Der Anteil, den ich an Ihrer Mündigsprechung genommen habe, interessiert
mich um so mehr für das Glück Ihrer Regierung, als ich mir einbilde, dass
gewissermaßen das Gute und das Schlechte derselben in gleicher Weise auf
mich zurück fallen. In diesem Sinne halte ich mich für verpflichtet, Ihnen
mit freundschaftlicher Offenheit meine Gedanken über Ihren nunmehrigen Beruf
zu entwickeln [...]
Sie werden überall Leute finden, die Ihnen schmeicheln und die Ihr Vertrauen
nur dazu gewinnen wollen, Ihre Gunst zu missbrauchen und Sie selbst zu
beherrschen. Sie werden andere finden, besonders unter den
Regierungsbeamten, die Sie absichtlich in Unkenntnis der Geschäfte setzen
wollen, um diese nach eigenem Belieben zu leiten; die Ihnen die einfachsten
Dinge als besonders schwierig hinstellen, um Ihnen die Arbeit zu entleiden,
und die keine andere Absicht haben, als Sie in der Unmündigkeit zu
erhalten... Sie fragen mich, was dagegen zu tun sei? Erwerben Sie sich
genaue Kenntnis des ganzen Finanzwesens, indem Sie sich einen Sekretär
auslesen, der in irgend einer untergeordneten Stellung sich mit den
Einzelheiten genau befasst hat, und ihm hohe Belohnung in Aussicht stellen,
wenn er Sie über alles auf dem Laufenden hält, was Sie angeht. Die Finanzen
sind der Nerv des Staates. Wenn Sie diese genau kennen, beherrschen Sie
immer das übrige[...]
Seien Sie fest in Ihren Entschlüssen, überlegen Sie vorher genau das Für und
Wider, dann aber ändern Sie um alles in der Welt nicht Ihren Willen; sonst
macht man sich über Ihre Stellung als Gebieter lustig und betrachtet Sie als
einen Menschen, auf den man nicht zählen kann.
Am Ende einer
vormundschaftlichen Regierung werden Sie zweifellos allerlei
Ränkespiel an Ihrem Hofe vorfinden. Bestrafen Sie strenge die ersten
Schuldigen, dann wird jeder sich hüten, ihrem Beispiel zu folgen.
Güte am unrechten Platz ist Schwäche, wie unangebrachte Strenge ein
schweres Verbrechen ist. [...]
Denken Sie ja nicht, dass das Land Württemberg für Sie geschaffen worden
ist, vielmehr dass die Vorsehung Sie auf die Welt hat kommen lassen, um
dieses Volk glücklich zu machen... Und wenn Sie in Ihrem zarten Alter Ihre
Wünsche dem Wohl der Untertanen opfern können, werden Sie nicht nur von
diesen schwärmerisch geliebt, sondern auch von der Welt bewundert werden.
Sie stehen an der Spitze der bürgerlichen Religion des Landes, die in der
Ehrbarkeit und allen sittlichen Tugenden besteht. Ihre Pflicht ist es, sie
in die Tat umzusetzen, vor allem die Menschlichkeit, die die Haupttugend
jedes denkenden Wesens ausmacht. Die Religion des Geistes überlassen Sie dem
höchsten Wesen. Wir alle sind auf diesem Gebiete blind, durch verschiedene
Irrtümer verleitet... Hüten Sie sich daher vor Schwärmerei in der Religion,
die zur Verfolgungssucht führt... Selbst wenn die wahre Religion der
Menschlichkeit Sie nicht zu diesem Verhalten veranlassen würde, so müsste
Ihre Politik diese Richtung einschlagen, denn alle Ihre Untertanen sind
Protestanten. Die Duldsamkeit wird Ihnen gegenüber die höchste Verehrung,
Verfolgungssucht jedoch Abscheu erwecken.
Die Lage Ihres Landes, das an Frankreich und die Staaten des Hauses
Österreich grenzt, zwingt Sie zu einer behutsamen und gleichmäßigen Haltung
gegen diese beiden mächtigen Nachbarn. Lassen Sie keine Vorliebe für den
einen oder den anderen merken, damit sie Ihnen niemals Parteilichkeit
vorwerfen können, denn so oft der eine die Oberhand gewinnt, wird er Sie das
büßen lassen, was er Ihnen vorwerfen zu können glaubt. Trennen Sie sich nie
vom Reich und seinem Haupt. Gegenüber dem Ehrgeiz und der Macht Ihrer
Nachbarn liegt Ihre Sicherheit ausschließlich in der Erhaltung des Reichs
und seiner Zusammensetzung. Wer diese umstoßen will, dem seien Sie immer
feind, denn er will tatsächlich zugleich Sie verderben. Verachten Sie nicht
das Haupt des Reichs, wenn es im Unglück ist, und bleiben Sie ihm so
anhänglich als es möglich ist, ohne sich in sein Missgeschick zu verwickeln.
Genießen Sie Ihre Jugend ohne Missbrauch. Opfern Sie einige Jahre dem
Vergnügen. Dann denken Sie an Heirat. Das erste Feuer der Jugend passt nicht
für die Ehe... Nehmen Sie eine Prinzessin aus zu großem Hause, so glaubt
diese, ihrem Gemahl eine Gnade zu erweisen. Das wäre für Sie sehr
kostspielig, und Sie hätten nur den Vorteil, der Sklave Ihres
Schwiegervaters zu sein. Wählen Sie eine Gemahlin, die Ihnen im Range etwa
gleich steht, so leben Sie glücklicher, da Sie mehr Ruhe haben, und da die
Eifersucht, zu welcher die großen Fürsten ihren Ehehälften Anlass zu geben
pflegen, Ihnen nicht lästig wird.
Ehren Sie Ihre
Mutter, die Ihnen das Leben geschenkt hat. Je mehr Rücksicht Sie
gegen dieselbe üben, desto achtungswerter sind Sie. Nehmen Sie immer
an, dass Sie selbst im Unrecht sind, so oft Sie mit ihr Streit
bekommen. Die Dankbarkeit gegen die Eltern hat keine Grenzen; man
zieht sich Tadel zu, wenn man zu wenig, nie wenn man zu viel zeigt.[...]
Frederic.“
(aus: König Friedrichs des Grossen
Regierungs-Instruction für den gegenwärtig regierenden Herrn Herzog Karl von
Wirtemberg, Februar 1744; Übersetzung aus: Herzog Carl Eugen von Württemberg
und seine Zeit. Herausgeber: Württembergischer Geschichts- und
Altertums-Verein. Bd.1. Esslingen 1907)
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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
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Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
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Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
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Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023