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Die Sklaverei

John Locke (1632-1704)


22. Die natürliche Freiheit des Menschen bedeutet, dass er frei ist von jeder höheren Gewalt auf Erden und nicht dem Willen oder der gesetzgebenden Gewalt eines Menschen untersteht, sondern allein das Gesetz der Natur zu seinem Rechtsgrundsatz erhebt. Die Freiheit des Menschen in der Gesellschaft bedeutet, dass er keiner anderen gesetzgebenden Gewalt untersteht als der durch Übereinkunft in dem Staatswesen begründeten noch unter der Herrschaft eines Willens oder der Beschränkung irgendwelcher Gesetze als lediglich derjenigen, die von der Legislative gemäß dem in sie gesetzten Vertrauen beschlossen werden. [...] Die Freiheit der Menschen unter einer Regierung bedeutet, unter einem feststehenden Gesetz zu leben, welches für alle in jener Gesellschaft gültig ist und von der in ihr errichteten Legislative geschaffen wurde. [...]
23. Diese Freiheit von absoluter und willkürlicher Gewalt ist so notwendig und eng mit der Erhaltung des Menschen verknüpft, dass er sie nichts aufgeben kann, ohne gleichzeitig seine Erhaltung und sein Leben zu verwirken. Denn da der Mensch nicht über das eigene Leben Gewalt hat, kann er sich weder durch einen Vertrag noch durch seine eigene Zustimmung zu irgendjemandes Sklaven machen oder sich der absoluten und willkürlichen Gewalt eines anderen unterstellen, die es jenem erlaubte, wenn es ihm gefiele, ihm sein Leben zu nehmen. Niemand kann mehr Gewalt verleihen, als er selbst besitzt. Und wer sich sein eigenes Leben nicht nehmen darf, kann keinem anderen Gewalt darüber verleihen. Hat er aber tatsächlich durch eigene Schuld, durch irgendeine Tat, die mit dem Tode bestraft werden müsste, sein Leben verwirkt, so mag derjenige, an den er es verwirkt hat (wenn dieser ihn in seiner Gewalt hat), seinen Tod aufschieben und ihn zu eigenen Diensten gebrauchen, ohne ihm damit ein Unrecht zu tun. Scheint jenem nämlich die Drangsal seiner Sklaverei schwerer zu wiegen als der Wert seines Lebens, so steht es in seiner Macht, sich durch Widerstand gegen den Willen seines Herrn den gewünschten Tod zu erwirken.
24. Dies ist der wahre Zustand der Sklaverei, er ist nichts anderes als der fortgesetzte Kriegszustand zwischen einem rechtmäßigen Eroberer und einem Gefangenen. [...] Niemand kann nämlich, wie schon gesagt, auf Grund einer Übereinkunft einem anderen übertragen, was er nichts selbst besitzt: Gewalt über sein Leben. Ich gebe zu, dass wir sowohl bei den Juden als auch bei anderen Völkern sehen können, dass sich Menschen verkauften, allein sie verkauften sich offensichtlich einzig zu schwerer Arbeit und nicht in die Sklaverei. [...] Der Herr eines solchen Knechtes war weit davon entfernt, willkürliche Macht über sein Leben zu besitzen [...].
(aus: John Locke, Über die Regierung (The Second Treatise of Government, 1689), Stuttgart: Philipp Reclam 1981, übersetzt von Dorothee Tidow, S.19 - 21 )
 


   Arbeitsanregungen:

  1. Arbeiten Sie heraus, welche Einstellung John Locke zur Sklaverei besitzt.

  2. Unter welchen Umständen ist sie aber für ihn denkbar?
     

                 
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