
Gefordert ist dagegen ein intensives Zuhören in Form des
aktiven Zuhörens. Dabei schlüpft man in gewisser Weise " 'in
die Haut! des anderen, um zu spüren, wie er das fühlt und welche
Bedeutung es für ihn haben kann." (Teml
41994,S.25)
Aus diesen und andern Gründen empfehlen Rolf
Dubs (2009, S. 91)
und andere Wissenschaftler, dass es vor allem darauf ankommt, eine
förderliche Lernumgebung herzustellen mit einem warmen und
ermunternden Klassenklima und einem Unterricht, der
situationsgerecht die ganze Bandbreite direkten und indirekten
Lehrerverhaltens zur Steuerung und Begleitung der Lernprozesse
einbringt. (vgl. Dubs
2009, S. 91)
Auch beim selbständigen Lernen dürfen sich die Lehrpersonen aus
dem Lernprozess nicht "ausklinken" und sich aus dem
Unterrichtsgeschehen zurückziehen: "Die Lehrpersonen bleiben dennoch
kompetente Fachpersonen und moderieren nicht lediglich autonomome
Lerngruppen." (Weirer/Paechter
2019, S. 35f.)
Sie müssen sich, auch wenn
▪
Gruppenunterricht und Kleingruppenarbeit stattfindet, um die
selbständig arbeitenden Schülerinnen und Schüler kümmern, sie
"ständig beobachten und ihnen bei Problemen beistehen, nicht aber in
der Form des Darbietens (Lösungswege aufzeigen, Arbeitsabläufe
vorgeben usw.), sondern in dem sie beim Lernen beraten." (Dubs
2009, S. 92)
Die Lehrerrolle ist
dabei nicht auf ein einzige Rolle festlegbar, sondern kann "je
nach konkretem Unterrichtsdesign und je nach Phase des Unterrichts
unterschiedlich definiert sein" Weirer/Paechter
2019, S. 35) und so z. B. mal eher eine Beobachterolle, mal eine
Teilnehmerrolle oder sogar ein Rolle als Akteur oder Akteurin o,
Lernprozess sein. Und je nach den Zielen der jeweiligen
Lernberatung, bestimmen auch die unterschiedlichen ▪ "Scaffolds"
als Handlungen bei der Lernberatung, ob eine Lehrperson in einer
konkreten Unterrichtssituation eher aktivierend oder förderlich
begleitend agiert.
Die Lernberatung kann
sich auf das von
Wood, Brunner & Ross (1976) formulierte Konzept des
▪
Scaffolding stützen. Als
▪
Technik unterstützenden Lehrerverhaltens versteht
Dubs (2009, S. 93)
darunter eine selbständige individuelle oder kooperative
Lernprozesse begleitende Lernberatung, bei der die Lehrperson "Anstösse
und Anregungen für die selbständige Konstruktion von Wissen sowie
zum Aufbau von Lern- und Denkprozessen (aber keine
Arbeitsanweisungen oder Lösungen) gibt."
Hofmann/Moser (2002, S.76f.) haben einen "Fragenkatalog
zur Rekonstruktion individueller Lernprozesse" erarbeitet, der verschiedene
Gesichtspunkte umfasst, über die ein Lehrer bzw. eine Lehrerin Informationen
sammeln kann, während er die Schüler in ihrem Lernprozess beobachtet.
Dabei kann sich das Augenmerk auf verschiedene Aspekte des
Lernprozesses richten: