▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Der Geburtstag des
Herzogs fiel auf den 11. Februar ; er sollte im Jahr 1763 besonders
feierlich begangen werden. Der Berichterstatter [»Joseph Uriot
(1713-1788) d. Verf.] beginnt
mit den Worten: "Die Feierlichkeiten, welche Se. regierende Herzogl. Durchl.
zu Württemberg zu veranstalten pflegen, sind so prächtig, dass sie dem
Kühnsten die Hoffnung benehmen, sie gut zu beschreiben." -
Der erste Tag, der Geburtstag selbst am 11.
Febr. 1763, brachte
Parade und Oper in Stuttgart.
An hohen Gästen waren erschienen: die Fürsten von Hohenzollern-Hechingen,
von Fürstenberg, von Thurn und Taxis, drei Prinzen von Schwarzenberg, die
Grafen von Ottingen-Wallerstein, von Montfort und Fugger. Gesandte zur
Beglückwünschung waren empfangen worden von Bayreuth, von Ansbach, von
Baden-Baden und Baden-Durlach.
Bei Tisch saßen 100 Personen an der ersten Tafel, 200 an der zweiten.
"Pracht, Niedlichkeit, Überfluss herrschten gleich stark an diesen Tafeln.
Man muss aber die erste gesehen haben, um sich einen rechten Begriff davon
machen zu können. Niemals hat man etwas Kostbareres und Prächtigeres
gefunden. Die großen Haus- und Hofbeamten, alle mit den Zeichen ihrer Würde
gezieret, beobachteten in der zeremonieusen Verrichtung ihrer Ämter eine
solch erhabene Ordnung und einen solchen Anstand, dass selbst Personen,
welche die größesten Monarchen hatten speisen sehen, in Erstaunen darüber
gerieten." - "Das Volk, dessen Glück von dem Wohl eines Souveräns abhängt,
hatte sich im Schlosshof versammelt und ließ sein Freudengeschrei hören, als
Se. Herzogl. Durchl. befahlen, dass man ihm eine beträchtliche Summe
auswerfen solle. Hierauf wurde ihm eine Menge gebratenen Fleisches
preisgegeben, wobei zwei Springbrunnen von Wein ohne Aufhören flossen."
Zweiter Tag: Maskenball und
▪
Redoute. An den nächsten
Tagen folgten
▪
französische Komödie
und die
▪
Ballette:
Pfyche und der Tod des Herkules; darauf
Oper und
Ball. Der siebente Tag endlich
führte zum "Festin
in Ludwigsburg" "Gegen sechs Uhr des Abends fuhr der ganze Hof in
mehr als sechzig Wagen nach Ludwigsburg." - "Die Karossen hielten vor der
mittleren Pforte der Orangerie. Se. Durchl. bewillkommneten daselbst die
fürstlichen und fremden Standespersonen, welche sein Geburtstag herangezogen
hatte. Er führte sie und den gesamten Adel des Hofs durch die verschiedenen
Alleen der Orangerie hindurch."
Beinahe eine Million Lampen sollen das fast tausend Fuß lange, mit blauem
Tuch überspannte, außen durch Zimmerwerk verkleidete, wohl geheizte, mit
Seen und Springbrunnen versehene Treibhaus erleuchtet haben, das vor dem
südlichen Flügel des Schlosses errichtet war. "Die Orangen- und
Zitronenbäume machen hohe gewölbte Gänge, unter welchen Se. Herz. Durchl.
mit Ihrem Hofstaat ordentlicher Weise spazieren gehen." - Allein das war nur
die Einleitung zum Fest. Der Herzog führte seine Gäste weiter dem Schlosse
zu und fand sich plötzlich von Wolken umgeben. Ein Wink des Fürsten und sie
teilten sich; der Gipfel des Olymp mit den Göttern wurde sichtbar. Jupiter
gab den Befehl, dass die Elemente und die Jahreszeiten sich versammeln, dass
der "Palast der Pracht" sich erhebe beim Annblick des Sterblichen, der zum
Glück seiner Untertanen heute der Welt geschenkt worden.
So geschah es; auch die letzte Wolke verschwand und der "Palast
der Pracht" zeigte sich den Staunenden. - Der mittlere Schlosshof
war durch riesige Bauten überwölbt; in der Mitte stand der Olymp, von
goldenen Säulen eingefasst; außerhalb derselben hatten die vier Elemente und
die vier Jahreszeiten ihren Sitz; in dem Weinberg besonders, der den Herbst
darstellte, teilten die Winzerinnen die köstlichsten Trauben aus. Wohl
200.000 Kerzen und Lampen erhellten den glänzenden Raum.
Jetzt fingen die Götter an italienisch zu singen und der Herzog setzte sich
mit seinen Gästen zur Tafel. Da erhob sich mitten in der Tafel, durch eine
Maschine emporgetragen, Venus mit 16
Liebesgöttern, welche den 16 Damen an der Tafel des Herzogs
Blumensträuße überreichten, wahre Kunstwerke aus der
Porzellanfabrik. Nun rief Venus ihrem Sohne
und dieser schoss einen Pfeil wider die Mauer des Palastes der Pracht. Da
teilte sich das Mauerwerk und ein Schauspielsaal wurde sichtbar. Die
entzückten Damen liefen herzu, um das Schauspiel zu sehen, und fanden neue
Geschenke, "welche die Galanterie und der Pracht vor sie bereitet hatte".
Auf der Bühne fing das Schäferspiel an:
Der Tag des Liebesgottes. "Die Szene
eröffnete sich mit einem galanten Ballett, in welchem Herr
Noverre alles, was die aufgeheitertste Einbildungskraft durch Tänzer
vorstellen kann, vereinigt hatte." - "Die jüngere, 15-16 Jahre alte Jungfer
Toscani erschiene hier zum ersten Mal." - "Das
Schäferspiel, dessen Ort die Insel Zypern ist, hat jene edle Einfalt, mit
welcher sich die Hirtengedichte Vergils bezeichnen. Der Text ist von Herrn
von Tagliazucci."
Drauf begab sich die erlesene Gesellschaft auf den nördlichen Balkon des
Corps de logis, um das
▪Feuerwerk abbrennen zu sehen, "das der
Generalmajor und Kommandant des Artilleriebataillons Freiherr v. Leger,
unter der Aufsicht der Herren Offiziere seines Corps, hatte verfertigen
lassen." Der Gott Vulkan überreichte der Fürstin von Hohenzollern eine
Lunte, mit der sie einen Drachen ansteckte und damit das Zeichen zum Anfang
gab.
Zwischen ▪Corps de logis und
»Favoriteschloss war das Feuerwerk in neun Linien
vorbereitet. Über die ganze Dauer dieser Belustigung ließ sich eine Batterie
von 30 Kanonen hören und 30 Mörser warfen Luftkugeln. - Die erste Linie
enthielt lauter Neuheiten, "die Herr Genovini,
besoldeter Feuerwerker des Königs von Frankreich, erfunden." Eine
Herzogskrone, von vier Kunstfeuern umgeben, kam zum Vorschein. Die zweite
Linie brachte 24 Capricen von weißem Feuer; dem schlossen sich an:
Feuerspringbrunnen, Pfauenschwänze, Windmühlen, 24 Sonnen, 13 Arkaden, 21
Pyramiden, 20 Tarusbäume, 120 Bienenschwärme u. a. Im ganzen wurden 14.000
Raketen verwendet. Das Auffliegen eines Kastens mit 6.000 Raketen machte den
Schluss.
Es war drei Uhr in der Frühe geworden und man fuhr nach Stuttgart zurück.
Der achte Tag des
Geburtstagsfestes brachte das Schauspiel Zaire; der neunte das
Jagdfest
bei Degerloch. - Schon im Jahr 1762 hatte der Herzog bei
Degerloch einen See herstellen lassen, 700 Fuß lang und 300 breit. Die
umliegenden Ämter mussten 360 Karren stellen und als
Arbeiter in erster Linie die beurlaubten
Soldaten. Aus den Regimentern nahm man Handwerker. So entstand der See
durch die Arbeit mehrerer Monate; auf der einen Seite war das Wasser von
einer Galerie mit Logen und Pavillons umgeben, auf der andern stieß es an
den Wald. Für das Fest am 20. Februar 1763 war der See mit allem Zubehör
wieder instandgesetzt.
Das für das
▪Lustjagen bestimmte
Wild musste durch die Forstämter
lebend gefangen, nach Degerloch
geliefert und in Behältnisse in dem Wald am See untergebracht werden; im
ganzen 5.218 Stück, darunter 121 starke und geringe Hirsche, 30 Damhirsche,
150 Spießer, 61 Hauptschweine, 180 zweijährige Schweine und Bachen, 36
Dachse, 207 Füchse, 3.000 Hasen, 197 Fasanen, 530 Feldhühner, 209 Enten usw.
Die "Repartition des in den Herz. Oberforstämtern zu fangenden Wildbrets"
ergibt z. B. für Waldenbuch: 35 Hirsche, 40 Sauen,
20 Rehböcke, 40 Füchse, 10 Dachse, 500 Hasen, 50 Feldhühner. Alles lebendig
abzuliefern und in Käfige zu sperren.
"Gegen zehn Uhr vormittags fuhr der Hof von Stuttgart ab und erblickte bei
seiner Ankunft ein Schauspiel, welches ein Nachbild jener berufenen
römischen Amphitheater genennet werden kann. Pauken und Trompeten schalleten
unaufhörlich durch die Luft. - In den Pavillons wurde indessen das Frühstück
aufgetragen. "Weine von allerhand und den besten
Gattungen waren im Überfluss zugegen und die Ergötzlichkeit der Mahlzeit
befeuerte die Hofleute noch mehr zu der Jagdlust." - Jetzt gab der Herzog
das Zeichen; auf sieben schön gezierten Gondeln fuhren die Jagdoffiziere und
Jäger über den See. Sie landeten, verschwanden im Wald, öffneten die
Behälter und trieben aus ihnen das Wild dem See zu. Hier staute sich die
Masse; ein Teil suchte zu entfliehen, andere stürzten in den See. Die
Jagdgäste aber standen bequem in ihren Pavillons, ließen sich immer neue
Büchsen reichen und richteten ein entsetzliches Blutbad an. Den Jagdtag
schloss ein Konzert.
Die nächsten Tage brachten Ball, Oper, Redoute. Am dreizehnten Tag der
Festfolge, Mittwoch den 23. Febr. wurde ein besonders beliebtes
Schäferspiel, der Triumph der Liebe und das Ballett Armide gegeben. "Es ist
dies eines der vollkommensten, so Herr Noverre verfertigt. Man muss
bekennen, bisher der Tanzkunst eine solche Kraft niemals zugetrauet zu
haben. Das beständige Händeklatschen, welches sich bei diesem Schauspiel mit
so großem Recht hören ließ, wurde durch die Musik ebenso wohl als durch die
Tänze erreget. -
Vestris der Ältere selbst trat auf. "Jungfer Nency erfüllete vollkommen
den Begriff, den man sich von der Armide macht, und an der Jungfer Salomoni,
so die Rolle der Wollust hatte, bewunderte man eine Gesichtsbildung und
Annehmlichkeiten, die bei dieser Gattung von Charaktern mehr Eindruck machen
als die größten Talenten."
Der Taumel näherte sich seinem Ende; am vierzehnten und letzten Tag der
Geburtstagsfeier für das Jahr 1763 fand Karussell statt. Diese Karussels
erscheinen keineswegs nur als Polonaisen, zu Pferd ausgeführt, sie erinnern
vielmehr immer noch an einen Nachklang der Turniere. Jeder einzelne Ritter
hat seine Geschicklichkeit in Führung der Lanze, des Degens und im Werfen
des Speeres zu erproben.
(aus:
A. Pfister, Hof und Hoffeste 1907, S.104-108)
(in der
Rechtschreibung an die derzeit geltenden Regeln angepasst; Hervorhebungen im
Fettdruck d. Verf.]
▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.09.2021