"Wenn ein Schauspieler auf der Bühne, bei offener
Szene lachen muss, so dass er den Ernst der Handlung empfindlich
stört, ist es so schlimm, wie wenn eine Trauergemeinde am Sarge
eines Verstorbenen das Lachen verbeißt, weil ein in der Stadt
bekannter Sonderling zum ersten Mal in einem Seidenhut auftaucht und
noch dazu einem altmodischen. Selbstverständlich ist das
Lachen auf offener Szene streng verpönt. Dennoch gibt es auf dem
Theater Augenblicke, wo die Strafandrohung versagt [...].
Eine tragische Szene, die merkwürdiger Weise sehr oft "verlacht"
wird, ist die Abschiedesszene der Maria Stuart. Die Länge des
Abschiednehmens, das oft sich wiederholenden Aufschluchzen der
Frauen der Königin, der Gedanke, dass man hier um einen Kopf weint,
der in Wirklichkeit nie vom Rumpfe getrennt wird, das unaufhörliche
Schneuzen der in Tränen zerfließenden Theaterbesucher, ferner die
Trauermusik hinter der Szene, das tiefe "lasst es geschehn" des
Paulet und das gewöhnlich noch tiefere "es sei" des Burleigh
bewirken hier zwingende Lachmöglichkeiten, die eigentlich nur der
verstehen kann, der das Jammern und Abschiednehmen in dieser Szene
schon etwa fünfzig bis hundert Mal durchgekostet hat. "
(aus: Schwäbischer Merkur, 9.2.1922, zit. n.
Grawe (Hrsg.) 1978, S.195)