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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
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Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
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Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Als das
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Ludwigsburger Schloss und einige wenige Sekundärbauten im Jahr 1709 errichtet
sind, entschied sich
»Herzog Eberhard
Ludwig (1676 - 1733), dem Schloss eine Stadt
hinzuzufügen.
Herzogliche Ansiedelungsangebote
Um Bürger in die zwei Fahrstunden von Stuttgart entfernte, noch
recht unwirtlich wirkende Gegend zu locken, machte der Herzog mit Dekreten
vom 17. August 1709 und 10. Januar 1710 lukrative
Angebote zur Ansiedelung.
Da auf das erste Dekret, das ein kostenloses Haus und
Steuerfreiheit verhieß, niemand zur Umsiedelung in die Gegend ohne wirtschaftliche Basis und ohne jede
geeignete Infrastruktur veranlasst werden konnte, musste der
Herzog im zweiten kundtun, dass er das im Bau befindliche Jagdschloss auch
längere Zeit zur Hofhaltung nutzen wollte und dementsprechend Handwerker,
Geschäfte und Wirtschaftsbetriebe aller Art davon profitieren könnten.
Am 10.
Januar 1710 bewarb sich als erster ein Schreiner namens Bernhard Witter und
erhält vom herzoglichen Baumeister
Johann Friedrich Nette (1672-1714) das
Haus Schlossstraße 11 errichtet. "Es lag genau auf der von Nette mit dem
Gasthaus zum Waldhorn festgelegten Baulinie. So war das Gasthaus zum
'Richthaus' für den gesamten Plan, den der Oberbaumeister für die Stadt
entworfen hatte, geworden. Dieser Plan sah vor, von einer Baulinie, die 200
Fuß westlich der Grenze des Schlossgartens verlief, Straßen im rechten
Winkel bergan zu führen. Rechteckig aneinander gefügte Häusergruppen sollten
sich als umschlossene Wohnquartiere aus diesen Baulinien ergeben." (Sting
2005, S. 69)
Aber noch immer fanden
die Ansiedelungsangebote des Herzogs nicht die erhoffte Resonanz, so
dass er die angebotene Steuerfreiheit in einem weiteren Dekret vom
3. Dezember 1712 auf zwanzig Jahre ausdehnte.
Da aber auch danach offenbar nur ein einziger weiterer
Bürger gewonnen wurde, legte der Herzog mit seinem vierten Aufruf zur
Ansiedelung am 18. Februar 1715 erneut nach. Dieses Mal erging der Aufruf
auch an das Ausland, und jedem, der "sich zu einer von denen im Heil. Röm.
Reich reicipirten Religionen bekennt", wurde im Dekret Religionsfreiheit
garantiert.
Diesem Aufruf folgen dann doch wieder einige Interessenten und
lassen sich Ludwigsburg nieder. Dazu zählten, nachdem »Donato Giuseppe Frisoni
(1683-1735) im November 1715 zum leitenden Architekten für Schloss- und
Stadtbau bestellt worden war, auch Landsleute Frisonis aus Italien, die er als
Facharbeiter und Künstler nach Ludwigsburg holte. Letzten Endes gab es einen
ganzen Häuserblock zwischen Marstall-, Charlotten- und Schlossstraße, der
von italienischen Bauherren mit Ludwigsburger Bürgerrecht errichtet und
bewohnt wurde.
Vor allem Betriebe der Nahrungsmittelwirtschaft, dabei
besonders Gasthäuser wie der Hirschen, der Löwen, der Adler oder die Krone
sprossen bis 1724 aus dem Boden und wurden ergänzt durch Metzger, Bäcker und
Handelsleute. Aber auch wer sich als Perückenmacher (Peruquier) oder Barbier
in der Stadt niederließ, sah wirtschaftlich guten Zeiten entgegen. Nicht
ganz so rosig, wenn auch nicht schlecht, sah dagegen die wirtschaftliche
Lage für Handwerker wie Zimmerleute, Sattler, Schreiner, Schmiede oder
Steinmetze aus. (vgl.
ebd., S.70ff.)
Schon 1718 wurde die noch etwas dürftig aussehende Siedlung zur Stadt
erhoben.
1730 war das Ludwigsburger Schloss, an dessen Bau zahlreiche erfahrene
oberitalienische Künstler und Handwerker mitgewirkt hatten, im Großen und
Ganzen fertig.
Doch noch immer zeigten sich in der von dem Schlossbaumeister Frisoni am Reißbrett entworfenen Residenzstadt viele Baulücken.
Nach dem Tode des 31-jährigen Erbprinzen Friedrich Ludwig im März 1731, des
einzigen Kindes von Herzog Eberhard Ludwig und seiner Gemahlin Johanna
Elisabetha, und dem überraschenden Tod des Herzogs selbst im Oktober 1733,
kam mit
»Herzog Carl Alexander (1684-1737), ein Cousin des verstorbenen Herzogs,
zugleich Vater von Herzog Carl Eugen, an die Macht, der "in erster Linie
Soldat" ist und immer wieder an der Seite des
»Prinzen Eugen (1663-1736) und des Kaisers kämpft. Er regierte
allerdings nur knapp dreieinhalb Jahre.
Stadtentwicklung unter Carl Eugen
Als Herzog Carl Eugen im Alter von sechzehn Jahren am 11. Januar 1744 den
württembergischen Thron bestieg, war für ihn schnell klar, dass das Alte
Schloss in seiner Residenzstadt Stuttgart mit seiner unmodernen Anlage und seiner antiquierten
Innenausstattung seinen Ansprüchen
an eine zeitgemäße Hofhaltung nicht mehr entsprach, so wie er sie am Hof
»Friedrichs
II.(1712-1786), des Großen, als unmündiger Thronerbe Württembergs kennen gelernt hatte. Der
1746 begonnene Umbau des Schlosses in Stuttgart zog sich allerdings noch viele Jahre
hin. (vgl.
Kotzurek 2004, S.121f.)
So
war es Herzog Carl Eugen, der den weiteren Ausbau des ehemaligen
Jagdschlosses von Herzog Eberhard Ludwig wieder voranbrachte. Nachdem er 1764 ganz überraschend mit seinem
Hof von Stuttgart in das Schloss von Ludwigsburg umgezogen war, lässt er die
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Schlossanlage und ihre ausgedehnte Parkanlage ohne Rücksicht auf Kosten den
Bedürfnissen seiner pompösen Hofhaltung anpassen.
Hier in seiner neuen
Residenz und Residenzstadt im Umfeld lebte der Herzog seine barocke "feurige
Gestaltungslust“ (Lahnstein
1981,
S.28) aus, die in einer regelrechten "Bauwut“ gipfelt: "Unter seiner
Herrschaft füllten sich die gähnenden Lücken im Stadtbild, wurde die Stadt
nach Süden erweitert. Die Hauptstraße wurde in Alleen verwandelt, nicht
junge Bäumchen gepflanzt, sondern stattliche Linden und Kastanien mit
mächtigen Wurzelballen von weither herangeschafft […] Er hatte die
Porzellanfabrik ins Leben gerufen, die innerhalb weniger Jahre europäischen
Rang erreichte. Im Winter 1763 auf 1764, nach Beendigung des für ihn so
kläglichen Siebenjährigen Kriegs, ließ er in unglaublich kurzer Zeit in den
Schlossanlagen ein Opernhaus errichten; eine hohe und geräumige Bretterbude,
schön ausstaffiert und für die Aufführung der aufwändigsten Opern
eingerichtet. […] Zur gleichen Zeit baute er sich auf einer Anhöhe südlich
von Ludwigsburg, westlich von Stuttgart, eine Waldresidenz, die
»Solitude,
ließ sie mit Ludwigsburg, durch eine schnurgerade Allee verbinden, die er,
je nach Laune, in glänzender Gesellschaft – eine Schmetterlingswolke – oder
nachdenklich allein durchritt.“ (ebd.,
S.29)
In der Stadt, die ganz auf die Schlossanlage ausgerichtet ist,
entstanden zunächst die Vordere und Hintere Schlossstraße, die Charlotten-
und Marstallstraße, der Kaffeeberg sowie die jetzige Bauhofstraße und andere
wichtige Verkehrswege. Um das Tempo des Stadtausbaus noch zu erhöhen, lud der Herzog seine Ämter ein, ihm Amtshäuser zu bauen, die er dann - Ausdruck
seiner Pfründenwirtschaft - an Günstlinge verschenkte.
In Württemberg, das mit etwa einer halben Million Einwohnern vergleichsweise
dicht besiedelt war, lebten im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, wie
überall in vorindustrieller Zeit, die meisten Menschen noch auf dem Land. Es
gab zwar schon etwa 3.000 Städte in Deutschland, aber nur wenige haben mehr
als 10.000 Einwohner. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 18)
Die demographische Entwicklung
Die
Einwohnerzahlen für Ludwigsburg in den Regierungsjahren Carl Eugens von 1744
bis 1793 sind sehr davon abhängig, ob man die Zeit bevor Ludwigsburg von Carl Eugen wieder zur Residenzstadt gemacht wird (1764), die
Zeit als herzogliche Residenz (bis 1775) oder die Zeit danach betrachtet.
Um
ein zutreffendes Bild zu erhalten, muss man der Anzahl der ortsanwesenden
Einwohner der Residenzzeit, die mit 11.429 Einwohnern nahezu die
Einwohnerzahl Stuttgarts erreicht, eine "echte" Einwohnerzahl von ca. 3.800
Bürgerinnen und Bürger gegenüberstellen.
Während sich die Zahl der "echten
Ludwigsburger" in dieser ganzen Zeit kaum verändert, schwillt die Zahl der
länger oder kürzer ortsanwesenden Einwohner nach der Verlegung des Hofes und
dem Ausbau als Garnisonsstadt ebenso rasch an, wie sie nach der
überraschenden Rückverlegung der Residenz nach Stuttgart im Verlauf des
Jahres 1775 allein um 7.600 Einwohner wieder abnimmt. (vgl.
Sting 2005, S.227)
Die
demographische Entwicklung ist dabei natürlich "allein durch das Kommen und
Gehen der Hofgesellschaft, der 'Spectacle' (Künstler) und der Garnison
verursacht." (ebd.,
S.226)
Als ▪
Friedrich Schiller als siebenjähriger Junge mit seinen
Eltern und Geschwistern nach Ludwigsburg zieht, hat die Stadt 4.033 "echte
Bürger". Dazu kommen wohl noch mehrere Tausend "Gäste", die den vorwiegend
von Vermietung, Verköstigung und Versorgung lebenden Bürgern eine dauerhafte
Erwerbsquelle und einen ordentlichen Wohlstand bescheren. Die
mit Abstand größte württembergische Stadt ist 1787 Stuttgart mit 22.000 Einwohnern, gefolgt von der Universitätsstadt Tübingen
mit 6000 und Ludwigsburg mit 5000 Einwohnern (vgl.
Alt Bd. I., S. 26).
Als
Friedrich Schiller mit der Militärakademie im Jahr
1775 nach Stuttgart
umziehen muss, ist der demographische Aderlass der Stadt schon in vollem
Gange. Die Garnison wird binnen eines Jahres von 6.230 Angehörigen auf 1.360
reduziert und der Hof mit seinen 1.020 Mitgliedern ist nach Stuttgart
entschwunden. Viele Häuser stehen fortan leer. (vgl.
Sting
2005, S.247)
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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht ▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
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Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023
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