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26. Gott, der die Welt den Menschen gemeinsam gegeben hat, hat ihnen auch
Vernunft verliehen, sie zum größtmöglichen Vorteil und zur
Annehmlichkeit ihres Lebens zu nutzen. Die Erde und alles, was auf ihr
ist, ist den Menschen zum Unterhalt und zum Genuss ihres Daseins gegeben.
Alle Früchte, die sie auf natürliche Weise hervorbringt, und alle Tiere,
die sie ernährt, gehören den Menschen gemeinsam, weil sie wildwachsend
von der Natur hervorgebracht werden; und niemand hat über irgendetwas,
sowie es sich in einem natürlichen Zustand befindet,
ursprünglich ein
privates Herrschaftsrecht, welches das der übrigen Menschen ausschlösse.
Da die Früchte der Erde dennoch den Menschen zu ihrem Gebrauch gegeben
sind, muss es notwendigerweise, bevor sie dem einzelnen Menschen von
irgendwelchem Wert oder nützlich sein könnten, Wege geben, auf
irgendeine Weise in ihren Besitz zu gelangen. Die Frucht oder das
Wildbret, die den wild lebenden Indianer ernähren, der sich keinerlei
Land eingegrenzt hat und alles als Gemeingut besitzt, müssen sein Eigen
sein, und zwar so sein Eigen, d.h. Teil des Seinen, dass kein anderer mehr
ein Recht darauf haben kann. Erst dann vermögen sie ihm zur Erhaltung
seines Lebens von irgendwelchem Nutzen zu sein.
27. Wenn die Erde und alle niederen Lebewesen wohl allen Menschen
gemeinsam eignen, so hat doch jeder Mensch ein Eigentum an seiner eigenen
Person. Über seine Person hat niemand ein Recht als nur er allein. Die
Arbeit seines Körpers und das Werk seiner Hände, so können wir sagen,
sind im eigentlichen Sinne sein. Was immer er also jenem Zustand
entrückt, den die Natur vorgesehen und in dem sie es belassen hat, hat er
mit seiner Arbeit gemischt und hat ihm etwas hinzugefügt, was sein eigen
ist - folglich zu seinem Eigentum gemacht. Da er es jenem Zustand des
gemeinsamen Besitzes enthoben, in den es die Natur gesetzt hat, hat er ihm
durch seine Arbeit etwas hinzugefügt, was das gemeinsame Recht der
anderen Menschen ausschließt. […]
30. [...] und kraft dieses Gesetzes wird der Fisch, den jemand im
Ozean fängt - jenem großen fortdauernden Gemeingut der Menschheit -,
oder der Bernstein, den jemand dort aufliest, durch seine Arbeit zum
Eigentum dessen, der sich dieser Mühe unterzieht: Diese Arbeit nämlich
enthebt ihn jenem Zustand des gemeinsamen Besitzes, in dem ihn die Natur
belassen hat. […]
(aus: John Locke, Über die Regierung (The Second
Treatise of Government, 1689), Stuttgart: Philipp Reclam 1981, übersetzt
von Dorothee Tidow, S.21f., S.24, S.39 )
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