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Die Staatsformen

John Locke (1632-1704)


132. Wie schon gezeigt worden ist, liegt bei der ersten Vereinigung der Menschen zu einer Gesellschaft naturgemäß die gesamte Gewalt der Gemeinschaft in der Mehrheit. Sie kann diese ganze Gewalt anwenden, um der Gemeinschaft die von Zeit zu Zeit erforderlichen Gesetze zu geben und diese Gesetze durch Beamte vollstrecken lassen, die von ihr selbst ernannt werden. In diesem Fall ist die Regierungsform eine vollkommene Demokratie. Sie kann aber auch die Gewalt, Gesetze zu geben, in die Hände einiger ausgewählter Männer und deren Erben oder Nachfolger legen und dann ist sie eine Oligarchie oder aber in die Hände eines einzigen Mannes und dann handelt es sich um eine Monarchie. Wird sie ihm zusammen mit seinen Erben übertragen, so ist es eine Erbmonarchie, wenn aber nur auf Lebenszeit (so dass bei seinem Tode die Macht, einen Nachfolger zu ernennen, wieder an die Mehrheit zurückfällt), eine Wahlmonarchie. Und dementsprechend kann die Gemeinschaft nach Belieben zusammengesetzte und gemischte Regierungsformen bilden. Wenn die Mehrheit die legislative Gewalt zuerst nur auf Lebenszeit oder für eine begrenzte Zeit einer einzigen oder mehreren Personen überträgt und danach die höchste Gewalt wieder an sie zurückfällt, so kann die Gemeinschaft danach wieder über sie verfügen und sie in beliebige Hände legen und so eine neue Regierungsform schaffen. Denn die Form der Regierung richtet sich nach der Zuteilung der höchsten Gewalt, nämlich der Legislative. Da man unmöglich annehmen kann, dass eine untergeordnete Gewalt einer höheren Vorschriften setzt oder irgendeine andere als die höchste Gewalt Gesetze zu geben vermag, richtet sich nach der Zuordnung der gesetzgebenden Gewalt auch die Form des Staatswesens.
133. Unter einem Staat (commonwealth) will ich allenthalben nicht eine Demokratie oder sonst eine Form der Regierung verstanden wissen, sondern jedwede unabhängige Gemeinschaft - was die Römer als civitas bezeichneten.

(aus: John Locke, Über die Regierung (The Second Treatise of Government, 1689), Stuttgart: Philipp Reclam 1981, übersetzt von Dorothee Tidow, S.99-100 )
 


   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie heraus, die Typologie der Staatsformen nach John Locke heraus.

  2. Überlegen Sie, ob nicht noch andere Kriterien zur Unterscheidung herangezogen werden könnten.
     

                 
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