Bausteine zum Beispielthema

Erörterungsbeispiel

Schülerarbeit mit Mängeln

 
 
Immer wieder kommt es zu Konflikten, wenn muslimische Schülerinnen mit Kopftüchern in die Schule kommen und diese dort nicht abnehmen. Wie erklären Sie sich diese Konflikte? Nehmen sie dazu Stellung.
       
Eine Schülerin hat zu dem Thema die folgende schriftliche Erörterung verfasst:

"Intoleranz, Engstirnigkeit, Unaufgeschlossenheit usw. sind Begriffe, die einem jeden etwas sagen sollten, weil sie an die dunkle Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland erinnern. Dennoch gibt es eine eingeschworene Gemeinde dogmatisch denkender, beschränkter Menschen, die jede Veränderung bzw. jede Fremdheit mit unbegründetem Unverständnis oder sogar Wut begegnen. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die kontroverse Kopftuchdebatte. Muslimische Schülerinnen, die aus Gründen ihres Glaubens ein Kopftuch tragen, werden belächelt, verspottet und isoliert. Erwachsene Musliminnen können die Karriereleiter allenfalls als Putzfrau beschreiten, weil sie am gehobenen Arbeitsmarkt nicht toleriert sind. So dürfen Kopftuch tragende muslimische Frauen offenbar keine Lehrerinnen werden. Kurzum, Minderheiten sind in Deutschland immer noch unerwünscht oder werden sogar gehasst. Wie diese beschränkte Denkweise zu erklären ist, werde ich versuchen im Folgenden zu analysieren und zu erklären.
Weshalb sind Kopftücher in der Schule unerwünscht, wobei es belanglos ist, ob man - oder besser gesagt: Frau - das Kopftuch als Lehrerin oder Schülerin trägt?
Die Masse der Politiker und Eltern hat Angst davor, dass das Tragen eines Kopftuchs durch Musliminnen in der Schule die Entfaltung der freien Meinungsbildung der Schülerinnen und Schüler beeinträchtigt. Denn die Schüler dadurch werden angeblich im Unterricht indoktriniert und zu einem anderen Glauben verleitet. Es ist jedoch so, dass Lehrer katholischen Glaubens ungehindert Kruzifixe tragen dürfen, ohne dass sie den Schülern das Christentum aufzwingen oder suggerieren wollen.
Eine große Zahl von Menschen in unserer Gesellschaft vertritt oder unterstützt die Meinung von Herrn Merz, dem Fraktionschef der CDU im Bundestag, der mit der Aussage von der deutschen Leitkultur einen unglaublichen Disput in Deutschland entfachte. Menschen wie Merz sind der Meinung, dass man sich als Ausländer den deutschen Gepflogenheiten und Sitten anpassen und sich diese anzueignen hat. Man sollte wohl demnach Schweinshaxen mit Sauerkraut essen, bestens über Goethe und Schiller informiert sein und sich geografisch einwandfrei in Deutschland auskennen. Doch sollte sich dann auch jeder, der diese Meinung vertritt, einmal fragen, ob er sich als Deutscher genauso musterhaft verhält, wie er es von den Ausländern erwartet. Denn wie viele von den jährlichen Mallorca-Touristen zum Beispiel benehmen sich dort derart unglaublich daneben, in dem sie Spanierinnen anpöbeln oder die Landschaft der Insel zerstören. Und nicht selten sind sie sogar bewandert mit Goethe und anderen großen deutschen Denkern. Wie viele Deutsche sind denn in der Lage, die Hauptstädte unserer 16 Bundesländer aufzusagen? Viel zu viele beschuldigen Ausländer wegen ihrer Unkenntnis bezüglich der deutschen Sitten, doch sind die meisten von ihnen selbst nicht bewandert auf diesem Gebiet.
Ausländern wird vorgeworfen, ihre Kultur auf Deutsche übertragen zu wollen, infolgedessen reagieren viele mit Angst und Panik. Wer kennt es nicht: Das Klischee vom bösen Türken, der die Frauen schlägt, keine Widerrede duldet und nicht in der Lage ist, sich verbal in Konfliktsituationen auseinander zu setzen. Sicherlich gibt es schwarze Schafe unter Ausländern, aber die gibt es auch unter uns Deutschen. Deshalb wäre es sinnvoll, sich weniger opportunistisch zu verhalten und zu versuchen, eigene Erfahrungen zu sammeln, um sich ein eigenes Bild machen zu können.
Ausländer ist nicht gleich Ausländer! Amerikaner, Engländer oder Franzosen gelten als "cool", Türken, Albaner, Russen usw. hingegen als böse und deshalb unerwünscht. Dies ist ein Phänomen, das vielleicht mit der wirtschaftlichen Lage der Länder begründbar ist. Denkt man beispielsweise an Amerika, assoziiert man sofort Hollywood, Glamour und unbegrenzte Möglichkeiten. Beim Gedanken an die oben genannten, wirtschaftlich schwächeren Länder hingegen an Armut, Kriminalität usw. Der wirtschaftliche, soziale Status und der Esprit eines Landes beeinflussen unser Denken dabei sicher erheblich. Dagegen ist gerade heute, wo die Welt zusammenschmilzt, insbesondere auch Europa, eine neue Denkweise erforderlich und unumgänglich.
In der heutigen Zeit der Globalisierung und der EU-Erweiterung ist es unbedingt nötig, dass wir uns von unserer eingeschränkten nationalen Denkweise lösen und endlich international denken. Der Weg in ein gemeinsames Europa kann nämlich nicht gegangen werden, wenn es immer noch einige gibt, die glauben, dass es über den Grenzen Deutschlands nichts als Einöde gibt.
Meiner Meinung nach sollten wir endlich aus der Geschichte lernen und anfangen, tolerant zu denken. Obgleich ein sich dazu entscheidet, einer bestimmten Religion anzugehören und sich zu ihr zu bekennen, bleibt er trotzdem ein Mensch. Insbesondere in Zeiten der Globalisierung dürfen wir uns nicht anderen Sitten verschließen. Nein, es ist unsere Pflicht, die Sitten zu kennen und sie zu respektieren. Das Groteske und Absurde ist nämlich, dass wir nach Spanien oder in die Türkei in den Urlaub reisen, italienisch essen, demokratische (von den Engländern erfunden!) denken und den Türken von nebenan nur als Ausländer betrachten.
(11. Klasse)

             
 
   Arbeitanregungen:
  1. Ist die Gliederung des Aufsatzes klar und einsichtig?

  2. Sind die vorgetragenen Thesen und Argumente überzeugend entwickelt? (vgl. erweiterte Argumentation)

  3. Was könnte Ihrer Ansicht nach an dem Aufsatz noch verbessert werden?

  4. Beurteilen Sie den gesamten Aufsatz mit Hilfe des Feedback-Formulars zur Problemerörterung.