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In jedem Staat gibt es drei Arten von Gewalt: die gesetzgebende Gewalt,
die vollziehende Gewalt in Ansehung der Angelegenheiten, die vom
Völkerrecht abhängen, und die vollziehende Gewalt hinsichtlich der
Angelegenheiten, die vom bürgerlichen Recht abhängen. [...]
Es gibt ferner keine Freiheit, wenn die richterliche Gewalt nicht von der
gesetzgebenden und vollziehenden getrennt ist. Ist sie mit der
gesetzgebenden Gewalt verbunden, so wäre die Macht über Leben und Freiheit
der Bürger willkürlich, weil der Richter Gesetzgeber wäre. Wäre sie mit
der vollziehenden Gewalt verknüpft, so würde der Richter die Macht eines
Unterdrückers haben.
Alles wäre verloren, wenn derselbe Mensch oder die gleiche Körperschaft
der Großen, des Adels oder des Volkes diese drei Gewalten ausüben würde;
die Macht, Gesetz zu geben, die öffentlichen Beschlüsse zu vollstrecken
und die Verbrechen oder Streitsachen der einzelnen zu richten. [...]
Die richterliche Gewalt darf nicht an einen dauernden Senat gegeben, sondern
muss von Personen ausgeübt werden, die zu bestimmten Zeiten des Jahres in
gesetzlich vorgeschriebener Weise aus der Mitte des Volkes entnommen werden,
um einen Gerichtshof zu bilden, der nur so lange besteht, wie die
Notwendigkeit es erfordert.
Auf diese Weise wird die unter den Menschen so schreckliche richterliche
Gewalt, losgelöst von der Bindung an einen bestimmten Stand oder an einen
bestimmten Beruf, sozusagen unsichtbar und zu einem Nichts. [...]
Wenn die gesetzgebende Gewalt der vollziehenden das Recht überlässt,
Bürger in Haft zu nehmen, die für gute Führung Bürgschaft zu stellen
fähig sind, dann gibt es keine Freiheit mehr; [...]
(aus:
Montesquieu,
Vom Geist der Gesetze, Buch XI, Kap. 6,, S.200f.
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