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Bausteine

Die komparativische Erzähltechnik bei der Figurengestaltung untersuchen

Thomas Mann: Buddenbrooks

 
FAChbereich Deutsch
Glossar
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Erzählformen und Erzählverhalten (Petersen)
Überblick
Erzählform
Standort des Erzählers (point of view)
Erzählperspektive (Sichtweise)
Erzählverhalten
Erzählhaltung  
Darbietungsweisen

Komparativisches Erzählen wird in den •»Buddenbrooks« von • Thomas Mann vor allem bei der • Figurengestaltung und dabei besonders bei der Charakterisierung verschiedener Generationen der Buddenbrooks sichtbar.

Ganz allgemein kann im Zusammenhang mit der komparativischen Figurengestaltung festgehalten werden:

  • "Das eine Porträt erhält seine Glaubwürdigkeit durch das danebengehaltene Porträt des anderen" und erlangt damit "Plastizität und Individualität" (Koopmann 1995, S.67) 

  • Vogt betont dagegen die eher typisierende Wirkung dieser Charakterisierungen, die so angelegt seien, "dass sie Familienähnlichkeit einerseits, Generationsunterschiede andererseits herausstellen" (Vogt 1995, S.16) 

Im Vergleich von • Johann Buddenbrook sen. (1765-1842) und • Konsul Johann (Jean) Buddenbrook (ca. 1800 - 1855) wird das Prinzip dieser Erzähltechnik schon am Romanbeginn sichtbar, wie die nachfolgenden Textauszüge zeigen, aber sie reichen auch über mehrere Generationen hinweg:

Johann Buddenbrook sen. (1765-1842)

"Sein rundes, rosig überhauchtes und wohlmeinendes Gesicht [...] wurde von einem schneeweiß gepuderten Haar eingerahmt, und etwas wie ein ganz leise angedeutetes Zöpflein fiel auf den breiten Kragen seines mausgrauen Rockes hinab. Er war, mit seinen siebenzig Jahren, der Mode seiner Jugend nicht untreu geworden; nur auf den Tressenbesatz* zwischen den Köpfen und den großen Taschen hatte er verzichtet, aber niemals im Leben hatte er lange Beinkleider getragen. Sein Kinn ruhte breit, doppelt und mit einem Ausdruck von Behaglichkeit auf dem weißen Spitzen-Jabot.**"
(I, S.8/1) [...].

* ein aus Gold- und Silberfäden oder auch mit Seide, Lahn und Kantille gewebter Bandstreifen oder eine Borte zum Besatz von Kleidungsstücken, Tapetenbeschlägen und dergleichen. Der »Kettfaden besteht in der Regel aus gelber oder weißer Seide, der »Schussfaden aus einem Garngespinst aus Gold- oder Silberfäden.

** Spitzenrüsche, die am Hemd befestigt wird

Konsul Johann (Jean) Buddenbrook (ca. 1800 - 1855)

Der Konsul "trug einen zimmetfarbenen Rock mit breiten Aufschlägen und keulenförmigen Ärmeln, die sich erst unterhalb des Gelenks um die Hand schlossen. Seine anschließenden Beinkleider bestanden aus einem weißen, waschbaren Stoff und waren an den Außenseiten mit schwarzen Streifen versehen. Um die steifen Vatermörder*, in die sich sein Kinn schmiegte, war die seidene Krawatte geschlungen [...]. Er hatte die ein wenig tiefliegenden, blauen, aufmerksamen Augen seines Vaters, wenn ihr Ausdruck auch vielleicht träumerischer war; aber seine Gesichtszüge waren ernster und schärfer, und seine Nase sprang stark hervor, und die Wangen, bis zu deren Mitte blonde, lockige Bartstreifen liefen, waren viel weniger voll, als die des Alten." (I, S.9/2)

* ein steifer, vorne offener, hoher Stehkragen des Herrenoberhemdes, dessen lose nach oben abstehenden spitzen Enden  bis über das Kinn reichen; im Biedermeier und im Vormärz,  etwa zwischen 1815 und 1848 besonders beliebt;

Thomas Buddenbrook (1826-1875)

"Aber unter den soliden, biederen und ehrenfesten Bürgern waren viele, die den Kopf schüttelten ... [...] Ein bißchen prätentiös, dieser Thomas Buddenbrook, ein bißchen … anders: anders auch als seine Vorfahren. Man wußte, besonders der Tuchhändler Benthien wußte es, daß er nicht nur seine sämtlichen feinen und neumodischen Kleidungsstücke – und er besaß deren ungewöhnlich viele: »Pardessus, »Röcke, Hüte, Westen, Beinkleider und Krawatten – ja auch seine Wäsche aus Hamburg bezog. Man wußte sogar, daß er tagtäglich, manchmal zweimal am Tag das Hemd wechselte und sich das Taschentuch und den à la Napoleon III. ausgezogenen Schnurrbart parfümierte. Und das alles tat er nicht der Firma und der Repräsentation zuliebe – das Haus » Johann Buddenbrook« hatte das nicht nötig –, sondern aus einer persönlichen Neigung zum Superfeinen und Aristokratischen. [...] Und dann diese Zitate aus Heine und anderen Dichtern, die er manchmal bei den praktischsten Gelegenheiten, bei geschäftlichen oder städtischen Fragen in seine Rede einfließen ließ … [...] an Konsul Buddenbrook war »ein bißchen was Gewisses«  [...]“ (V,8 - S.294/176f.)  "

Die komparativischen Bezüge der Figuren zueinander reichen also auch über mehrere Generationen hinweg. So auch, wenn • Johann Buddenbrook sen. (1765-1842) kurz vor seinem Tod die Bilder seines Lebens mit dem Ausdruck "kurios" bezeichnet (vgl. S.71/39, Textauszug)  und damit im Ansatz die Reflexionen seines Enkels • Thomas Buddenbrook (1826-1875) im Rahmen des so genannten • "Schopenhauer-Erlebnisses" (vgl. S. 653-659/395-398) vorwegnimmt (vgl. Ernst Keller 1988, S.174)

Dabei gilt es zu beachten, dass die Bedeutung von Monsieur • Johann Buddenbrook sen. (1765-1842), dem im gesamten Roman ja nur eine untergeordnete Rolle zukommt, unter dem Aspekt komparativischen Erzählens besonders groß ist. Denn er "ist die Figur, an der alle nachfolgenden Gestalten der Familie gemessen werden. In ihm erreicht die Familie den Scheitelpunkt ihres Aufstiegs." (Keller 1988, S.173)

(Seitenangaben in der Reihenfolge a/b beziehen sich auf die folgenden Ausgaben des Textes: a) Thomas Mann, Buddenbrooks, Frankfurt; Fischer 1999/2008,; Mann, Thomas. Buddenbrooks: Verfall einer Familie (Fischer Klassik). b) FISCHER E-Books. Kindle-Version)

Erzählformen und Erzählverhalten (Petersen)
Überblick
Erzählform
Standort des Erzählers (point of view)
Erzählperspektive (Sichtweise)
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Erzählhaltung  
Darbietungsweisen

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 21.04.2024

       
    Arbeitsanregungen
:
  1. Arbeiten Sie heraus, inwiefern bei den beiden Textauszügen in ihrem Kontext komparativisches Erzählen erkennbar ist.
  2. Überlegen Sie, welche Wirkung von dieser Erzähltechnik ausgeht.
 
 
 

 
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