"Unter den vielen langen und sinnlosen Kriegen, von denen die
Weltgeschichte zu berichten weiß, war der Dreißigjährige einer der
längsten und sinnlosesten, wahrscheinlich gerade darum so lang, weil er
so sinnlos war. Denn er hatte kein fest umschriebenes Ziel, das zu
erreichen oder zu verfehlen, keinen runden greifbaren »Zankapfel«, der
zu gewinnen oder zu verlieren gewesen wäre." So urteilt
Friedell (1928/1969, S.414) über den
▪ Dreißigjährigen
Krieg (1618-1648), der als Religionskampf beginnt und als
europäische Machtauseinandersetzung endet. Für Friedell zeichnet sich
diese lang anhaltende kriegerische Auseinandersetzung in besonderem Maße
durch ihre Sinnlosigkeit aus, zumal das ´´, Für besteht "was den Dreißigjährigen Krieg mehr charakterisiert als jeden
anderen, (...) seine Zufälligkeit (ist). Alles war an ihm zufällig: seine
Entstehung, sein Verlauf, seine Ausbreitung, sein Ende. Aber diese
Zufälligkeit selber war nichts weniger zufällig: sie floss aus der
innersten Natur der Epoche, die seinen Namen trägt." (ebd.)
Als "ein Glaubenskrieg in Deutschland und ein europäischer Krieg" war er
"eine militärisch-politische Spielart der gemeineuropäischen Krise des
17. Jahrhunderts. Und er war eine Extremform des politischen und
gesellschaftlichen Wandels hin zum neuzeitlichen Deutschland und Europa,
somit gar Modernisierungsimpuls in aller Schrecklichkeit. (Schilling1987,
S.164.f.) Was dahinter steht, ist "ein verzweigtes Geflecht
demographischer, sozio-ökonomischer, staatlich-politischer,
teilweise auch kultureller Ursachen." (ebd.)
Konfessionen in Europa vor dem Krieg
Vor dem Ausbruch des
»Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) verfügten die Konfessionen in
Europa über die in der nachfolgenden Karte dargestellten Besitzstände.
(aus: Deutsche Geschichte im europäischen Zusammenhang,
Frankfurt/M. 1968, S. 94,
Ausschnitt und leicht verändert)
In Zentraleuropa, vor allem auf dem Boden des »Heiligen
Römischen Reichs, verteilen sich die Konfessionen 1618 in folgender
Weise:
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Deutschland in der gemeineuropäischen Krise des 17. Jahrhunderts
Der
Krieg entzündet sich an einem Streit unter den
▪ Habsburgern, weitet sich
dann zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser und den Autonomie
beanspruchenden Reichsständen aus und zieht durch die Intervention
Dänemarks, Schwedens und Frankreichs auch Nachbarländer in den Konflikt
hinein. Zugleich ist er aber nur zu verstehen, wenn er als eine
"militärisch-politische Spielart der gemeineuropäischen Krise des 17.
Jahrhunderts" angesehen wird. (Schilling
1987, S.164)
Diese Krise schließt sich an eine Zeit des europäischen Aufschwunges, der
äußeren, kolonialen Expansion und der inneren Formierung an. Sie äußert
sich in ökonomischem und demographischen Stillstand und besitzt eine ganze
Reihe von Ursachen: demographische, sozio-ökonomische,
staatlich-politische und zum Teil auch kulturelle. In verschiedenen
Ländern und Gegenden Europas hat die Krise jedoch auf Grund von
Besonderheiten im Entwicklungsstadium und im Ablauf der Ereignisse ein
verschiedenes Gesicht. (vgl.
Schilling 1987, S.166)
Bei den Besonderheiten in Deutschland
sind besonders vier Gesichtspunkte von
Bedeutung:
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(nach:
Schilling 1987, S.167f.)
Der Anlass des Krieges: "Bruderzwist im Hause Habsburgs"
Anlass
für den Beginn der großen und lang anhaltenden Kämpfe im
»Dreißigjährigen Krieg waren
Habsburgische Wirren
("Bruderzwist im Hause Habsburg"). im Zusammenhang mit einem
Bruderzwist
zwischen
»Kaiser Rudolf II.
(Kaiser 1576-1612), der
1608 von den österreichischen, ungarischen und mährischen Ständen zum
König gewählt wird, und »Matthias
(1612-19).
Matthias erhebt sich gegen seinen die Regierungsgeschäfte sehr
vernachlässigenden Bruder und verdrängt ihn aus den eigentlichen
»habsburgischen Erblanden. Nur in den Gebieten, die zur
böhmischen
Krone gehören, kann sich Rudolf dadurch halten, dass er den Ständen,
und dabei besonders den Protestanten unter ihnen, im so genannten »Majestätsbrief«
(1609) Religionsfreiheit zugesteht. Matthias kann sich die Erbfolge der
böhmischen Krone jedoch dadurch sichern, dass er das Zugeständnis seines
Bruders noch überbietet. Er erkennt das
Recht zur freien Königswahl
durch die Stände an. Nach dem Tod von Rudolf im Jahre 1612 forciert
sein Nachfolger als Kaiser,
Matthias (1612-1619), die
Gegenreformation in einem Maße, dass die im »Majestätsbrief«
gewährte Religionsfreiheit Makulatur zu werden droht. Ein »Aufstand in
Prag gegen den Kaiser
1618 stellt den Auftakt und den ersten Höhepunkt der kommenden
Auseinandersetzungen der Habsburger mit den böhmischen Ständen dar. Im
»Prager Fenstersturz « - die kaiserlichen Räte
»Martinitz und
»Slavata werden aus dem Fenster gestürzt - findet die
allgemeine Erhebung gegen den habsburgischen Kaiser ihren Ausdruck.
So nimmt es nicht Wunder, dass eine Gruppe protestantischer Stände in
Böhmen unter Berufung auf die ihnen ja von Matthias vordem zugestandene
freie Königswahl Böhmen von Habsburg zu lösen beabsichtigt.
Auf der anderen Seite berufen sich die Habsburger aber weiterhin auf das
Erbrecht zur Regelung der böhmischen Thronfolge. Der aus der spanischen
Linie der Habsburger stammende
Philipp III. verzichtet 1617 im Prager
Vertrag auf seine böhmischen Erbansprüche zugunsten des
Erzherzogs
Ferdinand von Steiermark (späterer Ferdinand II., österr. Linie) und
erhält dafür das Elsass. Als Matthias 1619 stirbt, rufen die
böhmischen Stände allerdings den Kurfürsten
Friedrich V. von der
Pfalz (später spöttisch "Winterkönig" genannt), der die in der »Union«
zusammengeschlossenen protestantischen Reichsstände anführt, zum König
von Böhmen aus. Als der Pfälzer Kurfürst die Wahl annimmt, stehen die
Zeichen auf Sturm.
Ferdinand, einer der schärfsten Verfechter der »Gegenreformation, beharrt
auf seinem erbrechtlich fixierten Thronanspruch, wird aber von den
böhmischen Ständen nicht anerkannt. Mit Unterstützung des Bundes der
katholischen Stände, der »Liga«, allen voran
»Maximilian von
Bayern, zieht Ferdinand II., der 1619 zum Kaiser gewählt wird, gegen die
protestantische Union und den "Winterkönig" zu Felde. Der Sieg der
»Liga
unter ihrem Feldherrn »Tilly in der
Schlacht am Weißen Berg bei
Prag 1620 über die Union markiert das Ende des böhmischen
Thronstreites zu Gunsten der Habsburger und zugleich den Beginn einer
weit über zehn Jahre anhaltenden militärischen Dominanz der katholischen
Partei.
In Kürze
-
1618-1648, beginnt als Religionskampf, endet als europäische
Machtauseinandersetzung
-
Hintergrund:
-
Spannungen zwischen katholischen und protestantischen Territorien
und Reichsständen
-
Auseinandersetzungen zwischen Landständen und Fürsten
-
Konflikte zwischen Reichsständen und Kaiser
-
Machtpolitische Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern, Frankreich
und Schweden
-
Anlass des Krieges
Nach einem
innerhabsburgischen Konflikt zwischen seinen kaiserlichen Vorgängern
Rudolf II. und Matthias kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen
dem österreichischen Habsburger Ferdinand und den Reichsständen in
Böhmen um die Krone in Böhmen; böhmische Stände sehen ihre
errungenen Vorrechte bedroht, als Ferdinand II., der Führer der
katholischen Liga, gegen das ihnen eigentlich zugestandene Recht zur
freien Königswahl König wird. Sie setzen ihn ab, und wählen seinen
protestantischen Gegenspieler Philipp II. von der Pfalz, den Führer der
protestantischen Union, zum König (1619). Nach der
Niederlage Philipps V. im Böhmischen Krieg
(Schlacht am Weißen Berg 1620) und der Flucht Philipps
werden die Führer der Aufständischen in Böhmen hingerichtet, ihre Güter
eingezogen und eine umfassende Rekatholisierung des Landes wird
eingeleitet.
-
Verlauf des Krieges
(»
Zeittafel)
Mehr oder weniger zusammenhängende Kriegsereignisse beginnend mit
dem
Böhmisch-Pfälzischen Krieg (1618-23) zwischen Kaiser Ferdinand
II. und dem Kurfürsten Philipp II. von der Pfalz, der von den böhmischen
Reichsständen zum König gekürt wird. Sieg des Kaisers und der
katholischen Liga. Im
Dänisch-niedersächsischen Krieg (1625-29) siegen kaiserliche
Truppen unter ihrem Feldherrn Wallenstein. Auf dem Höhepunkt seiner
Macht erlässt Kaiser Ferdinand II. 1629 das
Restitutionsedikt, mit dem er eine deutliche
Gewichtsverschiebung zu Gunsten des Katholizismus im Reich anstrebt und
entlässt auf Druck Maximilians von Bayerns
Wallenstein. Im
Schwedischen Krieg 1630-35, der durch die Landung des
schwedischen Königs Gustav Adolf II. von Schweden in Pommern beginnt,
wechselt das Kriegsglück häufig. Nach der
Ermordung Wallensteins auf kaiserlichen Befehl 1635 tritt Frankreich
mit regulären Truppen an der Seite der Schweden in den Krieg ein und
damit beginnt der
Schwedisch-französische Krieg 1635-48, in dessen Verlauf nach
schwedischen und französischen Erfolgen eine allgemeine Erschöpfung und
Kriegsmüdigkeit eintritt, die die Mächte nach anfänglichen Verhandlungen
seit 1644 im Jahre 1648 zum
Westfälischen Frieden führt.
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Die kaum noch überbietbare Fanatisierung der politischen Gegensätze
und die Verrohung der Kriegsführung brachte aber, so seltsam dies
auch klingen mag, wenn auch unter Zwang, eine wachsende Bereitschaft "zur Einhegung der zerstörerischen Kräfte. Im Lauf der folgenden Jahrzehnte
entwickelte sich ein Kriegs- und Völkerrecht, das bald allgemein anerkannt
wurde und schließlich zu einer Humanisierung des Kriegsgeschehens führte. Am Ende dieser Schreckenserfahrung wurde die ausweglose Totalkonfrontation
der Weltanschauungssysteme durch die Trennung von Konfession und Politik
überwunden. Das war zugleich ein Schritt hin zum modernen, pragmatisch
bestimmten Verständnis von politischem Handeln." (Schilling1987,
S.164.f.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
15.12.2024
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