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Krieg aller gegen alle

Thomas Hobbes (1588-1679)


Die Menschen sind von Natur aus gleich, sowohl in ihren körperlichen als auch in den geistigen Anlagen. Es mag wohl jemand erwiesenermaßen stärker sein als ein anderer oder schneller in seinen Gedankengängen, wenn man jedoch alles zusammen bedenkt, so ist der Unterschied zwischen den einzelnen Menschen nicht so erheblich, dass irgendjemand Veranlassung hätte, sich einen Anspruch daraus herzuleiten. Man nehme nur die Körperstärke: Selbst der Schwächste ist stark genug, auch den Stärksten zu vernichten; er braucht sich nur einer List zu bedienen oder sich zu verbinden mit anderen.[...]
Dieser Gleichheit der Fähigkeiten entspringen die gleichen Hoffnungen, ein Ziel zu erreichen. So werden zwei Menschen zu Feinden, wenn beide zu erlangen versuchen, was nur einem von ihnen zukommen kann. Um ihr Ziel zu erreichen (welches fast immer ihrer Selbsterhaltung dient, nur selten allein der größeren Befriedigung ihrer Bedürfnisse), trachten sie danach, den anderen zu vernichten oder untertan zu machen. Und der Angreifer selbst ist wieder durch andere gefährdet.
Die Folge dieses wechselseitigen Argwohns ist, dass sich ein jeder um seiner Sicherheit willen bemüht, dem anderen zuvorzukommen. So wird er sich so lange gewaltsam oder hinterrücks des anderen zu bemächtigen suchen, bis ihn keine größere Macht mehr gefährden kann. Das verlangt nur seine Selbsterhaltung und wird deshalb allgemein gebilligt. Schon weil es einige geben mag, die bestrebt sind, aus Machtgier und Eitelkeit mehr an sich zu reißen, als zu ihrer Sicherheit notwendig wäre. Die aber, die glücklich wären, sich in schmalen Grenzen zu begnügen, würden schnell untergehen, wenn sie sich - ein jeder für sich - verteidigen würden und nicht danach trachteten, durch Eroberungen ihre Macht zu vergrößern. Folglich muss dem Menschen die Ausweitung seiner Macht über andere, zu der ihn sein Selbsterhaltungstrieb zwingt, erlaubt sein.
Das Zusammenleben ist den Menschen also kein Vergnügen, sondern schafft ihnen im Gegenteil viel Kummer, solange es keine übergeordnete Macht gibt, die sie alle im Zaum hält. [...] Er wird dabei so weit gehen, wie er es wagen darf - was dort, wo es keine Ordnungsgewalt gibt, zur wechselseitigen Vernichtung führt.

(aus: Thomas Hobbes, Leviathan, XIII, Kapitel, zitiert nach: Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft, Band 6, herausgegeben von Peter Cornelius Mayer-Tasch, Reinbek 1965, S. 96 ff.)
  


   Arbeitsanregungen:

  1. Arbeiten Sie heraus, wie Thomas Hobbes den Naturzustand des Menschen sieht.

  2. Zeigen Sie auf, welche Konsequenzen sich aus dem "Krieg aller gegen alle" ergeben.

  

                 
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