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Wie im letzten Kapitel gezeigt worden ist, befindet sich der Mensch in dem
Zustand des Krieges aller gegen alle. Jeder wird nur von seiner eigenen
Vernunft geleitet und es gibt nichts - so man es nur in den Griff bekommt
- was einem nicht dabei helfen könnte, sein Leben vor seinen Feinden zu
schützen. So hat dann in einer solchen Lage jeder ein Recht auf alles,
selbst auf das Leben seiner Mitmenschen. Und folglich kann es keine
Sicherheit für den Menschen geben (er mag noch so stark oder klug sein),
sich in der Zeit seines Lebens, die ihm die Natur im Allgemeinen schenkt,
zu erfreuen, solange dieses natürliche Recht eines jeden auf alles
besteht. Als eine Vorschrift oder allgemeine Regel der Vernunft hat daher
zu gelten: Jeder Mensch suche Frieden, solange er hoffen kann, dieses Ziel
zu erreichen, und nehme allen Nutzen und Vorteil eines Krieges wahr, wenn
du zu keinem Frieden gelangen kannst. Die erste Hälfte dieser Regel ist
das erste und wichtigste Naturgesetz, nämlich: Suche Frieden und bewahre
ihn. Die zweite Hälfte besagt: Verteidige dich, ganz gleich auf welche
Art, und schließt somit jegliches Naturrecht in sich. Auf dieses erste
und grundlegende Naturgesetz, welches den Menschen befiehlt, nach Frieden
zustreben, gründet sich das zweite: Zur Erhaltung des Friedens und zu
ihrer eigenen Verteidigung sollen alle Menschen - sofern es ihre
Mitmenschen auch sind -, bereit sein, ihrem Recht auf alles zu entsagen
und sich mit dem Maße an Freiheit zu begnügen, das sie bei ihren
Mitmenschen dulden...
(aus: Thomas Hobbes, Leviathan, XIII, Kapitel, zitiert
nach: Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft, Band 6,
herausgegeben von Peter Cornelius Mayer-Tasch, Reinbek 1965, S. 102 f.)
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