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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
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Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
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Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Der württembergische Geschichtsschreiber der »Biedermeierzeit
»Christian Reinhold Köstlin
(1813-1853) hat für die Regierungszeit des württembergischen Königs »Wilhelm
I. (1781-1864) beschrieben, welche sozialen Folgen die Jagdleidenschaft
des Königs hatte. Dabei richtete er sein Augenmark auch auf die
Forstverwaltung und ihre Amtsleute, die den Untertanen vielfältige Dienste
abverlangten.
"Was den Wildschaden insbesondere betrifft, so war zwar die
Ausrottung des schwarzen Wildprets streng anbefohlen, aber diese
Befehle wurden mannigfach nicht geachtet; die Verwüstungen des roten
Wildprets , der Hafen und des wilden Geflügels waren ohne dies
grenzenlos. Dem Institute der Kommunwildschützen aber widersetzen
sich die höheren und niederen Forstbedienten mit aller Macht und
suchten es mit tausend Mitteln in die möglichst engen Grenzen
zusammenzudrängen. Als Forstfronden waren in den Lagerbüchern in der
Regel nur aufgeführt: Jagen, Hägen, Seilwägen führen, Hunde
aufstocken. Die Forstmeister aber forderten von den Gemeinden nicht
nur alles, was den Jagddienst als solchen angeht, sondern auch
alles, was zum Dienst des Forstamts gehört oder in einiger Beziehung
dazu steht, sollte es auch lediglich den persönlichen Nutzen der
Beamten betreffen. So mussten z . B. die Gemeinden im Winter in den
Waldungen Bahn schleifen, im Sommer das Waldgras mähen, dörren, und
in die Magazine führen, den Haber für das Wild im Winter beiführen,
Sulzen anlegen und Jagdschirme machen, für Waldwege und Brücken
sorgen, das Wildpret füttern, Holz für dasselbe fällen, Eicheln
sammeln, wildes Obst klauben , Einsprünge machen usw. – Eine
Hauptquelle von Forstplackereien waren die sogenannten Waldverbote,
die in Privat- und Gemeindewaldungen, wie in herrschaftlichen und in
allen ebenso willkürlich angelegt wurden, als sie mit Geld abgekauft
werden konnten, das in den Beutel der Oberforstmeister fiel. –
Ebenso eigneten sich die Forstbeamten den Ertrag der Eichen, Buchen
und wilden Obstbäume mit der größten Willkür an. - Die
Forstgerichtsbarkeit vollends entbehrte fast alles gesetzlichen
Charakters; eine ungeheure Summe von Exzessen wurde da an Einem Tage
abgemacht, ganz summarisch verfahren, der Beklagte oft nicht einmal
gehört, jedenfalls dem Forstbedienten unbedingt geglaubt und die
Strafe nach Laune angesetzt , wo denn häufig ein größerer Münzfuß
eingeführt war, oder , wie man sich ausdrückte, der Gulden nicht 15,
sondern 16 Batzen galt (der Überschuss fiel wiederum dem gnädigen
Herrn als Sportel in die Tasche). Je weniger aber die
Oberforstmeister den wahren Obliegenheiten ihres Amtes : nachkamen,
um so drückender und unverschämter dehnten sie ihre Oberaufsicht
über Privat- und Gemeindewaldungen aus, so dass kein Stamm darin
geschlagen werden durfte , ohne dass vorher ihre Einwilligung dazu
erkauft worden wäre, daher die Unkosten oft zwei- und dreifach
größer als der Wert des Holzes selber waren . Der Accidenzien war
kein Ende, und neben , den Gelderpessungen her liefen eine Menge
Natural-Emolumente. Selbst um die gesetzlichen zwei Drittel an den
Delationsgebühren von Exzessen in Gemeindewaldungen wurden nicht
selten die Gemeinden von den Oberforstmeistern geprellt . - Das
Beispiel nun, welches hier an den Oberforstmeistern gegeben wurde,
ließe sich noch mit vielen ähnlichen vermehren. Allein es kann
insofern genügen, als daraus allein schon die traurige Wirkung des
vorangestellten Prinzips auf das politische Gesamtleben hinlänglich
deutlich wird. [...] (S.140f.)
Die Prachtliebe teilte er (»Wilhelm
I. (1781-1864), d. Verf.) mit dem größten Teile seiner Ahnen und die
Befriedigung derselben brachte wenigstens Geld unter das Volk und den
Schmuck edler Kunſtwerke oder kunstreich verschönerter Natur auf das Land.
Um so unheilvoller aber wurde eine andere Privatleidenschaft, die Liebe zur
Jagd , welche zu den unerhörtesten Bedrückungen durch Fronen , Wildschaden
und Willkürlichkeiten aller Art führte und wobei freilich durch die Schuld
elender Günſtlinge manche Schandtat auf den Namen des Königs gewälzt wurde,
wovon er ohne Zweifel keine Ahnung hatte. [...] (S.224)
Denn bei aller Verehrung, die er für geistigen Bestrebungen haben mochte,
war ihm doch nichts so gewiss, als dass er selbst hoch über allem übrigen
stehe und eben dies glaubte er sich und der Welt in seinem glänzenden Hofe
immer auf's Neue versinnlichen zu müssen . Am härtesten wurde dies Gelüsten
dem Lande in Punkte ſeiner Jagden, die in ganz Europa ihres Gleichen nicht
fanden, aber freilich auch das Volk ruinierten. Denn die Fronen und der
Wildschaden wurden zu einer wahren Pest. Aus dem ganzen Lande wurde das Wild
auf wenige Punkte zusammengetrieben, weil der König ſeiner
Leibesbeschaffenheit wegen es andern Jägern nicht gleichtun konnte; die
Fröner mussten dazu oft drei Tagreisen weit herkommen und nicht selten waren
sie acht Tage beisammen, ohne dass es dem Herrn gefiel, die Jagd auch
wirklich abzuhalten; dabei mussten sie sich selbſt verköstigen, mussten sich
gegen das Wild ihres armen Lebens wehren, im Frost erstarren, – alles dies,
während der Hof in Hülle und Fülle schwelgte und von ihrem Schweiße seine
Dianenfeste bezahlte. Die Verheerungen von Feldern und Wäldern, die
leichtſinnige Verschwendung des Holzes, die Vermehrung des Wildstands , die
willkürlichen Requisitionen von Betten und Lebensmitteln, die man sich bei
den Jagden erlaubte, gingen in's Abenteuerliche. Das wilde Schwein war in
Wahrheit beſſer dran als der Bauer. Aber was half all diese Pracht und
unsinnige Verſchwendung? [...] (S.257f.)"
(aus: Reinhold Köstlin, Wilhelm der erste König von Wirtemberg und die
Wirtembergische Verfassung, Stuttgart 1839, Auszüge)
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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
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Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
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Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
09.11.2023