KLOSTERBRUDER.
Traut mir, Nathan!
Denn seht, ich
denke so! Wenn an das Gute,
Das ich
zu tun vermeine, gar zu nah
Was gar
zu Schlimmes grenzt: so tu ich lieber
Das Gute nicht; weil wir das Schlimme zwar
3000
So ziemlich zuverlässig kennen,
aber
Bei weiten nicht das Gute. -
War ja wohl
Natürlich; wenn das
Christentöchterchen
Recht gut von
Euch erzogen werden sollte:
Dass
Ihr's als Euer eigen Töchterchen
Erzögt. - Das hättet Ihr mit aller Lieb'
Und Treue nun getan, und müsstet so
Belohnet werden? Das will mir nicht ein.
Ei freilich, klüger hättet Ihr getan;
Wenn Ihr die Christin durch die zweite Hand
3010
Als Christin auferziehen
lassen: aber
So hättet Ihr das
Kindchen Eures Freunds
Auch nicht
geliebt. Und Kinder brauchen Liebe,
Wär's eines wilden Tieres Lieb' auch nur,
In solchen Jahren mehr, als Christentum.
Zum Christentume hat's noch immer Zeit.
Wenn nur das Mädchen sonst gesund und fromm
Vor Euern Augen aufgewachsen ist,
So
blieb's vor Gottes Augen, was es war.
Und ist denn nicht das ganze Christentum
3020
Aufs Judentum gebaut? Es hat
mich oft
Geärgert, hat mir Tränen
g'nug gekostet,
Wenn Christen gar so
sehr vergessen konnten,
Dass unser
Herr ja selbst ein Jude war.
NATHAN. Ihr, guter
Bruder, müsst mein Fürsprach sein,
Wenn Hass und Gleisnerei sich gegen mich
Erheben sollten, - wegen einer Tat -
Ah, wegen einer Tat! - Nur Ihr, Ihr sollt
Sie wissen! - Nehmt sie aber mit ins Grab!
Noch hat mich nie die Eitelkeit versucht,
3030
Sie jemand andern zu erzählen.
Euch
Allein erzähl ich sie. Der
frommen Einfalt
Allein erzähl ich
sie. Weil die allein
Versteht, was
sich der gottergebne Mensch
Für
Taten abgewinnen kann.
KLOSTERBRUDER.
Ihr seid
Gerührt, und Euer Auge
steht voll Wasser?
NATHAN. Ihr traft mich mit dem
Kinde zu Darun.
Ihr wisst wohl aber
nicht, dass wenig Tage
Zuvor, in
Gath die Christen alle Juden
Mit
Weib und Kind ermordet hatten; wisst
3040
Wohl nicht, dass unter diesen
meine Frau
Mit sieben
hoffnungsvollen Söhnen sich
Befunden, die in meines Bruders Hause,
Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt
Verbrennen müssen.
KLOSTERBRUDER.
Allgerechter!
NATHAN.
Als
Ihr kamt, hatt' ich drei Tag'
und Nächt' in Asch'
Und Staub vor
Gott gelegen, und geweint. -
Geweint? Beiher mit Gott auch wohl gerechtet,
Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht;
Der Christenheit den unversöhnlichsten
3050
Hass zugeschworen -
KLOSTERBRUDER. Ach! Ich glaub's Euch wohl!
NATHAN.
Doch nun kam die Vernunft
allmählich wieder.
Sie sprach mit
sanfter Stimm': »und doch ist Gott!
Doch war auch Gottes Ratschluss das! Wohlan!
Komm! übe, was du längst begriffen hast,
Was sicherlich zu üben schwerer nicht,
Als zu begreifen ist, wenn du nur willst.
Steh auf!« - Ich stand! und rief zu Gott: ich will!
Willst du nur, dass ich will! - Indem stiegt Ihr
Vom Pferd, und überreichtet mir das Kind,
3060
In Euern Mantel eingehüllt. -
Was Ihr
Mir damals sagtet; was ich
Euch: hab ich
Vergessen. Soviel weiß
ich nur, ich nahm
Das Kind, trug's
auf mein Lager, küsst' es, warf
Mich
auf die Knie und schluchzte: Gott! auf Sieben
Doch nun schon Eines wieder!
KLOSTERBRUDER.
Nathan! Nathan!
Ihr seid ein Christ!
- Bei Gott, Ihr seid ein Christ!
Ein
bessrer Christ war nie!
NATHAN.
Wohl uns! Denn was
Mich Euch zum
Christen macht, das macht Euch mir
Zum Juden! - Aber lasst uns länger nicht
3070
Einander nur erweichen. Hier
braucht's Tat!
Und ob mich
siebenfache Liebe schon
Bald an dies
einz'ge fremde Mädchen band,
Ob der
Gedanke mich schon tötet, dass
Ich
meine sieben Söhn' in ihr aufs neue
Verlieren soll: - wenn sie von meinen Händen
Die Vorsicht wieder fodert, - ich gehorche!
KLOSTERBRUDER. Nun vollends! - Eben das bedacht' ich
mich
So viel, Euch anzuraten! Und so
hat's
Euch Euer guter Geist schon
angeraten!
3080
NATHAN. Nur muss der erste beste mir sie
nicht
Entreißen wollen!
KLOSTERBRUDER. Nein, gewiss nicht!
NATHAN.
Wer
Auf sie nicht größre Rechte hat,
als ich,
Muss frühere zum mind'sten
haben -
KLOSTERBRUDER.
Freilich!
NATHAN. Die ihm Natur und Blut
erteilen.
KLOSTERBRUDER.
So
Mein ich es auch!
NATHAN.
Drum nennt mir nur geschwind
Den
Mann, der ihr als Bruder oder Ohm,
Als Vetter oder sonst als Sipp' verwandt:
Ihm will ich sie nicht vorenthalten - Sie,
Die jedes Hauses, jedes Glaubens Zierde
3090
Zu sein erschaffen und erzogen
ward. -
Ich hoff, Ihr wisst von
diesem Euern Herrn
Und dem
Geschlechte dessen, mehr als ich.
KLOSTERBRUDER.
Das, guter Nathan, wohl nun schwerlich! - Denn
Ihr habt ja schon gehört, dass ich nur gar
Zu kurze Zeit bei ihm gewesen.
NATHAN.
Wisst
Ihr denn nicht wenigstens, was
für Geschlechts
Die Mutter war? -
War sie nicht eine Stauffin?
KLOSTERBRUDER. Wohl
möglich! - Ja, mich dünkt.
NATHAN.
Hieß nicht ihr Bruder
Conrad von
Stauffen? - und war Tempelherr?
3100
KLOSTERBRUDER.
Wenn mich's
nicht trügt. Doch halt! Da fällt mir ein,
Dass ich vom sel'gen Herrn ein Büchelchen
Noch hab. Ich zog's ihm aus dem Busen, als
Wir ihn bei Askalon verscharrten.
NATHAN.
Nun?
KLOSTERBRUDER. Es sind Gebete drin. Wir
nennen's ein
Brevier. - Das, dacht'
ich, kann ein Christenmensch
Ja wohl
noch brauchen. - Ich nun freilich nicht -
Ich kann nicht lesen -
NATHAN.
Tut nichts! - Nur zur Sache.
KLOSTERBRUDER. In
diesem Büchelchen stehn vorn und hinten,
Wie ich mir sagen lassen, mit des Herrn
3110
Selbsteigner Hand, die
Angehörigen
Von ihm und ihr
geschrieben.
NATHAN.
O erwünscht!
Geht! lauft! holt mir
das Büchelchen. Geschwind!
Ich bin
bereit mit Gold es aufzuwiegen;
Und
tausend Dank dazu! Eilt! lauft!
KLOSTERBRUDER.
Recht gern!
Es ist Arabisch aber,
was der Herr
Hineingeschrieben.
(Ab.)
NATHAN.
Einerlei! Nur her! -
Gott! wenn ich
doch das Mädchen noch behalten,
Und
einen solchen Eidam mir damit
Erkaufen könnte! - Schwerlich wohl! - Nun, fall'
3120
Es aus, wie's will! - Wer mag
es aber denn
Gewesen sein, der bei
dem Patriarchen
So etwas angebracht?
Das muss ich doch
Zu fragen nicht
vergessen. - Wenn es gar
Von Daja
käme?