"Während
die
Barockkultur sich anschickt, ihre ersten dunklen Blüten zu
entfalten", betont
Friedell (1928/1969), S.411-414), "sieht man in einem östlichen Winkel Mitteleuropas einen wilden
Krieg aufflammen, der, an plötzlichen Zufällen entzündet und doch aus den
tiefsten Untergründen der Zeitseele hervorbrechend, sogleich gierig weiter
rast, sich unaufhaltsam in den halben Erdteil hineinfrisst und, launisch
bald hier, bald dort emporlodernd, Städte, Wälder, Dörfer, Felder, Kronen,
Weltanschauungen in Asche legt, schließlich aber nur noch seinem eigenen
Gesetz gehorcht, indem er wahllos überall züngelt, wo er noch Nahrung
vermutet, bis er eines Tages ebenso rätselhaft verlischt, wie er entbrannt
war, als eine einzige große Veränderung nichts hinter sich lassend als
eine ungeheure gespenstische Leere: zerbrochene Menschen, beraubte Erde,
tote Heimstätten und eine entgötterte Welt.
Unter den vielen langen und sinnlosen Kriegen, von denen die
Weltgeschichte zu berichten weiß, war der Dreißigjährige einer der
längsten und sinnlosesten, wahrscheinlich gerade darum so lang, weil er
so sinnlos war. Denn er hatte kein fest umschriebenes Ziel, das zu
erreichen oder zu verfehlen, keinen runden greifbaren »Zankapfel«, der
zu gewinnen oder zu verlieren gewesen wäre."
"Die Realität des
Krieges aber züchtete Wolfsnaturen." (Schilling1987,
S.164.f.)
Zwei Generationen lang war das Kriegsgeschehen "Leidensschicksal" von
Menschen, "die das grausame Geschehen nicht verstanden und sich dennoch
einrichten mussten im Chaos, in der ständigen Gefahr der Entwürdigung.
Unmenschlich war das Schicksal der Opfer [...]. Entmenschlicht waren aber
auch die Täter. [...] Je länger der Krieg sich hinschleppte, um so mehr
wurde den Deutschen die Soldateska zum Inbegriff der Sittenlosigkeit, ja
des Teuflischen schlechthin. Neben dem religiösen Fanatismus, der
insbesondere die Spanier auszeichnete, und der Abstumpfung durch das
Kriegserleben selbst, trug zu dieser Verrohung bei, dass die Söldner
längst nicht mehr »aus dem Land« stammten, sondern aus aller Herren Länder
zusammengelaufen waren - Schotten, Franzosen, Kroaten, Wallonen, Italiener
und viele mehr. [...]
Die Realität des Krieges aber züchtete Wolfsnaturen." (Schilling1987,
S.164.f.).
Deutschland musste im
Dreißigjährigen Krieg
beträchtliche, regional sehr unterschiedliche Bevölkerungsverluste
hinnehmen:
Die
Bevölkerungsentwicklung entwickelte sich vom Spätmittelalter bis zur
Mitte des 18. Jahrhunderts wie folgt:
Spätmittelalter |
12 bis 13
Mio. |
um 1700 |
15 Mio. |
um 1600 |
15 Mio. |
um 1750 |
16-18. Mio. |
um 1650 |
10 Mio. |
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(nach W. Buchholz, Raum und Bevölkerung in der
Weltgeschichte, Bd. 3, Würzburg:
Ploetz-Verlag 1966, S.46)
Gesamtverluste
Wegen der großen Wanderungsbewegungen zwischen Stadt und Land
gibt es nur ein sehr grobes Bild über die
gesamten Menschenverluste im
Dreißigjährigen Krieg.
"Die Verluste auf dem Lande werden im Allgemeinen auf etwa 35 bis 40 v. H.
geschätzt, die der Städte auf 25 bis 30 v. H., wobei die Städte immer
relativ schnell einen Teil der Verluste durch Flüchtlinge vom Lande
ausgleichen konnten (insgesamt Rückgang der Bevölkerung in Deutschland von
etwa 16 Mill. auf 10 bis 11 Mill. Einwohner)."(Hennig
1974, S.242)
Einzelne Angaben
-
Im
Herzogtum Württemberg, das 1618 etwa 400.000 Einwohner gehabt
haben soll, leben 1648 nur noch 50.000 Menschen.
-
In der Grafschaft
Henneberg verminderte sich die Einwohnerzahl von
60.000 auf 16.000.
-
In
Frankenthal (Pfalz) gab es von ehemals 18.000 Menschen nur noch
324.
-
In der schlesischen
Stadt Löwenberg (am Bober) lebten von ehemals
6.500 Menschen gerade noch 40. Erst im 20. Jahrhundert konnte die Stadt
ihre Größe von 1618 wieder erreichen!)
-
Ganze Ortschaften waren menschenleer, wobei mauerbewehrte Städte in
der Regel weniger betroffen waren als das offene Land, über das
sämtliche Soldatengruppen herfielen. (vgl.
Hennig 1974, S.242)
-
In Dortmund verloren in den Jahren 1635 und 1636 910 Menschen ihr
Leben durch die Pest. Wegen der gleichzeitigen Beschießung der Stadt,
setzte eine starke Fluchtbewegung ein, so dass binnen kürzester Zeit 2/3
der Bevölkerung der Stadt ausgewandert oder an den Folgen von Krieg und
Pest gestorben waren.
(vgl. E. Kayser, Bevölkerungsgeschichte
Deutschlands, Leipzig, 3. Aufl. 1943, S.339f.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
15.12.2024
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