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Die
nachfolgende in Auszügen vorliegende Rede hat der amerikanische
Präsident Harry S. Truman vor beiden Häusern des Kongresses am 12. März
1947gehalten:
Der Ernst der Lage, der sich die Welt heute
gegenübergestellt sieht, erfordert mein Erscheinen vor einer gemeinsamen
Session des Kongresses, da die Außenpolitik und nationale Sicherheit
unseres Landes auf dem Spiele steht.
Die Vereinigten Staaten haben von der Regierung Griechenlands einen
dringenden Appell um finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung
erhalten ... Eine Hilfe (ist) dringend erforderlich, wenn Griechenland
als freie Nation bestehen bleiben soll
Es ist von größter Bedeutung, dass wir die Verwendung aller Mittel
überwachen, und zwar so, dass jeder Dollar, der hineingesteckt wird,
dazu dient, Griechenland selbstgenügsam zu machen und zum Aufbau einer
Wirtschaft beiträgt, in der sich eine gesunde Demokratie entwickeln kann
...
Die griechische Regierung hat bisher ihre Funktionen in einer Atmosphäre
von Chaos und extremen Strömungen ausgeübt ...
Griechenlands Nachbar, die Türkei, verdient unsere Aufmerksamkeit. Die
Zukunft der Türkei als unabhängiger und wirtschaftlich gesunder Staat
ist nicht von geringerer Bedeutung für die friedliebenden Völker der
Welt als die Zukunft Griechenlands…
Wir sind das einzige Land, das diese Hilfe geben kann. Ich bin mir
vollkommen im klaren über die weitgehenden Folgerungen, die sich im
Falle einer Unterstützung der USA für Griechenland und die Türkei
ergeben ...
Eines der vornehmsten Ziele der Außenpolitik der USA ist die Schaffung
von Verhältnissen, unter denen wir und andere Nationen in der Lage sind,
ein Leben frei von Zwang zu führen ...
Im gegenwärtigen Augenblick der Weltgeschichte muss fast jede Nation
zwischen zwei verschiedenen Lebensarten wählen. Zu oft ist die Wahl
keine freie. Die eine Art zu leben gründet sich auf den Willen der
Mehrheit und zeichnet sich durch freie Institutionen, repräsentative
Regierungen, freie Wahlen, Garantien der persönlichen Freiheit ... und
Freiheit von politischer Unterdrückung aus.
Die zweite Lebensart hat als Grundlage den Willen einer Minderheit, der
mit Gewalt der Mehrheit gegenüber geltend gemacht wird. Sie stützt sich
auf Terror und Unterdrückung, kontrollierte Presse und Rundfunk, von
vornherein bestimmte Wahlen und auf die Unterdrückung der persönlichen
Freiheit.
Ich bin der Ansicht, dass wir den freien Völkern beistehen müssen, ihr
eigenes Geschick auf ihre Weise zu bestimmen. Ich glaube, dass unser
Beistand in erster Linie in Form von finanzieller und wirtschaftlicher
Hilfe gewährt werden sollte, eine Hilfe, die wesentlich ist für die
wirtschaftliche Stabilität und ordnungsgemäße politische Entwicklung.
Die Welt ist nicht statisch und der Status quo ist nicht heilig; aber
wir können keine Veränderungen des Status quo unter Verletzung der
Charta der Vereinten Nationen durch Methoden des Zwanges oder auf dem
Umweg der politischen Durchdringung zulassen. Bei der Hilfe für freie
und unabhängige Nationen zur Erhaltung ihrer Freiheit werden sich die
Vereinigten Staaten an die Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen
halten ...
Der Verfall freier Institutionen und der Verlust der Unabhängigkeit wäre
ein Unglück nicht nur für sie selbst, sondern für die ganze Welt. Wenn
wir nicht Griechenland und der Türkei in dieser schicksalschweren Stunde
helfen, so wird die Auswirkung auf den Westen wie auf den Osten von
großer Tragweite sein ... Der Samen des totalitären Re¬gimes wird von
Not und Elend genährt. Sie breiten sich aus …sie erreichen ihre volle
Größe, wenn die Hoffnung des Volkes auf ein besseres Leben erloschen
ist. Wir müssen diese Hoffnung am Leben erhalten. Die freien Völker der
Welt sehen auf uns, dass wir sie bei der Erhaltung ihrer Freiheit
unterstützen. Wenn wir jetzt in unserer führenden Stellung schwankend
werden, dann werden wir den Frieden der Welt gefährden, und wir werden
mit Sicherheit das Wohlergehen unserer eigenen Nation in Gefahr bringen.
Durch den raschen Gang der Ereignisse ist uns eine schwere Verantwortung
auferlegt worden. Ich vertraue darauf, dass der Kongreß dieser
Verantwortung geradewegs ins Gesicht sieht.
(aus: Kesing's Archiv der Gegenwart, 16./17. Jahrgang,
1946/47, S. 1038 F) |
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