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Figurengestaltung in dramatischen Texten ▪
Kontrast-
und Korrespondenzbeziehungen der Figuren ▪
Figurencharakterisierung
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Techniken
der Figurencharakterisierung in dramatischen Texten
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Auktoriale Techniken
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Figurale
Techniken
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Literarische Charakteristik
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Nathan
als Erzieher: Gesprächsstrategie Nathans im Dialog mit Recha
Bei
der Interpretation der Figur des
Nathan
in
Lessings
Drama »Nathan
der Weise« fällt das Augenmerk der Interpreten immer wieder darauf,
woher Nathans Weisheit und seine Fähigkeit als Erzieher anderer Figuren
kommt und worauf sie sich gründet.
Nathan als weiser und erfolgreicher Erzieher
Blickt man auf das Personal des Dramas, so zeigt sich Nathan gegenüber einer
ganzen Reihe von Personen als weiser und erfolgreicher Erzieher:
-
Recha wird von ihm gegen den
Einfluss der abergläubischen und religionsfanatischen Christin Daja in
einem deistisch fundierten Vernunftglauben erzogen.
-
Saladin und Sittah werden mit
seiner Hilfe von religiösen Vorurteilen frei.
-
Der Tempelherr wird von ihm
dahingehend erzogen, dass er sein Ordensgelübde der Keuschheit seiner
Menschlichkeit und Liebe zu Recha hintanstellt. (vgl.
Leisegang
1931/1984, S. 125f.
Nathan kann Daja und den Patriarchen nicht erziehen
Wenig Erfolg als Erzieher hat Nathan indessen bei Daja, dem Klosterbruder
und dem Derwisch Al-Hafi, die "(...) außerhalb seiner Macht (stehen),
geschützt vor aller Aufklärung durch das, wogegen Götter selbst vergebens
kämpfen. Doch Nathan achtet auch sie, er nimmt sie so, wie sie sind, nicht
ohne dass er sich ihnen überlegen fühlt und ihnen vergibt, weil sie nicht
wissen, was sie tun." (ebd.,
S.126) Keinerlei Achtung bringt er hingegen für den Patriarchen auf und "nur
bei ihm hört alle Menschlichkeit und alle Gemütlichkeit auf: bei dem
Patriarchen, dem Vertreter der Kirche, ihrer Macht und ihrer unbarmherzigen
Intoleranz." (ebd.)
Der tiefere Grund für diese Einstellung Nathans gegenüber dem Patriarchen
liegt in der Menschlichkeit Nathans begründet, mit der er jedem einzelnen
als Mensch begegnet, "wenn er nur auf einen anderen Willen stößt, der einer
solchen Begegnung entgegenkommt." (von
Wiese 1931/1984, S.139). Einen Menschen, wie den Patriarchen, "dem nicht
selber »genügt ein Mensch zu sein«" (ebd.)
ist auch nicht mit Menschlichkeit beizukommen.
Die metaphysische Begründung von Nathans Fähigkeit, andere zu
erziehen
Nathans Fähigkeit, als Erzieher anderer Figuren zu wirken, wird aber
gelegentlich auch metaphysisch begründet. So betont
Leisegang (1931/1984), der Lessing selbst einen "mystischen Gottes-
und Weltbegriff" (S.123) unterstellt, dass die Weisheit, die Nathans
Fähigkeit als Erzieher zugrunde liege, das Ergebnis seiner
Gottergebenheit
sei. Dementsprechend habe er auch seine Weisheit nicht "durch Denken
oder Grübeln, sondern durch die Führung der Vorsehung, durch Umkehr und
Einkehr, durch Verzicht auf eigenen Willen und Aufnahme des göttlichen
Willens erlangt" (ebd.,
S.125) (vgl. Nathans Verarbeitung
seiner Erlebnisse beim Judenpogrom in Gath ...).
Nur als Folge dieser Gottergebenheit habe Nathan zum "Erzieher der
anderen" werden können. Aus diesem Grunde sei die Übernahme dieser
Erzieherrolle auch kein willentlicher Akt oder Ergebnis einer
gesellschaftlichen Zuschreibung, vielmehr sei sie "eine Tätigkeit, die er
nicht ausüben will, sondern die von ihm ausgeht und ausstrahlt als
etwas Selbstverständliches, so dass nicht nur sein Tun, sondern sein bloßes
Dasein erzieherisch wirkt." So betrachtet ist Nathans Weisheit aber auch
kein Charakterzug Nathans, sondern die (logische) Konsequenz, eines "von
Gott hervorgebrachte(n) Wollen(s)" (ebd.,
S.118)
Nathans Weisheit und Fähigkeit als Erzieher als Resultat
seiner Pogromerfahrungen?
Dass Nathans Weisheit und seine Fähigkeit, andere zu erziehen, kein
besonders Talent ist, das ihm quasi von Natur mitgegeben worden ist, betont
auch
Wolfgang
Kröger (1998, S.2), der die die Bedeutung seiner Erfahrungen
beim Judenpogrom von Gath heraussstreicht, zugleich aber Zweifel daran hat,
ob eine solche Entwicklung zu Güte, pädagogischer Entschiedenheit,
Freigiebigkeit und Menschenkenntnis nach einer so "grässlichen Geschichte"
überhaupt denkbar ist (Wolfgang
Kröger 1998, S.27). Dabei sei natürlich keineswegs zu
verkennen, dass "Nathans pädagogisches Geschick, seine Güte und sein
Reichtum [...] Voraussetzungen für den »guten Ablauf« des Dramas [sind]" (
Wolfgang Kröger 1998, S.32)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
02.05.2021
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