Arbeitsanregungen zur
Textanalyse
In der
literaturwissenschaftlichen Sekundärliteratur zu
Thomas
Manns Roman »Buddenbrooks« finden
sich verschiedene Urteile und Interpretationsansätze zur Figur
Johann Buddenbrook (1765 - 1842)
sen.

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Hier können Sie
sich mit einer kleinen Auswahl davon auseinandersetzen und dabei
überprüfen, ob Sie sich Ihrer Ansicht nach am Text belegen lassen.
Ernst Keller, 1988:
"Johann Buddenbrook, der Ältere ist die Figur, an
der alle nachfolgenden Gestalten der Familie gemessen werden. In ihm
erreicht die Familie den Scheitelpunkt ihres Aufstiegs. [...] Er ist ein
Mann von klarem Tatsachensinn und einfachen Begriffen [...] ist auf der
Höhe seiner Zeit, macht sich die Anschauungen der Aufklärung zu eigen
und hat im Gegensatz zu seinen Nachkommen kein Bedürfnis, sein Leben
durch Religion oder Metaphysik zu erklären." (Keller
1988, S.173)
Jochen Vogt, 1995
"Zugespitzt könnte man formulieren, dass die
protestantische Ethik die ökonomisch notwendigen Praktiken des
Kapitalismus dem frommen Kaufmann oder Unternehmer als Christenpflichten
subjektiv annehmbar und verbindlich macht, sie moralisch legitimiert - und
ihn damit zugleich für die kapitalistische Praxis motiviert. [...] In
diesem Sinn ist das »Dominus providebit« über dem Buddenbrookschen
Portal ein Fundamentalsatz protestantischer Ethik - und keiner nimmt ihn
im Roman so ernst [...] wie Johann Buddenbrook der Jüngere. Sein Vater
freilich, der selbst noch Züge eines frühkapitalistischen 'merchant
adventurer' trägt, kann und will im Ethos seine Sohnes nur 'christliche
und phantastische Flausen' sehen, die den nüchternen Notwendigkeiten des
Geschäfts im Wege stehen; er ist blind gegen die produktive Funktion der
frommen Geschäftsgesinnung." (Vogt
1995, S.41)
Helmut Koopmann, 1995
"Johann Buddenbrook, der in der Zeit der
Aufklärung groß geworden war - er ist 1765 geboren -, hat zur Religion
das Verhältnis einer spöttischen Toleranz, das die Dunkelheiten und
Lehrmeinungen der protestantischen Theologie nicht mitmachte. [...] Er hat
etwas von der Welt gesehen, ist ein aufgeklärter Skeptiker geblieben
[...] und plädiert im Übrigen für praktische und angewandte
Toleranz." (Koopmann
1995, S.53)
Fred Müller, 1998
"Im Verlauf des Romans wird Monsieur Johann
Buddenbrook als Geschäftsmann mit festen und nüchternen Grundsätzen
beschrieben. Er [...] ist frankophil [...] und schätzt die Prinzipien der
Aufklärung. Entsprechend ist sein Weltbild optimistisch-vernünftig.
Alles Übertriebene, besonders im Bereich des Weltanschaulichen ist ihm
suspekt und lächerlich. In seiner politischen Einstellung zeigt er zwar
Sympathien für fortschrittliches, demokratisches Denken, bleibt aber doch
im Innern der konservative Patrizier [...] und zieht im gesellschaftlichen
Bereich strenge Grenzen, was die Auswahl des Umgangs betrifft. Sein
Verhältnis zur Religion ist distanziert". (Fred
Müller 1988, S.28)

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Helmut Bensmeier, 2008
"Mit seiner Selbstbewusst- und Aufgeklärtheit ist er ein
typischer Vertreter des Großbürgertums im späten 18. Jahrhundert
[...] Aber trotz seines fortschrittlichen und demokratischen Denkens
bleibt seine Innenwelt vom konservativen Patriziertum geprägt." (Bensmeier
2008, S.23)
Solvejg Müller, 2010
"Der energische und
optimistische Unternehmer ist dem Geist der Aufklärung verhaftet.
Symbol dieser Haltung ist z. B., dass er zur Unterhaltung Flöte, dem
bevorzugten Instrument von Aufklärung und Rokoko, spielt. Auch seine
gepuderte Perücke, seine Vorliebe für französische Redewendungen,
versetzt mit niederdeutschen Ausdrücken, wie z. B. im Romananfang,
und für Parkanlagen, sind in diesem Zusammenhang zu verstehen.
Seiner Tatkraft entspricht, dass er sich Napoleon zum Vorbild
erwählt hat. [...] Religion bewertet der protestantische Kaufmann
skeptisch [...]." (Müller
2010, S.57f.)
Thomas Brand, 2012
"Trotz seiner
Weitsicht und Aufgeklärtheit ist Johann Buddenbrook sr. in privaten
Angelegenheiten unnachgiebig. So hat er sich mit seinem ersten Sohn
Gotthold überworfen [...]. Gotthold ist [...] eine Mesalliance
eingegangen. Ein Prinzip des alten Buddenbrook ist also, dass sich
das Privatleben dem Geschäft unterzuordnen hat. Interessant ist
dabei, dass er selbst sich nicht ausschließlich daran gehalten hat,
denn die Ehe mit seiner ersten Frau, Josephine, wird ausdrücklich
als Liebesheirat bezeichnet (54). Dagegen ist die zweite Ehe eher
eine Zweckehe [...]." (Brand
2012, S.48f.)

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Hans-Peter Tiemann, 2011
"Das [...] Familienoberhaupt der ersten Generation verkörpert den
Typus des konservativen, genussfreudigen und lebensfrohen
Patriziers mit gesundem Selbstwertgefühl und stabiler
Identität. Aufgewachsen in der Epoche der Aufklärung,
zeigt er nüchterne kaufmännische Grundsätze, Familiensinn, eine
frankophile Verehrung für Napoleon und eine spöttische Haltung
gegenüber dem Protestantismus [...]." (Tiemann
2011, S.61)
Sebastian Zilles, 2018
"Die über vier
Generationen entfaltete Degeneration [...] verdeutlicht
zweierlei: Das Bild des bürgerlichen Kaufmanns wird demontiert
und entwertet: War Johann Buddenbrook d. Ä. auf
selbstverständliche und naive Art Kaufmann, so ist es sein Sohn
Jean willig, aber er reflektiert über die Moral seines Berufes
aus wirtschaftlichen Gründen. Thomas Buddenbrooks Dasein kommt
dem eines »Schauspielers« (677) gleich; er vollzieht eine
erzwungene Anpassung, zu der sein Sohn Hanno nicht mehr in der
Lage ist und sich den an ihn gestellten Forderungen als
Stammhalter der Firma in spe entzieht [...] Die
Veränderung Auffassung des Kaufmannberufs korreliert zugleich
jener Verfallsgeschichte, die sich mit der sich wandelnden
Haltung der Generationen zum Leben abzeichnet: Die
Unbekümmertheit der ersten beiden Generationen wird mit der
reflektorisch eingefärbten und religiös überhöhten
Lebensauffassung Jeans und der mühsam aufrechterhaltenen 'Maske'
Thomas Buddenbrooks kontrastiert und und mündet in der vierten
Generation in der Selbstaufgabe." (Zilles
2018, S.83)
Andreas Blödorn/Sebastian Zilles 2018
"Unbefangenheit
und Unbekümmertheit Johann Buddenbrooks (1. Generation)
kontrastiert [...] bereits zu einem Rollenverhalten stilisierte
Gebaren seines Sohnes Jean (2. Generation), das jedoch erst bei
dessen Sohn Thomas (3. Generation) zur nur noch noch mühsam
aufrechterhaltenen 'Maske' erstarrt und in der vierten
Generation , mit Hanno, schließlich gänzlich in die Hingabe an
Todessehnsucht und in die Selbstaufgabe umschlägt."
(Blödorn/Zilles 2018, S.84)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
21.04.2024
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