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[...] Dies ist also das Geheimnis der Menschenbildung: man lasse den Menschen
sich ungehindert entfalten, dann wird er gut. Tritt aber Fremdes von außen
in den Menschen ein werden ihm z. B. naturwidrige, künstliche
Religionslehren auferlegt, so ist er gefährdet; hat diese Unnatur erst
einmal in ihm Wurzel geschlagen, dann kann es so weit mit ihm kommen, dass
dadurch religiöser Fanatismus im ihm großgezogen wird und dieser alle
natürliche Güte in ihm erstickt - der Mensch ist verloren. Darum ist mit
Notwendigkeit der einzige wirklich böse Mensch ein Priester; er ist der
Natur am fernsten, der Hölle am nächsten.
In alldem tritt eine auffallende Überschätzung der natürlichen Güte des
Menschen zutage. Das erklärt sich - wie schon gesagt - historisch aus dem
Einfluss des Zeitgeistes, der Sache nach aber erklärt es sich daraus, dass
diesem Pochen auf das gute Handeln die prinzipielle Unterscheidung zwischen
der zwar legalen, aber aus böser Gesinnung stammenden und darum trotz des
äußeren Scheins bösen und der lediglich aus sittlichen Motiven
hervorgehenden und darum allein wirklich gut zu nennenden Tat fehlt, dass
daher alle bloß legalen Handlungen fälschlich als sittlich gut bewertet
werden. Legt man diesen strengen Maßstab an die Menschen des Dramas, so
zeigt sich, dass sie zum Teil sittlich gar nicht so hochstehend sind, wie
sie scheinen. Die Art, wie z. B. Saladin dem Tempelherrn das Leben schenkt,
ist unethisch durch und durch; eine flüchtige, höchst oberflächliche, fast
gedankenlose Regung veranlasst ihn dazu, es ist eine Tat der Willkür, nicht
des guten Willens. Nur dass das Resultat der Sultanlaune diesmal zufällig
ein angenehmes ist, verführt dazu, dies Tat für ethisch zu halten. Saladin
merkt gar nicht, welch Widerspruch in seinen Worten liegt, wenn er - sich
über sich selbst freuend - ausruft.
Wie aus einer guten Tat,
Gebar sie auch schon bloße Leidenschaft
Doch so viel andre gute Taten fließen. [III,7
V 2104ff.]
Eine Tat aus bloßer Leidenschaft, zu welchem Ergebnis sie auch führen
mag, ist ethisch nie gut. Denn eine Handlung hat nie an sich ethischen Wert
als Handlung, sondern immer nur als Produkt der Gesinnung, aus der sie als
ihrer Quelle geflossen ist.
Dies führt auf den springenden Punkt: die wesentliche Schwäche der ethischen
Auffassungen im »Nathan« besteht darin, dass der Handlung hier Eigenwert
zukommt. Die Handlungen sind losgelöst con der Gesinnung, sie stehen den
Menschen als etwas Selbständiges gegenüber und die Menschen freuen sich,
wenn sie ihre Taten betrachten, gerührt, was für erstaunliche Leistungen sie
doch zuwege gebracht haben. Und beglückt durch so ein großes Quantum guter
Taten klatschen sie sich und andern Beifall.
Ja, selbst die innigste und gehaltreichste Szene des ganzen Werkes droht
durch diese tugendstolze Werkgerechtigkeit entstellt zu werden. Als Nathan
sich anschickt, der frommen Einfalt das heiligste Erlebnis seine Lebens zu
enthüllen, da kann er auch nicht anders als mit ausgestrecktem Tugendfinger
auf die erstaunliche Güte seiner Tat hinzuweisen (IV,7). Er gerate jetzt in
schwere Gefahr, ruft er aus, "wegen einer Tat! - Ah, wegen einer Tat!" und
ruhiger fügt er hinzu:
Euch
Allein erzähl ich sie. Der
frommen Einfalt
Allein erzähl ich sie.
Weil die allein
Versteht, was sich der gottergebne Mensch
Für Taten
abgewinnen kann. [IV,
7 V 3031-3035]
Auch hier erscheint die Tat losgelöst von der Gesinnung als eine
selbständige Leistung, die man sich abquälen kann. Und in Erinnerung an
diese Tat ist Nathan noch nachträglich bis zu Tränen gerührt ob seiner Güte.
[...] Prüft man nun nach, welches denn diese Tat von so erschütterndem Werte
ist, so entdeckt man: ein Jude hat die Tochter eines christlichen Freundes,
der ihm mehrfach das Leben gerettet hatte, als eigenes angenommen, nachdem
andere Christen aus Glaubensfanatismus ihm sein Weib und seine sieben Söhne
getötet haben. Ist an dieser allerdings ethischen Tat aber irgend etwas
Außerordentliches, dass sich der gottergebene Mensch so mühsam "abgewinnen"
müsste? [...]
1. Der aus der aufklärerischen Werkgerechtigkeit stammende Bergriff des
Sich-Abgewinnens droht, sagte ich, die wertvollste Szene zu entstellen.
[...] Nathans damaliges Ringen mit sich selbst verläuft in drei deutlich
erkennbaren Stadien.
Zuerst schmettert ihn der fürchterliche Verlust völlig nieder.[...] Denn
alle seine Wünsche sind durchkreuzt, sein Lebensglück mit eins zerschlagen.
Und warum?? Welcher Sinn steckt in diesem Ereignis?! - Er findet ihn nicht.
- Welche Güte der göttlichen Vorsehung gibt sich darin kund?? - Es klingt
wie Hohn, auch nur danach zu fragen. Verständlich und - menschlich
gesprochen - notwendig ist daher seine Auflehnung gegen diese Macht, die
hart und erbarmungslos über seinen Willen zur Tagesordnung übergeht, von
deren Güte und Weisheit er nichts, aber auch gar nichts wahrnimmt. Sein
Wille und der Wille Gottes stehen sich gegenüber - als zwei selbständige,
sogar gegnerische Größen.
Wie wird nun die Versöhnung beschrieben?
Allmählich gewinnt die Vernunft, die er nicht kommandiert, sondern die von
selbst kommt, wieder Gehör bei ihm und flüstert ihm zu, dass der Glaube an
die Vorsehung auch darin besteht, dass man der Vorsehung auch da vertraut,
wo man sie nicht versteht: "doch war auch Gottes Ratschluß das". [IV,7
V 3054] Sie fordert also von ihm Aufgeben des eigenen Willens als sein
Werkzeug, so dass nur ein Wille noch existiert im Menschen und es
heißen kann: ich und der Vater sind eins.
Wie aber dieser Umschwung sich vollzieht, wie der göttliche Wille im
Menschen Herr wird über den egoistischen Willen, das lässt sich nur
andeuten:
Ich stand! und rief zu Gott:
ich will!
Willst du nur, dass ich will!
[IV,7 V 3058f.]
Das heißt doch immerhin so viel: der Mensch hat es, ob er seinen Willen
noch so sehr anstrengt, nicht in der Hand, diesen Vorgang herbeizuführen, er
wird durch eine höhere Macht herbeigeführt. Dieser Akt ist letztlich
unerforschlich irrational.
Die dritte Stufe der innern Entwicklung zeigt nun den Übergang von der
Gesinnung zur Tat. Die innere Entwicklung ist überwunden, Nathan hadert,
obwohl er das Geschehene nicht versteht, nicht mehr mit Gott, sein
Eigenwille ist unterworfen, und er ist bereit zu tun, was für ihn jetzt
dieser ganz konkrete Wille Gottes sein wird. Er lässt, was dahinten liegt,
auf sich beruhn und wendet sich dem zu, was vor ihm liegt als Aufgabe. Das
wird ihm das "Würmchen" Recha gebracht, nun ist der Wille Gottes nichts
Abstraktes mehr, sondern ganz bestimmt ist es ihm von der Vorsehung
vorgeschrieben, was er zu tun hat, und er gehorcht. Es ist für ihn ganz
selbstverständlich, dass er dies hilflose Menschenkind, das noch dazu die
Tochter seines Freundes ist, aufnimmt; aus herzlichem innern Antrieb fasst
er's in die Arme und dankt Gott für diese Gabe, die er ihm anstelle der
verlorenen Kinder geschenkt hat. Er ist dem tätigen Leben wiedergegeben, und
Recha ist das vornehmste Objekt seiner aus der Einheilt mit dem göttlichen
Willen stammenden Aktivität.
In Nathans Handlung zeigt sich auch nicht mehr der kleinste Rest von
mühsamem Sich-Abgewinnen, es findet sich auch nicht die leiseste Andeutung,
dass Nathan hier die "höchste sittliche Aufgabe, die es für den Menschen
geben kann, die Feindesliebe"* erfüllt. Vielmehr liegt das ganze
Schwergewicht der Szene in dem mittelsten der drei Entwicklungsstadien: in
dem ergebenen Einswerden mit dem göttlichen Willen. Was folgt, die dankbare
Annahme des Kindes als eines neuen Lebensinhaltes, hat keinen Eigenwert
mehr, es ist der selbstverständliche, überwindungslose Ausfluss von Nathans
göttlich-menschlichem Willen.
Aber - das ist zuzugeben - Lessing selbst hat das reine Verständnis dieser
Szene erschwert durch das Wort, dass Nathan sich diese Tat habe "abgewinnen"
müssen. Dadurch ist der Anschein erweckt worden, als sei das wirklich
Wertvolle wirklich die Tat und nicht vielmehr das, was der Tat im Gemüt
vorangeht. Tatsächlich ist hier eine Unstimmigkeit vorhanden; es stehen
einfach zwei fremdartige Elemente unausgeglichen und auch feindselig
nebeneinander: das aufklärerische Pochen auf die tugendhaften Handlungen,
die der Mensch aus eigener Kraft und eigenem freien Willen vollbringt, die
daher seine verdienstlichen Leistungen sind, und die Auffassung von der
nicht aus eigener Kraft herbeigeführten Gottergebenheit, die den Menschen
aus innerem Zwange zu handeln treibt, ohne dass der geringste Raum für das
Rühmen der eigenen Tugendhaftigkeit bliebe.
Wir haben es also mit einem Motiv - dem wertvollsten um ganzen Drama - zu
tun, das noch nicht zur vollen Entfaltung gekommen ist. Um so genauer müssen
wir es ins Auge fassen. Die religiöse Lehre, welche die Szene verkündigen
will, ist klar zu erkennen: wer wie Nathan dazu gelangt ist, allen
Eigenwillen abzulegen und sich dem Willen Gottes zu ergeben, der ist aus dem
Stand der Unfreiheit in den Stand der Freiheit übergetreten. Solange er
einen eigenen freien Willen zu haben behauptete, war er unfrei, jetzt, wo er
unfrei ist, gelangt er zur Freiheit. Von diesem Zentralpunkt seines neuen
Wesens aus führt er nun sein Leben. Da er aus dem göttlichen Willen heraus
handelt, hat er mitten in aller Unruhe die tiefe Ruhe und die unverwirrbare
Klarheit des Gemüts, und daher ist ihm sein Handeln selbstverständlich, von
innen heraus, er bespiegelt sich nicht in seinen Taten - "ah, was für Taten!
- und wenn er über sie reflektieren sollte, so würde er eher an ihre
empirische Unvollkommenheit als an ihre - eingebildete - tadellose
Vorzüglichkeit denken. Auch der mit sich und besonders mit seinem an Recha
geleisteten Erziehungswerk so absolut zufriedene Nathan könnte nur dadurch
gewinnen, wenn ihm in seiner Gottähnlichkeit wenigstens einmal auch nur von
ferne der Gedanke an die Möglichkeit ahnungsweise aufdämmerte, dass er
vielleicht nicht in jedem Fall bei Recha immer nur das Vollkommenste getan
haben könnte.
Die Unausgeglichenheit der beiden Gedankengruppen erklärt sich ohne Zwang
aus dem Leben Lessings und der Entstehung des Dramas. Den Nathan-Stoff
nämlich trug Lessing lange Jahre mit sich herum, und als ihm nach dem
gewaltsamen Ausbruch der Polemik gegen Goeze der Gedanke an ein religiöses
Drama kam (August 1778), brauchte er nur auf einen bereits vorhandenen
Entwurf zurückgreifen. Auch seine ethisch-religiösen Anschauungen standen im
wesentlichen fest, als der Fragmentenstreit begann (Ende 1777 der erste
Angriff; ein wichtiges Stück in dieser Gedankenwelt ist die Überzeugung von
der natürlichen Güte des Menschen. Daher ist die starke Betonung der
Tugendhaftigkeit dem Drama von vornherein eigentümlich. - Dann kam der
Januar des Jahres 1778, der Lessing den neugeborenen Sohn und die
inniggeliebte Frau kostete und ihn aufstöhnen ließ im Schmerz über das, was
ihn betroffen - die gewaltigen Briefe des Innersten erschütterten Mannes
legen Zeugnis davon ab. Damals haderte er mit Gott wie Nathan. In jener
schwersten Heimsuchung seines Lebens - das ist längst erkannt worden - liegt
der Keim zu dieser zartesten Szene, die Lessing geschaffen hat. "Und alles
ist Frucht und alles ist Same"; ohne Evas Tod hätte diese Szene nicht
entstehen können. Besteht aber dieser Zusammenhang, so gibt sie uns einen
Aufschluss über Lessings Innerstes, den uns seine Briefe nicht geben. Denn
sie lässt und ahnen, dass der Mann, der wie Nathan sich gegen die Vorsehung
aufbäumte, doch auch wieder wie Nathan der Stimme der "Vernunft" Gehör
schenkte, die zu ihm mit sanfter Stimme sprach:
und doch ist Gott!
Doch war auch
Gottes Ratschluß das! [IV,7
V 3053]
Wer diese Szene dichten konnte, der wird, so dürfen wir annehmen, auch
selbst etwas von dieser Gottergebenheit sein eigen genannt haben. [...]
2. Ergebenheit in Gott ist also der Zentralbegriff Lessingscher
Frömmigkeit, daneben tritt - doch in innerster Abhängigkeit - die Liebe. Die
Ergebenheit in Gott nämlich ist der Zustand des Gemüts, aus dem heraus
Nathan handelt, und das Handeln, das aus diesem Quellpunkt fließt, ist
selbstlos auf das Wohl der Mitmenschen gerichtet, ist Liebe. In welchem
Umfange die Betätigung der Nächstenliebe innerhalb des Dramas zur Anschauung
kommt, braucht nicht im einzelnen dargelegt zu werden. Die meisten Personen
sind ja von der Bereitschaft erfüllt, anderen zu helfen; und fragt man:
warum? so erhält man die Antwort: "Genug, es ist ein Mensch!" [I,2
V 350]
Nur ein Zug an Nathan, der in besonderem Maße die Verkörperung der
Nächstenliebe ist, soll hervorgehoben werden, weil er infolge seiner
Schlichtheit und Einfachheit den markanteren Handlungen und besonders dem
etwas aufdringlichen Herumwerfen mit Geld gegenüber leicht zurücktreten und
wohl gar ganz verlorengehen könnte.
Es ist gegen Ende des Dramas (V,8). Saladin hat den Tribut aus Ägypten
erhalten, er will nun Nathan die geliehenen Summen - es handelt sich um eine
erkleckliche Anzahl goldgefüllter Beutel - sofort zurückerstatten, und das
ist das erste, womit er ihn begrüßt. Aber Nathan, der als Kaufmann
Geldeswert wohl zu schätzen versteht, hat in diesem Moment Wichtigeres zu
tun, als sich um seine Millionen zu kümmern:
Und warum zuerst
Von dieser Kleinigkeit?
- Ich sehe dort
Ein Aug' in Tränen, das zu trocknen, mir
Weit angelegner ist. [V,8
V 3699ff.]
Mit diesen Worten geht er auf Recha zu, die in Schmerz aufgelöst ist, und
sucht ihr Weh zu lindern. Das ist wahrhaftes Wohltun - ein Wohltun, das dem
Herzen wohltut. Es ist das einer der ethisch wertvollsten Züge des ganzen
Dramas.
Was in kriegerischen Zeiten (im »Testament Johannis«) begonnen, ist jetzt,
wo Frieden eingetreten ist, zur Reife gelangt. Und konnte es damals noch
scheinen, als werde das moralische Handeln . die "unchristliche christliche
Liebe" - schlechthin mit der Religion identifiziert und als verliere diese
jede selbständige Bedeutung, so ist auch diese Gefahr jetzt definitiv
überwunden. Die Religion ist ihm weder Lehre wie Orthodoxie, noch Wissen wie
dem Deismus, noch Gut-Handeln wie der Aufklärung, Religion ist ihm
Gesinnung. Damit befreit er sie von allem Intellektualismus (dogmatischer
und philosophischer Art) und Moralismus und gibt sie sich selbst wieder.
Gerade seiner wissensstolzen Zeit predigt er mit besonderem Nachdruck, dass
alles Philosophieren, Grübeln und Nachdenken über Religion und göttliche
Dinge selbst keine Religion, dass es nur ein Wähnen ist. Soviel Geist und
Kraft auch Lessing sein ganzes Leben über aufgewandt hat, zu klaren
Resultaten in Religionsphilosophie und Religionsgeschichte zu kommen, dem
einen was nottut gegenüber, dass die Seele zum Einklang mit dem Universum
gelangt, erscheint ihm das alles als nichtig. [...]
*Kettner, Lessings Dramen im Lichte ihrer und unserer Zeit, Berlin 1904,
S.392
(aus:
Fittbogen (1923), in:
Bohnen (Hg.)
1984, S.84 -93)
Dieses Werk (Auszüge aus Lessings Religion (1923), von Gottfried Fittbogen), das durch
Gert Egle gekennzeichnet wurde, unterliegt keinen bekannten urheberrechtlichen Beschränkungen.
Autorinformation:
»Gottfried Fittbogen (1878-1941), deutscher Privatgelehrter und Autor;
Studium der Theologie, dann Germanistik; ab 1907 Oberlehrer (Studienrat) in
Berlin-Neukölln; 1911 auf eigenen Wunsch Entlassung aus dem Schuldienst, um sich
- als Privatgelehrter - wissenschaftlichen Forschungen zuzuwenden; quittierte
jedoch im Oktober 1911 den Schuldienst, um sich der wissenschaftlichen Forschung
zu widmen; Themen u. a. "Kunde vom Grenz- und Auslandsdeutschtum" und der
"Erfassung des deutschen Volkstums außerhalb Deutschlands", sein auflagenstarkes
Hauptwerk "Was jeder Deutsche vom Grenz- und Auslanddeutschtum wissen muß"(1937)
wurde im Auftrag des »Vereins für Deutschtum im Ausland (VDA) verfasst und
umfasste in der ersten Auflage (1924) knapp 64 Seiten dick war, kam in seiner
neunten und letzten Auflage (1938) auf 280 Seiten; Schriften wie diese waren in
Deutschland in den 20er und 30er Jahren, wie Ingo Eser (2010, S.40 f.)
schreibt, als
pädagogische und populärwissenschaftliche Schriften über die "Situation der
Deutschen im Ausland, vor allem in den an Polen 'abgetretenen Gebieten'"
populär, und Beiträge über die kulturpolitische und konfessionelle Lage der
deutschen Minderheit in Polen (z. B. Probleme des Minderheitenschulwesens)
wurden in etlichen Zeitschriften veröffentlicht. Dabei reichte die Spannweite
"von Veröffentlichungen pazifistischer Kreise und anderer
nationaler Minderheiten bis hin zu nationalkonservativen oder gar völkischen
Organen." (ebd.,S.41) Dabei habe Fittbogen 1924 die "volksnationale Reorientierung
der deutschen Öffentlichkeit als eine natürliche Reaktion auf die Niederlage im
Ersten Weltkrieg dar: »Vor dem Krieg haben wir unsere Volksgenossen im Ausland
sträflich vernachlässigt. Dass das anders werden muss, zumal das seit unserer
Niederlage im Weltkrieg die Zahl der Deutschen, die außerhalb des Deutschen
Reiches leben, um viele Millionen gewachsen ist, ist
selbstverständlich.«[6.Aufl., 1929, S.1] Der
Verein für Deutschtum im Ausland (VDA) war im Kreis
der
deutschvölkischen Bewegung angesiedelt und setzte sich mit finanzieller
Unterstützung des Auswärtigen Amtes für die Revision des Versailler
Vertrages und für den Erhalt des sogenannten "Auslanddeutschtums" ein.
Schon 1908 zählte er ca. 2,5 Mio. Mitglieder. (vgl.
Wikipedia) Die Rolle, die der VDA im Nationalsozialismus spielte, ist
umstritten. So soll er sich zwar für die Revision der Grenzen nach dem
Versailler Vertrag eingesetzt, sich aber nicht der NS-Ideologie mit seiner
Forderung nach Eroberung von Lebensraum im Osten angeschlossen haben;
andererseits aber, so wird auch in der Forschung betont, habe sich der VDA
schon früh der NS-Ideologie angenähert und konnte das auch, weil VDA und Nazis eben
gemeinsame Ziele verfolgt und darüber hinaus auch gemeinsame Wurzeln
besessen hätten. (vgl.
ebd.)
(vgl. auch:
Die Instrumentalisierung der christlichen
"Gotteskrieger" - Notopfer-Karte des VDA, 1932)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023