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Die
Sklaverei
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22. Die natürliche Freiheit des Menschen bedeutet, dass er frei ist von
jeder höheren Gewalt auf Erden und nicht dem Willen oder der
gesetzgebenden Gewalt eines Menschen untersteht, sondern allein das Gesetz
der Natur zu seinem Rechtsgrundsatz erhebt. Die Freiheit des Menschen in
der Gesellschaft bedeutet, dass er keiner anderen gesetzgebenden Gewalt
untersteht als der durch Übereinkunft in dem Staatswesen begründeten
noch unter der Herrschaft eines Willens oder der Beschränkung
irgendwelcher Gesetze als lediglich derjenigen, die von der Legislative
gemäß dem in sie gesetzten Vertrauen beschlossen werden. [...] Die
Freiheit der Menschen unter einer Regierung bedeutet, unter einem
feststehenden Gesetz zu leben, welches für alle in jener Gesellschaft
gültig ist und von der in ihr errichteten Legislative geschaffen wurde.
[...]
23. Diese Freiheit von absoluter und willkürlicher Gewalt ist so
notwendig und eng mit der Erhaltung des Menschen verknüpft, dass er sie
nichts aufgeben kann, ohne gleichzeitig seine Erhaltung und sein Leben zu
verwirken. Denn da der Mensch nicht über das eigene Leben Gewalt hat,
kann er sich weder durch einen Vertrag noch durch seine eigene Zustimmung
zu irgendjemandes Sklaven machen oder sich der absoluten und
willkürlichen Gewalt eines anderen unterstellen, die es jenem erlaubte,
wenn es ihm gefiele, ihm sein Leben zu nehmen. Niemand kann mehr Gewalt
verleihen, als er selbst besitzt. Und wer sich sein eigenes Leben nicht
nehmen darf, kann keinem anderen Gewalt darüber verleihen. Hat er aber
tatsächlich durch eigene Schuld, durch irgendeine Tat, die mit dem Tode
bestraft werden müsste, sein Leben verwirkt, so mag derjenige, an den er
es verwirkt hat (wenn dieser ihn in seiner Gewalt hat), seinen Tod
aufschieben und ihn zu eigenen Diensten gebrauchen, ohne ihm damit ein
Unrecht zu tun. Scheint jenem nämlich die Drangsal seiner Sklaverei
schwerer zu wiegen als der Wert seines Lebens, so steht es in seiner
Macht, sich durch Widerstand gegen den Willen seines Herrn den
gewünschten Tod zu erwirken.
24. Dies ist der wahre Zustand der Sklaverei, er ist nichts anderes als
der fortgesetzte Kriegszustand zwischen einem rechtmäßigen Eroberer und
einem Gefangenen. [...] Niemand kann
nämlich, wie schon gesagt, auf Grund einer Übereinkunft einem anderen
übertragen, was er nichts selbst besitzt: Gewalt über sein Leben. Ich gebe zu, dass wir sowohl bei den Juden als auch bei anderen Völkern
sehen können, dass sich Menschen verkauften, allein sie verkauften sich
offensichtlich einzig zu schwerer Arbeit und nicht in die Sklaverei. [...]
Der Herr eines solchen Knechtes war weit davon entfernt,
willkürliche Macht über sein Leben zu besitzen [...].
(aus: John Locke, Über die Regierung (The Second
Treatise of Government, 1689), Stuttgart: Philipp Reclam 1981, übersetzt
von Dorothee Tidow, S.19 - 21 )
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Arbeitsanregungen:
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Arbeiten Sie heraus, welche Einstellung
John
Locke zur Sklaverei besitzt.
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Unter welchen Umständen ist sie aber
für ihn denkbar?
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